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BarrierefreiheitsgesetzBarrierefreiheitsstärkungsgesetz: Was Vermittler mit Blick auf ihre Homepage wissen müssen

Abo-Inhalt06.03.20253932 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn

| Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt am 28.06.2025 in Kraft und setzt die Anforderungen der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie um. Das BFSG bedeutet für Versicherungsvermittler eine erhebliche Erweiterung der Pflichten im Bereich der digitalen Barrierefreiheit, insbesondere für die Vermittlerhomepage. VVP zeigt, welche Anforderungen hier zu erfüllen sind. |

Dieses Ziel verfolgt das BFSG

Das BFSG hat das Ziel, die Barrierefreiheit in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zu fördern, damit Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität gleichberechtigt teilhaben können. Das BFSG nennt rechtliche Vorgaben für die Barrierefreiheit bestimmter Produkte und Dienstleistungen, die von Verbrauchern genutzt werden.

Welche Websites vom BFSG betroffen sind

Websites fallen pauschal nicht unter das BFSG. Wenn über sie allerdings „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ angeboten werden, sind sie betroffen. Laut Definition im Gesetz geht es hierbei um den Abschluss eines Verbrauchervertrags.

Das BFSG ist im Versicherungsvermittlerbereich insbesondere anwendbar bezüglich Terminvereinbarungen über die Vermittler-Website, digitaler Anfrageformulare, Kundenportale und Kunden-Apps sowie Vertrags-, Antrags- und Schadenmelde-Websites, Karriere-/Bewerbungsseiten etc..

Die Grundlage für barrierefreie Websites bilden die vier Prinzipien der Barrierefreiheit, nämlich

  • Wahrnehmbarkeit,
  • Bedienbarkeit,
  • Verständlichkeit und
  • Robustheit.

Wahrnehmbarkeit: Inhalte für alle zugänglich machen

Eine barrierefreie Website muss Inhalte so bereitstellen, dass sie von allen Menschen wahrgenommen werden können – unabhängig davon, ob es sich um Texte, Bilder oder Videos handelt. Wichtig sind hier u. a. Textalternativen für Bilder. Diese ermöglichen es Nutzern mit Seheinschränkungen, den Bildinhalt mithilfe eines Screenreaders aufzunehmen und zu verstehen.

Praxistipp | Achten Sie bei der Erstellung oder Überarbeitung Ihrer Inhalte konsequent auf Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte.

Bedienbarkeit: Navigation leicht gemacht

Ein zentrales Element barrierefreier Websites ist ihre Bedienbarkeit. Nutzer müssen in der Lage sein, alle Inhalte und Funktionen unabhängig von ihrer körperlichen Verfassung oder eingesetzten Technik zu nutzen. Das bedeutet u. a., dass eine Website vollständig über die Tastatur navigierbar sein muss.

Beispiel

Viele Vermittlerbetriebe bieten Online-Terminvereinbarungen an. Wenn die Navigation zu diesen Formularen ausschließlich über ein Dropdown-Menü per Maus funktioniert, stellt dies für Nutzer mit motorischen Einschränkungen ein erhebliches Hindernis dar.

Lösung: Durch die Integration einer Tab-Steuerung wird sichergestellt, dass diese Funktionen auch ohne Maus erreichbar sind.

Praxistipp | Testen Sie Ihre Website selbst – ohne Maus. Alle wesentlichen Funktionen sollten mit der Tabulatortaste erreichbar sein.

Verständlichkeit: Klare Kommunikation zählt

Eine Website muss nicht nur funktional zugänglich sein, sondern auch inhaltlich verständlich. Fachjargon oder komplizierte Formulierungen erschweren vielen Nutzern die Orientierung. Stattdessen sollten Vermittlerbetriebe auf klare, prägnante Sprache achten.

Beispiel

Ein Vermittlerbetrieb präsentiert auf seiner Website die Versicherungsbedingungen für die verschiedenen Sparten. Fachbegriffe wie „Ablaufleistung“ oder „Beitragsstundung“ bleiben für viele Nutzer unklar.

Lösung: Eine kurze Erläuterung oder ein Glossar erhöhen die Verständlichkeit deutlich.

Praxistipp | Setzen Sie auf klare Überschriften und strukturierte Inhalte. Das verbessert die Lesbarkeit. Ein Glossar für Fachbegriffe ist ebenfalls hilfreich.

Robustheit: Technik, die funktioniert

Robustheit bedeutet, dass eine Website mit verschiedenen Geräten und Technologien kompatibel sein muss. Dazu zählt die Unterstützung von Hilfsmitteln wie Screenreadern oder Sprachsteuerungen. Technische Standards wie sauberes HTML und die Einhaltung der WCAG-Kriterien sind hier entscheidend.

Praxistipp | Auf der Webseite www.compositum.de/test können Sie Ihre Website kostenlos und automatisch auf Kriterien der Barrierefreiheit prüfen und ermitteln, ob Sie unter das BFSG fallen.

Welche Standards hier zu berücksichtigen sind

Der Gesetzgeber unterstellt in § 4 BFSG, dass bei Produkten und Dienstleistungen, die harmonisierten Normen oder Teilen davon entsprechen, deren Fundstellen im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden sind, vermutet wird, dass sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Folgende Normen sind derzeit zu beachten:

Normen

CENELEC

für elektrotechnische Normen

ETSI

für Telekommunikationsnormen

CEN

für alle anderen Sektornormen

Wichtig | Hinsichtlich der digitalen Barrierefreiheit wird auf die EN 301 549 verwiesen. Die Bundesfachstelle verweist zusätzlich darauf, dass auf der Seite https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de sukzessive weitere Standards veröffentlicht werden. Versicherungsvermittler sollten diese Seite immer wieder auf entsprechende Aktualisierungen beobachten.

Welche Versicherungsvermittler (nicht) betroffen sind

Die Anforderungen des Gesetzes gelten nicht für „Kleinstunternehmen“, die Dienstleistungen anbieten (§ 3 Abs. 3 BFSG). Als „Kleinstunternehmen“ (§ 2 Nr. 17 BFSG) gilt, wer

  • weniger als zehn Personen beschäftigt und
  • entweder einen Jahresumsatz von höchstens zwei Mio. Euro erzielt oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Mio. Euro aufweist.

Auch wenn viele Vermittlerbetriebe von den Anforderungen ausgenommen sein dürften, sollten sie dieses Thema nicht völlig vernachlässigen. Denn es ist gut möglich, dass der Gesetzgeber nach einer bestimmten Dauer auch „Kleinstunternehmen“ erfasst. Darauf hat das BMAS in seinen „Leitlinien“ (mehr dazu unten) zum BFSG selber hingewiesen.

Praxistipp | Das BMAS hat zum BFSG „Leitlinien“ verfasst, die als Wegweiser durch das BFSG dienen sollen. Sie sind bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit abrufbar (https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de). Die Bundesfachstelle bietet ferner Kleinstunternehmen kostenlose Beratungen an (§ 15 BFSG). Sie sollten das Angebot nutzen und sich informieren.

Weiterführender Hinweis
  • „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 16.07.2021 → Abruf-Nr. 246785

AUSGABE: VVP 4/2025, S. 20 · ID: 50339324

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