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AltersversorgungBeitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – das sind die Grundsätze

Top-BeitragAbo-Inhalt22.02.20232394 Min. LesedauerVon Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

| Zur Verbeitragung von Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung gibt es immer wieder Fälle, die von den Gerichten entschieden werden. So ging es jüngst auch einem Handelsvertreter, der seine Direktversicherung nach dem Wechsel vom Angestelltenverhältnis in eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt hatte. VVP nimmt das zum Anlass, die Grundsätze der Verbeitragung einmal darzustellen. |

bAV-Leistungen sind beitragspflichtiger Versorgungsbezug

Werden Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung fällig, stellen sie nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V Versorgungsbezug dar und sind deshalb in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu verbeitragen. Als Beitragssatz gilt seit dem 01.01.2004 der volle allgemeine Beitragssatz der zuständigen Krankenkasse (2023: 14,6 Prozent; vgl.§ 248 SGB V i. V. m. § 241 SGB V). Hinzu kommt der kassenindividuelle Zusatzbeitrag ( § 242 SGB V) und der Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 3,05 Prozent (§ 55 Abs. 1 SGB XI) sowie ggf. der Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für Kinderlose in Höhe von 0,35 Prozent (§ 55 Abs. 3 SGB XI).

Insgesamt zahlen Betriebsrentner somit fast 20 Prozent ihrer monatlichen Betriebsrente als Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag:

Beitragssatz Betriebsrente

Gesetzliche Krankenversicherung, allgemeiner Beitragssatz

14,60 %

Kassenindividueller Zusatzbeitrag, z. B. 1,5 %

1,50 %

Gesetzliche Pflegeversicherung, Beitragssatz

3,05 %

Gesetzliche Pflegeversicherung, Zuschlag für Kinderlose

0,35 %

Insgesamt

19,50 %

Beitragspflichtig sind die Versorgungsbezüge allerdings nur und insoweit, wie die beitragspflichtigen Einnahmen nicht über der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Im Jahr 2023 sind das 4.987,50 Euro monatlich.

Beitragspflicht auch bei Kapitalleistungen

Seit 01.01.2004 gilt: Wird anstelle der laufenden Rente eine Kapitalabfindung gezahlt, wird der Gesamtbetrag der Kapitalleistung auf 120 Monate verteilt und monatlich in Höhe von 1/120-tel der Verbeitragung unterworfen, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 S. 3 SGB V).

Der Verteilungszeitraum beginnt mit dem Ersten des Monats, der auf die Auszahlung folgt.

Beispiel

Der Versicherungsnehmer V erhält eine Kapitalleistung in Höhe von 150.000 Euro. Seine monatliche Bemessungsgrundlage für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung errechnet sich wie folgt:

Beitragspflicht bei vorzeitigen Abfindungen

Seit 01.07.2016 gelten auch alle Abfindungen vor Eintritt des Versorgungsfalls als Versorgungsbezug (vgl. Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, Besprechungsergebnis über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 20.04.2016, Top 4, Abruf-Nr. 230282).

Die Ausnahmen von der Beitragspflicht

Von der Beitragspflicht gibt es drei Ausnahmen:

1. Riester-Verträge

Eine Ausnahme stellen Leistungen aus Riester-Verträgen (§§ 10a, 79 ff. EStG) dar. Hier wurde im Zuge des Betriebsrentenstärkungsgesetzes die Doppelverbeitragung abgeschafft (§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 1., 2. Halbs. SGB V); schließlich sind bei Riester-Verträgen bereits die Beiträge mit Sozialabgaben belegt.

2. Privat nach Dienstaustritt fortgeführte bAV mit VN-Wechsel

Eine zweite Ausnahme stellen die Leistungen dar, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer (VN) mit von ihm geleisteten Beiträgen erwirtschaftet hat. Das sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer nach vorzeitigem Dienstaustritt die Direktversicherung oder Pensionskassenversorgung privat fortgeführt hat. Wichtig und für die Beitragsfreiheit der von ihm nach dem Dienstaustritt finanzierten Leistungen ist jedoch, dass er nach der Beendigung des Dienstverhältnisses VN des Vertrags wird.

Bleibt der (ehemalige) Arbeitgeber VN, ist nach Ansicht des BVerfG der Vertrag nach wie vor der bAV zuzurechnen. Somit sind auch bei privater beitragspflichtiger Weiterführung durch den Arbeitnehmer die kompletten Leistungen bei Ablauf beitragspflichtig (BVerfG, Beschlüsse vom 06.09.2010, Az. 1 BvR 739/08, Abruf-Nr. 132677 und 28.09.2010, Az. 1 BvR 1660/08, Abruf-Nr. 103443 und 27.06.2018, Az. 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15, Abruf-Nr. 204264 und BSG, Urteil vom 26.02.2019, Az. B 12 KR 13/18, Abruf-Nr. 216776).

Wird ein VN-Wechsel auf den Arbeitnehmer durchgeführt, werden bei Ablauf die Leistungen von der Beitragspflicht ausgenommen, die aus privat geleisteten Beiträgen nach Dienstaustritt finanziert wurden (§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 1 2. Halbs. SGV V). Gleiches gilt im Fall eines privat weitergeführten Pensionsfondsvertrags nach vorzeitigem Dienstaustritt (Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, Rundschreiben 2019/059, Abruf-Nr. 233702).

3. Leistungen an „untypische“ Hinterbliebene i. S. d. Rentenversicherung

Eine weitere Ausnahme bzw. Einschränkung gilt bei Leistungen an Hinterbliebene: Denn nach Ansicht des BSG (Urteil vom 26.02.2019, Az. B 12 KR 12/18 R, Abruf-Nr. 207859) liegt bei der Hinterbliebenenversorgung ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug nur vor, wenn die Hinterbliebenenleistung an einen „typischen“ Hinterbliebenen erbracht wird. Hier knüpft das Gericht „typisierend“ an die gesetzliche Rentenversicherung an.

Damit liegt z. B. ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug bei Kindern nur vor, wenn das Kind die Kriterien des § 48 SGB VI erfüllt oder ein Anspruch auf gesetzliche Waisenrente besteht. Kein Versorgungsbezug liegt damit dagegen z. B. dann vor, wenn die nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI vorgesehene Höchstaltersgrenze von 27 Jahren überschritten wird.

Beispiel

Erhält ein hinterbliebener Lebensgefährte oder ein Kind, das das 27. Lebensjahr bereits vollendet hat, die Todesfall-Leistung aus einer bAV, liegt kein Versorgungsbezug vor. Die Leistung ist bei gesetzlich Pflichtversicherten nicht beitragspflichtig.

Dämpfung der Beitragspflicht – Freigrenze und Freibetrag

Gemäß § 226 Abs. 2 SGB V gilt für Arbeitseinkommen und Versorgungsbezüge eine Freigrenze in Höhe von 1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (2023: 169,75 Euro). Sprich: Solange Arbeitseinkommen und Versorgungsbezüge unterhalb der Freigrenze liegen, sind sie beitragsfrei. Liegen sie darüber, werden sie grundsätzlich in voller Höhe verbeitragt.

Allerdings existiert für Betriebsrenten (nicht für Arbeitseinkommen!) nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V ein Freibetrag in Höhe von 1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB V, wonach nur der darüber hinausgehende Teil verbeitragt werden muss. Auf Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung wird der Freibetrag nicht angewandt (vgl. § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI).

Die Auswirkung von Freigrenze und Freibetrag auf die Sozialabgaben zeigt folgende Übersicht.

Beispiele für Freigrenze und Freibetrag 2023

Überschreiten Freigrenze von 169,75 Euro

Anwendung Freibetrag von 169,75 Euro

Beitrag GKV (15,7 %)

Beitrag PV (3,05 %)

Summe Sozialabgaben

Monatliche Rente

in Höhe von 200 Euro

aus einer bAV

Ja

Ja

4,75 Euro (= 30,25 Euro x 15,7 %)

6,10 Euro

(200 Euro x 3,05%)

10,85 Euro

Monatliches Arbeitseinkommen von 100 Euro und monatliche Rente aus bAV von 100 Euro

Ja

Ja

15,70 Euro (= 100 Euro Arbeitseinkommen x 15,7 %)

6,10 Euro (200 Euro x 3,05%)

21,80 Euro

Die Regeln für freiwillig Versicherte

Für freiwillig Versicherte ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Beitragserhebung zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler):

  • (1) Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen.
  • Damit gilt der Freibetrag in Höhe von 1/20-tel der monatlichen Bezugsgröße nach § 226 Abs. 2 SGB V nicht (§ 3 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
  • Auch sind die Leistungen aus einem Riester-Renten-Vertrag bei freiwillig Versicherten beitragspflichtig; zwar nicht als Versorgungsbezug, aber als sonstiges Einkommen. Hierfür gilt dann allerdings (nur) der ermäßigte Beitragssatz (2023: 14 %).
  • Und schließlich sind auch die kompletten Leistungen aus privat als VN beitragspflichtig fortgeführten Direktversicherungen zu verbeitragen; es ist also sowohl der betriebliche als auch der private Anteil beitragspflichtig.

Wechsel vom Vertreter zum Arbeitnehmer und zurück

Auch wenn die Grundsätze klar zu sein scheinen, müssen – wie eingangs erwähnt – immer wieder Fälle von den Sozialgerichten entschieden werden. Erst kürzlich hat das BSG den Fall eines Handelsvertreters entschieden.

Der Versicherte V war wechselnd als Handelsvertreter und angestellter Arbeitnehmer eines Versicherers tätig. In dem Zusammenhang hatte der Arbeitgeber eine Lebensversicherung, die über das Versorgungswerk des hauptberuflichen Außendienstes bestand, beim Wechsel in das Anstellungsverhältnis als Direktversicherung fortgeführt. Bei einem späteren Rückwechsel in eine Selbstständigkeit als Vertreter blieb der Versicherer weiter VN des Vertrags. Damit wurde – anknüpfend an die bisherige diesbezügliche BSG-Rechtsprechung – der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts nicht verlassen. Das war ausschlaggebend dafür, dass die komplette Leistung als Versorgungsbezug bei V verbeitragt werden durfte, so das BSG.

Keine Rolle spielt für das BSG, dass ein beträchtlicher Teil der Leistung aus der Versicherung die Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB reduziert hat. Zwischen Ausgleich und Kapitalleistung bestehe kein unmittelbarer beitragsrechtlicher Zusammenhang. Wirtschaftlich gesehen könne eine Anspruchskürzung zwar zur Folge haben, dass die Direktversicherung überwiegend oder gar vollständig von V finanziert worden sei. Das ist jedoch unerheblich, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts gewahrt sei (BSG, Urteil vom 13.12.2022, Az. B 12 KR 10/20 R, Abruf-Nr. 233483).

AUSGABE: VVP 3/2023, S. 17 · ID: 49042995

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