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VertragsarztrechtZulassungsentziehung wegen vorgetäuschter üBAG und Betrug bei der Abrechnung

Abo-Inhalt26.04.20234600 Min. LesedauerVon RA Vincent Holtmann, Voß.Partner, Münster

| Einem Zahnarzt wurde seine Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung entzogen, weil er seine vertragszahnärztlichen Pflichten in mehrfacher Hinsicht gröblich verletzt hat (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2022, Az. L 7 KA 4/20). So hat er u. a. eine vertragszahnärztliche Tätigkeit in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) organisiert und ausgeübt, die tatsächlich lediglich pro forma bestand. Die üBAG verletzte hierdurch zudem das Gebot der peinlich genauen Abrechnung. Schließlich hat der Kläger unübersichtliche und teilweise widersprüchliche Verträge maßgeblich selbst konzipiert und so eine Prüfung der Frage, ob seine Kooperation dem Recht entspricht, massiv erschwert. |

Inhaltsverzeichnis

Der Fall

Der im gerichtlichen Verfahren als Kläger auftretende Vertragszahnarzt – seinerseits langjähriges Mitglied in verschiedenen Ausschüssen der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung – hatte über den Verlauf mehrerer Jahre zahlreiche üBAG in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung vereinbart und durch den zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt bekommen. Die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Vertragswerke waren sämtlich von juristischen Laien und ohne anwaltliche Betreuung konzipiert worden.

Als der spätere Kläger vom Zulassungsausschuss schließlich die Genehmigung noch weiterer üBAGs unter Vorlage unvollständiger Verträge begehrte, lehnte dieser ab und stellte fest, dass die früheren Genehmigungen der üBAGs rechtswidrig zustande gekommen seien. Doch damit nicht genug: Hieran anknüpfend entzog der Zulassungsausschuss dem Zahnarzt auch noch die vertragszahnärztliche Zulassung und begründete dies damit, dass dieser gröblich gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen habe. So habe der Zahnarzt insbesondere die in Rede stehenden Genehmigungen durch arglistige Täuschung, nämlich unter Vorlage unvollständiger Dokumente, erlangt. Er habe ferner gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, weil nicht alle Mitglieder der üBAGs tatsächlich in freier Praxis tätig gewesen seien, sondern stattdessen verdeckte Angestelltenverhältnisse vorgelegen hätten.

Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Zulassungsentziehung erhob der Zahnarzt hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Potsdam. Hier trug er vor, die unübersichtliche Vertragslage habe sich nur daraus ergeben, dass die maßgeblichen Verträge von juristischen Laien entworfen worden seien. Alle im Rahmen der üBAGs tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte seien zudem freiberuflich tätig gewesen und seien auch nicht durch seine Weisungen eingeschränkt worden.

Die Entscheidung

Das erstinstanzlich zuständige SG Potsdam wies die Klage ab. Der dortigen Urteilsbegründung hat sich nach eingelegter Berufung auch das LSG Berlin-Brandenburg angeschlossen und dabei klare Worte gefunden. Das LSG geht mit dem Zulassungsausschuss davon aus, dass der Kläger seine vertragszahnärztlichen Pflichten in mehrfacher Hinsicht gröblich verletzt habe, weshalb im Ergebnis die Zulassung zu Recht entzogen worden sei:

  • Zum einen habe der Kläger diffuse, für jeden Dritten unübersichtliche und teilweise widersprüchliche Verträge maßgeblich konzipiert („laienhaft und planlos gestaltet“) und schon dadurch die Prüfung der Frage, ob die jeweilige Kooperation zulassungsfähig ist, massiv erschwert. Dabei stellte das Gericht klar, dass allein dieses Verhalten schon eine eigenständige Pflichtverletzung darstelle.
  • Zweitens habe der Kläger eine vertragszahnärztliche Tätigkeit auf dem Papier in einer üBAG organisiert, die nach Auffassung des Gerichts jedoch lediglich pro forma (zum Zwecke der Vorlage bei dem Zulassungsausschuss), d. h. nur zum Schein, bestanden habe. Tatsächlich sei ein Teil der Beteiligten nach Auffassung des Gerichts eben nicht selbstständig, sondern in abhängiger, angestellter Position tätig gewesen. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass der klagende Zahnarzt in E-Mails Weisungen an die anderen üBAG-Teilnehmenden betreffend die Praxisorganisation gerichtet habe. Ferner hätten die üBAG-Mitglieder teilweise bei Beendigung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit in der üBAG keine Chance auf Verwertung eines von ihnen erarbeiteten ideellen Praxiswertes gehabt. So sei den betreffenden Beteiligten nämlich vertraglich für den Fall ihres Ausscheidens entweder gar keine oder eine nur unverhältnismäßige Beteiligung eingeräumt worden.
  • Die üBAG – und damit der Kläger als dominant und verantwortlich handelnder Vertragszahnarzt – habe schließlich das Gebot der peinlich genauen Abrechnung verletzt. Immerhin habe man sich Honorar verschafft, auf das man bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten (und einer Tätigkeit in Einzelpraxis) keinen Anspruch gehabt hätte. So seien Honorarbegrenzungsregelungen allgemein, Degressionsregelungen im Besonderen, mit einer Schein-üBAG unterlaufen worden.

Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem das LSG die Revision nicht zugelassen hat. Eine zukünftige vertragszahnärztliche Tätigkeit in selbstständiger oder angestellter Position dürfte demnach nicht mehr in Betracht kommen.

Fazit | Der hiesige Sachverhalt zeigt in außergewöhnlich drastischer Art und Weise, welche Konsequenzen der Verzicht auf eine juristische Betreuung im Zusammenhang mit der Organisation der vertragszahnärztlichen Tätigkeit haben kann. Vertragszahnärzten ist insofern unbedingt anzuraten, besonders bei komplexeren Praxisstrukturen frühzeitig fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – diese kann sich in vielerlei Hinsicht erheblich bezahlt machen!

AUSGABE: ZP 5/2023, S. 5 · ID: 49322483

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