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WettbewerbsrechtWerbeeinwilligung: Haftung für Vertreter sowie Dokumentation bei der Telefonwerbung beachten

Top-BeitragAbo-Inhalt14.05.2024504 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Mathias Effenberger, Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel Partnerschaft mbB, Göttingen

| Für den werbenden Anruf beim Kunden oder eine Werbe-E-Mail bedarf es einer vorherigen Einwilligung des Kunden. Dies gehört in Kreisen der Versicherungsvermittler inzwischen zum Basiswissen. Noch nicht sonderlich bekannt, wenn auch seit 2021 geltendes Recht ist, dass die Einwilligung in bestimmter Art und Weise zu dokumentieren ist, sonst drohen Bußgelder. Grund genug, die Werbeeinwilligung hinsichtlich ihrer Grundlagen wie auch hierzu ergangener neuerer Rechtsprechung in einer Serie zu beleuchten. Nachfolgend geht es um die Haftung sowie Dokumentation bei Telefonwerbung. |

Werbeeinwilligung des Kunden – das sind die Eckpunkte

Kurz zur Erinnerung: Die Werbung per Telefon-, E-Mail-, Fax- oder SMS ist gegenüber Verbrauchern nur mit deren vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig. Eine konkludente, also eine aus schlüssigem Verhalten abgeleitete Einwilligung, genügt nicht. Auch eine mutmaßliche Einwilligung reicht bei Verbrauchern nicht aus (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. UWG).

Bei sonstigen Marktteilnehmern (Nicht-Verbrauchern) genügt für einen noch zulässigen Werbeanruf gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. UWG eine zumindest mutmaßliche Einwilligung. Dafür ist es erforderlich, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden an der Telefonwerbung vermutet werden kann. Dabei ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen.

Rechtsfolgen von Verstößen gegen Werbeeinwilligung

Wird gegen die Regelungen zur Werbeeinwilligung verstoßen, gilt Folgendes: Ansprüche nach dem UWG auf Unterlassung, Beseitigung, Auskunft und Schadenersatz stehen nur Mitbewerbern und bestimmten Wirtschafts- und Verbraucherverbänden zu (§ 8 Abs. 3 UWG).

Ein individueller Schutz und damit ein Anspruch auf Unterlassung nach allgemein-zivilrechtlichen Normen ergibt sich für Adressaten der Werbung per Telefon oder E-Mail daraus, dass in der unerwünschten Werbung zugleich

  • eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei einem Verbraucher (BGH, Urteil vom 10.07.2018, Az. VI ZR 225/17 – Kundenzufriedenheitsbefragung, Abruf-Nr. 204393; AG München, Urteil vom 14.02.2023, Az. 161 C 12736/22, Abruf-Nr. 235480; AG Strausberg, Urteil vom 09.02.2012, Az. 9 C 286/11, Abruf-Nr. 241001) oder
  • ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei einem sonstigen Marktteilnehmer (BGH, Urteil vom 12.09.2013, Az. I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail, Abruf-Nr. 133407; Beschluss vom 20.05.2009, Az. I ZR 218/07 – E-Mail-Werbung II, Abruf-Nr. 092919 liegen kann.

I. V. m. § 823 Abs. 1 BGB kann sich zudem ein Schadenersatzanspruch auch des Verbrauchers bzw. sonstigen Marktteilnehmers ergeben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, etwa vor einer vermeintlichen „Überrumpelungssituation“, bezweckt (BGH, Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 276/14 – Lebens-Kost, Abruf-Nr. 186319).

Wettbewerbsrechtliche Haftung der Betriebe für ihre Vertreter

Vermittlungsgesellschaften, Makler, echte Hauptvertreter und Versicherer haften für wettbewerbswidrige Handlungen der von ihnen eingesetzten Angestellten sowie selbstständigen Vertreter zumindest auf Unterlassung und Beseitigung; das gilt unabhängig davon, ob sie von den konkreten Handlungen Kenntnis haben. Diese Haftung ergibt sich aus § 8 Abs. 2 UWG (etwa OLG Köln, Urteil vom 08.10.2010, Az. I-6 U 69/10, Abruf-Nr. 241003; LG Karlsruhe, Urteil vom 17.11.2016, Az. 15 O 75/16 KfH – Prüfung des Ansprechpartners, Abruf-Nr. 241004).

Diese Haftung greift selbst, wenn die Vermittler dem Unternehmer in einem mehrstufigen Vertriebssystem nicht konkret in Person bekannt sind und sie betrügerisch agieren, weil Provisionen noch vor Bestätigung des Vertragsschlusses seitens des vermeintlichen Kunden ausgezahlt werden (BGH, Urteil vom 17.08.2011, Az. I ZR 134/10 – Auftragsbestätigung, Abruf-Nr. 113727).

Die Haftung besteht auch für selbstständige Leadagenturen (LG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2019, Az. 3-06 O 5/18 – Telefonwerbung durch Leadagentur, Abruf-Nr. 208279) und ähnliche Serviceunternehmen (LG Konstanz, Urteil vom 21.07.2016, Az. 9 O 6/16 KfH – Begrüßungsschreiben, Abruf-Nr. 241006), die von Versicherern oder Versicherungsvermittlern mit der Generierung von Kundenkontakten beauftragt werden.

Existiert bereits ein Unterlassungstitel gegen das auftraggebende Unternehmen, muss dieses Unternehmen nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann. Es muss vielmehr auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugutekommt (OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2015, Az. I-6 W 154/14 – Werbeanrufe bei Stromkunden, Abruf-Nr. 241005). Dritte sind in diesem Fall insbesondere beauftragte Vermittler. Maßgebend ist insoweit, ob das Unternehmen mit Verstößen durch Dritte ernstlich rechnen muss und welche rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten es auf den Dritten hat.

Praxistipp | Um Wettbewerbsverstöße durch Dritte zu unterbinden, kann es zu Ihren Pflichten gehören, insbesondere auf Ihre beauftragten Vermittler durch Belehrungen und Anordnungen entsprechend einzuwirken und deren Beachtung zu überwachen.

  • Die Belehrung muss grundsätzlich schriftlich erfolgen und auf die Nachteile aus einem Verstoß, sowohl hinsichtlich der vertraglichen Beziehung (Kündigung) als auch der Zwangsvollstreckung, hinweisen.
  • Es reicht also nicht aus, die betreffenden Dritten nur über den Inhalt des Titels zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern. Vielmehr muss die Einhaltung der Anordnungen auch überwacht werden, und angedrohte Sanktionen müssen bei Verstößen auch verhängt werden, um ihre Durchsetzung sicherzustellen (OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2015, Az. I-6 W 154/14 – Werbeanrufe bei Stromkunden, Abruf-Nr. 241005).
  • Genügen Sie diesen Anforderungen nicht, können Sie sich in einem Ordnungsgeldverfahren nicht darauf berufen, dass der (erneute) Wettbewerbsverstoß ohne Ihr Zutun erfolgt sei.

Dokumentation der Einwilligung in Telefonwerbung

Durch das Gesetz über faire Verbraucherverträge vom 10.08.2021 wurde § 7a neu in das UWG eingefügt:

§ 7a UWG Einwilligung in Telefonwerbung

  • (1) Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in die Telefonwerbung zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß Abs. 2 S. 1 aufzubewahren.
  • (2) Die werbenden Unternehmen müssen den Nachweis nach Abs. 1 ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahren. Die werbenden Unternehmen haben der nach § 20 Abs. 3 zuständigen Verwaltungsbehörde den Nachweis nach Abs. 1 auf Verlangen unverzüglich vorzulegen.

Die Regelung ist seit 01.10.2021 in Kraft, wird aber in der Praxis bislang zögerlich umgesetzt. Sie erfasst nur den Bereich der Werbung mittels Telefonanrufen.

Praxistipp | Sie sollten das Management aller Werbeeinwilligungen auch für andere Kanäle einheitlich an diesen Vorschriften ausrichten.

Ihr Ziel ist eine effizientere Sanktionierung unerlaubter Telefonwerbung sowie eine Reduzierung der Anreize hierfür (BT-Drucks. 19/26915, 14). Zu diesem Zweck wird § 7a UWG von einer Ordnungswidrigkeitenregelung flankiert, nach der Verstöße gegen die Verpflichtungen mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden können (§ 20 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UWG). Vermittler (betriebe) sollten daher darauf bedacht sein, der zuständigen Verwaltungsbehörde die Nachweise unverzüglich vorlegen zu können.

Auslegungshinweise der Bundesnetzagentur liefern wertvolle Details

Zuständige Verwaltungsbehörde ist die Bundesnetzagentur. Diese hat Auslegungshinweise zu § 7a UWG veröffentlicht, die im Internet auf den Seiten der Bundesnetzagentur abrufbar sind (Stand 07.07.2022, Abruf-Nr. 241222). Ihr Umfang von aktuell 28 Seiten mit 120 Randnummern verdeutlicht schon, dass der an sich überschaubare Gesetzestext in den Details zahlreiche Fragen aufwirft, denen sich die Auslegungshinweise widmen.

Die Hinweise haben zwar ihrerseits keinen Gesetzesrang oder sind für eventuell entscheidende Gerichte bindend. Sie verdeutlichen aber die Sichtweise der zuständigen Behörde und verhindern noch am ehesten das Aufkommen von Streitigkeiten, wenn sie beachtet werden.

Auslegungshinweise enthalten wichtige Leitlinien für den Vertrieb

Die Auslegungshinweise können an dieser Stelle nicht vollständig wiederholt werden. Einige für den Vertrieb von Versicherungen wichtige Punkte sind:

Der notwendige Inhalt der Dokumentation

  • Daten des Einwilligenden
    • Vor- und Zuname
    • Wohnanschrift
    • Zustandekommen der Einwilligung (etwa durch Unterschrift in einem Unterschriftenfeld)
    • Bei fernmündlich erteilter Einwilligung: gegen Manipulation geschütztes Voicefile; bei Nichteinwilligung in Aufzeichnung des Gesprächs genügt bloßer Vermerk nicht
    • Rufnummer, unter der die Telefonwerbung gestattet wird
  • Daten des Einholenden
    • Firma
    • Firmensitz mit ladungsfähiger Anschrift
    • Bei unmittelbarer Abgabe gegenüber einem Erklärungsempfänger: dessen Benennung in pseudonymisierter Form (z. B. internes Kürzel)
  • Wer darf die Einwilligung verwenden (vollständige Unternehmensnamen nebst Anschriften)?
  • Welche möglichst konkret bezeichneten Leistungen/Produkte dürfen beworben werden?
  • Vollständiger Text der abgegebenen Erklärung einschl. etwaiger Geltungsdauer; bei vorformulierten Erklärungen deren originalgetreuer Gesamttext
  • Zeitpunkt der Erteilung der Einwilligung (Datum, bei digitaler Abgabe auch Uhrzeit)
  • Kontext der Einwilligungserteilung (etwa im Rahmen eines Vertragsschlusses, Rückrufbitte etc.) inklusive Informationsstand des Einwilligenden
  • Ein etwaig ganz oder teilweise erfolgter Widerruf beziehungsweise eine sonstige Änderung der Einwilligung einschließlich
    • der Beteiligten am Widerrufs-/Änderungsprozess,
    • des Inhalts,
    • des Umfangs und
    • des Zeitpunkts des Widerrufs bzw. der Änderung
  • Mindestens den Zeitpunkt des letzten Werbeanrufs, der auf der Einwilligung basiert (Datum; nicht: erfolglose Anrufversuche/nichtwerbende Telefonkontakte).
  • Praxistipp | Besser ist es, jede werbliche Verwendung dokumentiert zu lassen, also auch vorhergehende.
  • Beteiligte an der Verwendung
  • Art und Weise der Kontaktaufnahme inkl. verwendeter/kontaktierter Rufnummer.

Praxistipp | Der Anruf ist noch nicht per se wettbewerbswidrig. Der Anrufer sollte aber sofort klarstellen, dass er mit der Person sprechen möchte, die in den Anruf eingewilligt hat. Ein Ausnutzen der Gelegenheit gegenüber der dritten Person ist unzulässig (LG Karlsruhe, Urteil vom 17.11.2016, Az. 15 O 75/16 KfH – Prüfung des Ansprechpartners, Abruf-Nr. 241004).

  • Sowohl der unmittelbar anrufende selbstständige Versicherungsvertreter als auch dessen Auftraggeber sind Adressaten der Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht (Rz. 8 ff.), nicht hingegen ein anrufender Angestellter des Vertreters (Rz. 13).
  • Bei nicht selbst eingeholten Einwilligungen trifft jeden Adressaten eine Prüfpflicht hinsichtlich der Vollständigkeit und Wirksamkeit (Rz. 11, 81).
  • Die Dokumentation muss vollständige, aussagekräftige, für außenstehende Dritte nachvollziehbare, wahrheitsgemäße, nach dem Stand der Technik gegen Manipulation geschützte sowie aktuelle Informationen über die Art und Weise der Abgabe einer Werbeeinwilligung sowie deren Inhalt und Umfang enthalten (Rz. 22).
  • Was den notwendigen Inhalt der Dokumentation angeht, so muss sie generell die Fragen „Wer? Was? Wann? Wie?“ beantworten (Rz. 25 ff.):
  • Der Widerruf einer Einwilligung erfolgt in der Regel nur gegenüber einem Adressaten, gleichwohl ist er aber für alle Beteiligten verbindlich. Daher muss vor allem der Auftraggeber einer Werbekampagne sicherstellen, dass die Information über den Widerruf unverzüglich all diejenigen erreicht, die auf seine Veranlassung Werbeanrufe gegenüber der betreffenden Person durchführen; z. B. bei Kampagnen des Versicherers ist der befasste Vertreter zu informieren (Rz. 50).
  • Es ist zu gewährleisten, dass die Dokumentationsdaten in der beschriebenen Qualität lesbar, dauerhaft verfügbar und gegen Änderungen geschützt zum Abruf bereitgehalten werden. Hierzu gehört vor allem der Schutz vor Veränderung und vorzeitiger Löschung (Rz. 86).
  • Eine erste Fünfjahresfrist zur Aufbewahrung beginnt ab der Erteilung der Einwilligung zu laufen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob von der Einwilligungserklärung Gebrauch gemacht wurde. Nach jeder Verwendung der Einwilligung beginnt der Fristlauf von neuem (Rz. 89). Diese gesetzlichen Aufbewahrungspflichten können vertraglich nicht verkürzt werden (Rz. 95).
  • Da die Einwilligung personenbezogen ist, liegt keine Verwendung vor, wenn tatsächlich nicht der Einwilligende, sondern eine andere Person erreicht wird (z. B. der Ehepartner bei einem gemeinsam genutzten Festnetzanschluss). In einem solchen Fall ist zu beachten, dass – wenn eine wirksame Werbeeinwilligung dieser dritten Person nicht vorliegt – ihr gegenüber nicht geworben werden darf. Sofern in dem Telefonat bspw. dennoch Werbeaussagen getätigt werden, läge darin ein unerlaubter Werbeanruf (Rz. 91).
  • Die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht gilt spätestens vor einer unmittelbar bevorstehenden Verwendung auch für „Alteinwilligungen“, die vor dem 01.10.2021 eingeholt wurden (Rz. 107).

AUSGABE: VVP 7/2024, S. 3 · ID: 50017357

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