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InterviewDas 40-jährige Dienstjubiläum – eine spannende Zeitreise durch das Berufsleben einer ZFA
| Mit diesem Beitrag begeben wir uns auf eine spannende Zeitreise durch vier Jahrzehnte Berufserfahrung. Sylvia Reiher, geb. 1967 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) hat in den Jahren 1983–86 an der Medizinischen Fachschule „Walter-Krämer” die Ausbildung zur Stomatologischen Schwester genossen und feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Dienstjubiläum. |
Frage: Frau Reiher, Sie sind im Jahr 2023 vierzig Jahre als Zahnarzthelferin tätig. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Jubiläum! Bitte erzählen Sie uns, wie sind Sie zur Zahnmedizin gekommen?
Antwort: Vielen Dank! Ich hatte selbst als Kind eine kieferorthopädische Behandlung bei einem allgemeinen Stomatologen (Anm. d. Red.: ab 1960 wurden Zahnärzte in der DDR auch Stomatologen genannt), war dort oft vor Ort und habe mich dann für den Beruf interessiert.
Frage: Wie war Ihre Ausbildung in Praxis und Berufsschule?
Antwort: Es war eine sehr umfangreiche Ausbildung, auch aus allgemeinmedizinischer Sicht. Unsere Unterrichtsfächer waren Anatomie, Psychologie, Deutsch, Lehrveranstaltung Praxis (LVP), Desinfektion- Sterilisation und Mikrobiologie, zahnmedizinische Unterrichtsfächer usw. Die Ausbildung dauerte drei Jahre und wurde nicht als „Lehre“, sondern als medizinisches Fachschulstudium bezeichnet. Ich habe in einer Ambulanz, Fachabteilung Zahnmedizin, gearbeitet, in meiner Abteilung waren etwa acht Zahnärzte mit entsprechend vielen Behandlungsräumen. In der Ausbildung war jede Auszubildende jedem dieser Zahnärzte für einen bestimmten Zeitraum zugeordnet und so konnten wir schon früh die Flexibilität, mit verschiedenen Behandlern zu arbeiten, erlernen. Das erste und zweite Studienjahr war eine Art duales Studium. Hier waren im Wechsel immer zwei Wochen Unterricht und zwei Wochen Praxisarbeit. Im dritten Studienjahr war mehr Praxis als Schule.
In den Wochen der Praxisarbeit hatten wir eine Art praktischen Tag in der Schule, und wurden zu Materialkunde, Instrumentenkunde und praktischem Arbeiten (z. B. Anmischen von Alginaten und Zementen) unterrichtet. Zur Ausbildung gehörten auch Hospitationen in der Kieferorthopädie, Mund-Kiefer-Gesichts-Heilkunde, Kinderzahnheilkunde, Röntgen und in einem Zahntechnischen Labor. In den ersten beiden Studienjahren haben wir eine Hospitation in einem allgemeinmedizinischen Krankenhaus geleistet, um die Abläufe dort kennenzulernen. Diese Hospitation fand an etwa zehn Wochenenden statt. Das Thema Abrechnung stand nicht im Vordergrund, da es keine Abrechnung im heutigen Sinne gab, es wurde in der Praxis (Ambulanz) eine Art Statistik geführt (Anzahl Zst, Anzahl Fllg usw.) geführt und dann mit dem Staat abgerechnet.
Zu unserer Ausbildung gehörte auch das Erlernen einfacher Prothesenreparaturen und das Herstellen von Modellen in einem zahntechnischen Labor, welches der Ambulanz angehörte. Für Zahnersatz gab es keine Zuzahlung, es gab eine Art Budget für Zahnersatz, der in ein Buch einzutragen war und wenn die Kapazität des staatlich vorgegebenen Budgets aufgebraucht war, musste der Patient auf die Behandlung entsprechend lange warten.
Mein Anfangsgehalt waren 450 Ostmark, alle haben das Gleiche verdient. Dies war bei den Zahnärzten ebenso: Alle haben gestaffelt ihrer Berufsjahre das gleiche Einkommen erhalten.
Ich habe meine Ausbildung sehr positiv, umfangreich und sehr gut in Erinnerung. Nach abgeschlossener Ausbildung konnte ich weiter in der gleichen Ambulanz bleiben, dort bin ich bis 1990 geblieben, bevor ich zusammen mit meinem Mann nach Westdeutschland ging. Da meine Ausbildung hier nur teilweise anerkannt wurde, musste ich drei Fächer nachholen und habe das 3. Lehrjahr wiederholt, um die Anerkennung zu erlangen.
Frage: Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 40 Jahren in Bezug auf die Ausbildung und den Beruf der ZFA verbessert?
Antwort: Das ganze Berufsbild hat sich positiv verändert. War man früher als Zahnarzthelferin nur für die Assistenz vorgesehen, so ist das selbstständige Arbeiten heute viel mehr in den Vordergrund getreten (Zst, PZR, Abdrücke, QM, Abrechnung). Die Technik ist enorm weit vorangeschritten (z. B. Cerec) und ermöglicht neben der Zahnbehandlung auch die Berücksichtigung von Ästhetik, Vorsorge und Zahnerhalt. Mit diesen Fortschritten haben sich viele neue Aufgaben, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Praxispersonal sowie zahlreiche Spezialisierungen (z. B. Sportzahnmedizin, Umweltzahnmedizin) entwickelt. Das finde ich sowohl in der Ausbildung als auch im Berufsalltag eine unglaubliche Verbesserung.
Frage: Welche Aufgaben gehören heute zu Ihrem Praxisalltag?
Antwort: Ich habe 1990 in einer Einbehandlerpraxis in Bayern angefangen und bin neben der Praxisorganisation, Verwaltung, Abrechnung, Patientenberatung auch das „Mädchen für alles”. Später ist die Tochter meines Chefs zunächst mit eingestiegen und hat dann 2019 die Praxis übernommen. Ich kenne sie schon als kleines Mädchen, wir haben eine besondere Bindung zueinander.
Frage: Gibt es etwas, das Sie aus heutiger Sicht in Bezug auf Ihre Berufslaufbahn anders machen würden?
Antwort: Wenn ich gewusst hätte, dass mein Hauptaufgabengebiet die Abrechnung wird, hätte ich in jungen Jahren die Weiterbildung zur ZMV gemacht. Dies hätte mir neben dem Wissenserwerb und womöglich einer besseren Bezahlung auch andere Möglichkeiten im Berufsleben gegeben, z. B. die Möglichkeit, bei einem Abrechnungsbüro, einer Krankenkasse oder einer Versicherung tätig zu werden.
Frage: Haben Sie Tipps, wie man sich in der Praxis positionieren kann?
Antwort: Ein Zahnarzt kann nicht ohne Helferin arbeiten und umgekehrt. Eine Praxis ist ein Team. Suchen Sie sich Ihren festen Platz im Team durch Spezifikation, nutzen Sie Ihre Stärken, fühlen Sie sich verantwortlich und leben Sie diese. Es ist enorm wichtig, in einem guten Team zu arbeiten. So geht man gerne zur Arbeit und auch für den Patienten, der mit Angst in die Praxis kommt, ist es gut, in eine angenehme Atmosphäre einzutreten.
Frage: Was halten Sie von einer Fortbildung zur Praxismanagerin bzw. wie stehen Sie zu der Funktion als Praxismanagerin im Allgemeinen?
Antwort: Ich denke, dass das Implementieren von Strukturen und das Abgeben von unternehmerischen Aufgaben des Praxisinhabers an einen Mitarbeiter heute enorm wichtig ist, damit sich der Praxisinhaber voll auf die Behandlung konzentrieren kann. Eine solche Weiterbildung hätte ich begrüßt, mir hätte auch besonders der Austausch mit Kolleginnen in Weiterbildungen gutgetan, da ich schon sehr lange in dieser Praxis arbeite und mit den Jahren auch eine gewisse Betriebsblindheit entsteht.
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Frage: Was hat Ihnen die Freude am Beruf über vier Jahrzehnte erhalten?
Antwort: Dies ist eine für mich ganz leicht zu beantwortende Frage: der Umgang mit den Menschen. Einst Kinder, die heute Erwachsene sind, Patienten, die einen vermissen, wenn man nicht da ist. Der Umgang mit den Menschen ist einfach sehr schön! Man muss offen sein, auf die Menschen zugehen, ihnen die Angst nehmen, ins Gespräch kommen. Die größte Freude ist, wenn der Patient sagt, er habe keine Angst mehr, weil er so gut begleitet und betreut worden sei. Es ist ein abwechslungsreicher, kurzweiliger, einfach ein toller Beruf.
Frage: Was sind Ihre ultimativen Tipps für ein erfülltes Berufsleben als ZFA?
Antwort: Bleiben Sie immer neugierig und offen für Neues! Seien Sie ein Teamplayer! Haben Sie Liebe und Freude zum Beruf und zum Umgang mit Menschen. Geben Sie immer Ihr Bestes, aber stellen Sie die eigene Gesundheit immer an erster Stelle.
Jeder Tag ist wie ein Abenteuer, man weiß nie was auf einen zukommt!
AUSGABE: ZP 5/2023, S. 13 · ID: 49249276