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Beitragsserie (Teil 1)Die Digitalisierung der Zahnarztpraxis – wo stehen wir aktuell?
| Die Digitalisierung der Welt schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Bereits jetzt ist sie in zahlreichen Arbeits- und Lebensbereichen, resultie-rend aus wirtschaftlichen Zwängen oder aus gesetzlichen Vorschriften, unvermeidbar und unverzichtbar. Die Beispiele hierfür im Gesundheitssektor sind zahlreich und werden immer mehr: Telematik-Infrastruktur, Stammdatenmanagement, verpflichtende Abrechnung per EDV, Videosprechstunde oder elektronische Medikationspläne seien an dieser Stelle genannt. In diesem und den zwei Folgebeiträgen wollen wir für Sie einen Überblick über digitale Anwendungen geben die zwingend, nützlich oder auch zu vernachlässigen sind – eine Übersichtstabelle zum Download gibt es dazu (Abruf-Nr. 49625286). |
Digitalisierung ist kein Selbstzweck
Die Älteren nutzen (oft ohne große Begeisterung) die EDV-Programme und -Anwendungen der Praxis, weil sie es müssen, nicht aber, weil sie es wollen und von der Notwendigkeit einer Praxisdigitalisierung überzeugt sind. Für die jüngeren Kollegen ist digitales Arbeiten hingegen eine Selbstverständlichkeit, weil sie mit Computern, Software und der Digitalisierung aufgewachsen sind. Doch Digitalisierung sollte immer einen Zweck erfüllen und Nutzen bringen. Nicht jeder digitale Prozessablauf ist automatisch einer analogen Vorgehensweise überlegen und bringt der Praxis und/oder dem Praxisinhaber einen zusätzlichen Nutzen bzw. eine Arbeitserleichterung. Diese Beitragsserie soll daher einen Überblick vermitteln,
- in welchen Bereichen der zahnärztlichen Berufsausübung die Digitalisierung schon jetzt unvermeidbar ist („Must-have“),Nicht jede digitale Möglichkeit ist auch in jeder Praxis sinnvoll
- welche digitalen Anwendungen aus heutiger Sicht sinnvoll bzw. empfehlenswert sind („Nice-to-have“),
- welche digitalen Anwendungen aus heutiger Sicht nach Ansicht der Autoren nicht sinnvoll oder empfehlenswert sind,
- welchen aktuellen Nutzen die betreffenden Anwendungen bieten,
- mit welchen einmaligen und laufenden Kosten der jeweilige Digitalisierungsschritt verbunden ist (Hardware und Software),
- welches Kosten-Nutzen-Verhältnis aus Sicht der Autoren derzeit besteht
- und mit welchen Änderungen der Vorschriften mittelfristig zu rechnen ist.
Dabei sollen die verschiedenen Funktionsbereiche soweit wie möglich getrennt abgehandelt werden, wobei nicht übersehen werden darf, dass Arbeitsbereiche und Funktionen sich schon jetzt teilweise überlappen. Außerdem möchten wir betonen, dass die Beiträge unsere persönliche, auf Erfahrungswerten beruhende Meinung wiedergeben und nicht den Anspruch erheben wollen, in jeder Situation „richtig“ zu liegen: die Digitalisierung verläuft zu rasch und zu komplex, um alle Teilaspekte berücksichtigen zu können.
Digitale Praxisverwaltung
Laut Rebmann-Research wurden seit 2021 673.128 elektronische Patientenakten angelegt, Tendenz steigend; die Zahl wird sprunghaft steigen, wenn ab 2025 eine Widerspruchslösung eingeführt wird, sodass nur durch aktives Handeln des Versicherten eine elektronische Patientenakte nicht angelegt wird. Auch die Quartalsabrechnung erfolgt zwingend per Datenübertragung, die Kostenvoranschläge/-pläne werden (endlich) direkt auf elektronischem Weg an die Krankenkassen zur Genehmigung geschickt, zahnärztliche Leistungen und Eigenlaborleistungen werden per Computer abgerechnet: Hier ist die Digitalisierung bereits erfolgt und zwingend vorgeschrieben.
Dies hat zur Folge, dass man nicht nur einen Praxiscomputer und eine Praxisverwaltungssoftware benötigt, sondern auch an die Telematik-Infrastruktur (Kartenterminal, Konnektor, Internetanschluss, VPN, KIM usw.) angeschlossen sein muss, um die entsprechenden Verwaltungsschritte abwickeln zu können. Außerdem müssen die Abrechnungsdaten digital erfasst, gesichert und archiviert werden. Die Praxisverwaltungssoftware muss laufend an die sich stetig ändernden Abrechnungsvorschriften und Vertragsvereinbarungen angepasst, also aktualisiert werden.
Kosten |
Die preisgünstigsten Einplatz-Lösungen erfordern (Anfangs-)Investitionen von mindestens 3.000 Euro. Soll die Praxis vernetzt werden, sind Investitionen in fünfstelliger Höhe die Regel, abhängig von der Praxisgröße und dem Nutzungsumfang der Verwaltungssoftware. Ein Investitionsbetrag von 15.000 Euro sollte (zunächst) nicht überschritten werden, bis man sieht, welche Hard- und Softwarepakete man tatsächlich nutzt und Erfahrungswerte an der Hand hat, in welchem Umfang man Digitalisierungsmöglichkeiten in der eigenen Praxis implementieren möchte. Weitere Kosten fallen an für die Schulung des Personals und für Zusatzmodule, die nicht zur Basisausstattung gehören und gesondert in Rechnung gestellt werden. Die monatlichen Kosten für den Betrieb und die Updates liegen in der Regel bei über 200 Euro. Bei Cloudsystemen sind die Kosten häufig abhängig von der Anzahl der Behandler. Berücksichtigen Sie außerdem bei Ihrer Investitionsplanung, dass die Software zwar durch die Wartungen immer aktuell bleibt, die Hardware aber durchschnittlich alle 5–10 Jahre ausgetauscht werden muss, weil die Systemanforderungen an die Hardware immer weiter steigen. |
Nutzen |
Da die „elektronische Abrechnung“ über eine Praxisverwaltungssoftware vorgeschrieben ist, ist eine Diskussion über den Nutzen nur eingeschränkt sinnvoll. Neben der obligatorischen „elektronischen Abrechnung“ ergeben sich aber zweifelsfrei Vorteile bei
Je umfangreicher die Möglichkeiten der Praxisverwaltungssoftware genutzt werden, desto mehr Nutzen für die Praxis kann daraus gezogen werden. Es dürfte aber keine Praxis geben, die alle Möglichkeiten nutzt, die eine Praxisverwaltungssoftware bietet – siehe die einführenden Bemerkungen zu (digitalen oder analogen) Prozessabläufen. |
Digitale Terminvergabe
Für jüngere Patienten gehört zu einem guten Praxisservice und zu einem modernen Internetauftritt auch die Möglichkeit, einen Termin per Computer oder Smartphone vereinbaren zu können. Andererseits möchte insbesondere die ältere Generation auf die gewohnte Terminvergabe per Telefon bzw. persönlich in der Praxis nicht verzichten. In vielen Praxen erfolgt die Terminvergabe daher sowohl per Internet/Webseite – teilweise auch durch externe Dienstleister – als auch per Telefon bzw. in der Praxis selbst. Das von Hand geführte Terminbuch ist eindeutig auf dem Rückzug: sofern die Praxis ihre Termine auch per Internet vergibt, ist die Verwendung eines elektronischen Bestellbuchs unvermeidbar.
Kosten |
Das elektronische Bestellbuch ist in der Regel in der Praxisverwaltungssoftware integriert, die internet- bzw. cloudbasierte Terminvergabe muss hingegen zusätzlich erworben werden. Die Gesamtkosten für die Anschaffung (inkl. Schulung) sollten nicht mehr als 2.000 Euro betragen. Die laufenden monatlichen Kosten betragen mindestens ca. 120 Euro und sind bei Cloudsystemen oft abhängig von der Zahl der Behandler. |
Nutzen |
Die Rezeption wird durch internetbasierte Terminvergabe entlastet. Terminverschiebungen und Terminabsagen sind übersichtlicher als bei Verwendung der „Kladde“. Der Nutzen steigt mit der Größe der Praxis und der Vorlaufzeit bei der Terminvergabe. Terminerinnerungen per E-Mail oder SMS können automatisch verschickt werden. Da ältere Patienten teilweise mit den internetbasierten Lösungen fremdeln, ist es nicht empfehlenswert, das Bestellwesen ausschließlich mittels internetbasierten Lösungen durchzuführen. |
Digitaler Recall
Da die Karteiführung zwingend per EDV erfolgt und somit auch der Recall per Tastendruck eingeleitet werden kann, ist der Recall per Telefon weitgehend aus der Mode gekommen. In Anbetracht der Bearbeitungs- und Portokosten ist auch ein Recall per Brief nicht zu empfehlen, sodass als Alternative nur bleibt, den nächsten Termin direkt zu vereinbaren, wenn der Patient in der Praxis erscheint, oder ihm eine E-Mail zukommen zu lassen. Die Programme können auch SMS verschicken, aber diese Funktion dürfte in absehbarer Zeit nicht mehr verfügbar sein.
Vorteile |
Kostengünstig, einfach durchzuführen, geringer Zeitaufwand für die Praxis. |
Nachteil |
Keine persönliche Ansprache der Patienten. |
- In Teil 2 der Serie geht es um das digitale Mahnwesen, die digitale Materialverwaltung und das digitale Controlling.
AUSGABE: ZP 7/2023, S. 13 · ID: 49533584