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VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z

Abo-Inhalt06.02.2023891 Min. Lesedauer

| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern (VN). Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung

Berufsunfähigkeitsversicherung

OLG München: Keine Umorganisation bei allein betriebenem Online-Handel möglich – Berufsunfähigkeit liegt vor

Liegt nach den Bedingungen Berufsunfähigkeit nicht vor, wenn der Versicherte in zumutbarer Weise als Selbstständiger nach betrieblich sinnvoller Umorganisation ohne erheblichen Kapitaleinsatz innerhalb seines Betriebs noch eine Tätigkeit ausüben könnte, die seiner Stellung als Betriebsinhaber noch angemessen ist, muss der Selbstständige darlegen und ggf. beweisen, dass auch eine zumutbare Betriebsumorganisation keine von ihm gesundheitlich noch zu bewältigende Betätigungsmöglichkeit mehr eröffnet. Es muss sich nach der Umorganisation jedoch eine seiner bisherigen Aufgabe adäquate, zumutbare und sinnvolle Tätigkeit ergeben. Der Versicherte muss sich nicht selbst wegrationalisieren. Bei einem Online-Handel, der allein betrieben wird, ist eine „betrieblich sinnvolle Umorganisation“ nicht möglich (OLG München, Urteil vom 13.10.2022, Az. 25 U 2340/21, Abruf-Nr. 232426).

OLG Dresden: Dauernde Einschränkung der beruflichen Fähigkeit Voraussetzung für Berufsunfähigkeit

Verspricht der Versicherer Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit, setzt der Eintritt des Versicherungsfalls auch dann eine dauernde Einschränkung der beruflichen Fähigkeit voraus, wenn dies in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich angegeben ist. Ist eine solche Prognose nicht möglich, liegt auch bei einer gravierenden Erkrankung (hier: Brustkrebs) keine Berufsunfähigkeit vor (OLG Dresden, Beschluss vom 12.10.2022, Az. 4 U 673/22, Abruf-Nr. 233209).

Krankenversicherung

BGH: Kein Wegfall der Bereicherung bei unwirksamer Prämienanpassung

Der private Krankenversicherer kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die auf eine gemäß § 203 Abs. 5 VVG unwirksame Prämienanpassung gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 S. 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung entsprechen (BGH, Urteil vom 21.09.2022, Az. IV ZR 2/21, Abruf-Nr. 231781).

LG Saarbrücken: Säumniszuschläge auch bei im Notlagentarif geführten privaten Krankenversicherungsvertrag

Einem Versicherer können auch bei einem im Notlagentarif geführten Krankenversicherungsvertrag Ansprüche auf ein Prozent Säumniszuschlag nach § 193 Abs. 6 S. 2 VVG zustehen. Auch bei einem im Notlagentarif geführten Krankenversicherungsvertrag handelt es sich um eine Krankenversicherung, die der gesetzlichen Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG genügt (LG Saarbrücken, Urteil vom 16.09.2022, Az. 13 S 94/22, Abruf-Nr. 231995).

Pflegetagegeldversicherung

LG Detmold: Keine spontane Anzeigeobliegenheit hinsichtlich pränatal diagnostizierter Krankheiten

Den VN trifft keine Offenbarungspflicht in Form einer spontanen Anzeigeobliegenheit hinsichtlich pränatal diagnostizierter Krankheiten seines ungeborenen Kindes, wenn der Versicherer keine Gesundheitsfragen zu noch ungeborenen Kindern stellt. Von einem Versicherer kann erwartet werden, dass er im Rahmen der Antragsstellung auf Kindernachversicherung auch nach etwaigen Erkrankungen von bereits gezeugten, aber noch ungeborenen Kindern fragt (LG Detmold, Urteil vom 14.06.2022, Az. 02 O 123/21, Abruf-Nr. 232260).

Unfallversicherung

BGH: Rückforderung einer gezahlten Invaliditätsentschädigung

Ergibt sich aufgrund eines allein vom VN einer Unfallversicherung initiierten Neubemessungsverlangens eine Verbesserung des Gesundheitszustands gegenüber dem der Erstbemessung zugrunde gelegten Zustand, ist der Versicherer nicht deshalb an einer (teilweisen) Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert, weil er sich bei der Erstbemessung nicht gemäß Ziff. 9.4 AUB 2008 die Neubemessung vorbehalten hat (BGH, Urteil vom 02.11.2022, Az. IV ZR 257/21, Abruf-Nr. 232461).

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung

OLG Saarbrücken: Risikoausschluss für Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen

Die Voraussetzungen des Risikoausschlusses für „Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen“ können als bewiesen erachtet werden, wenn das in Rede stehende Sturzereignis nach dem dargestellten Unfallablauf, den dokumentierten Angaben des VN gegenüber den erstbehandelnden Ärzten und der Art der Verletzungen nur als Folge eines unmittelbar zuvor erlittenen Ohnmachtsanfalls (= Synkope) eingetreten sein kann (OLG Saarbrücken, 30.09.2022, Az. 5 U 107/21, Abruf-Nr. 233208).

OLG Saarbrücken: Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität

Steht als erster unfallbedingter Körperschaden kein eigenständiger Strukturschaden in Rede, sondern nur die Aktivierung oder Akzentuierung einer vorbestehenden Erkrankung (hier: Arthrose), so ist der Nachweis einer unfallbedingten Invalidität erst geführt, wenn die Kausalität des Unfallereignisses für die Aktivierung oder Akzentuierung im Sinne des § 286 ZPO erwiesen ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.08.2022, Az. 5 U 97/20, Abruf-Nr. 231795).

OLG Frankfurt/Main: Kein Anspruch auf Unfallrente bei versäumter Frist zur Feststellung der Invalidität

Versäumt der VN die als vertragliche Anspruchsvoraussetzung ausgestaltete Frist zur ärztlichen Feststellung der unfallbedingten Invalidität, kann dies weder entschuldigt noch nachgeholt werden. Der Versicherer ist auch nicht zu einem Hinweis auf diese Frist verpflichtet, wenn der VN den Unfall erst nach Fristablauf anzeigt (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.03.2022, Az. 7 U 244/20, Abruf-Nr. 231684).

OLG Frankfurt/Main: Rechtsmissbräuchliche Leistungsablehnung bei nicht fristgerechter Invaliditätsfeststellung

Stellt der Versicherer für die Invaliditätsbescheinigung einen vom Versicherten und vom Arzt auszufüllenden Vordruck zur Verfügung, der den Schluss zulässt, es werde keine in jeder Hinsicht abschließende Beurteilung erwartet, kann sich der Versicherer nicht auf das Versäumnis der Feststellungsfrist nach Ziff. 2.1.1.1 AUB berufen, wenn die fristgerecht eingereichten Angaben des Arztes erkennbar unvollständig sind (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 26.01.2022, Az. 7 U 130/16, Abruf-Nr. 233174).

OLG Saarbrücken: Rückforderung bei später erkannter Unrichtigkeit der Erstbemessung

Ein Unfallversicherer muss sich die Neubemessung der Invalidität nicht vorbehalten haben, wenn er bei später erkannter Unrichtigkeit der Erstbemessung den bereits regulierten Betrag (teilweise) zurückverlangen will (OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.02.2022, Az. 5 U 53/21, Abruf-Nr. 228616).

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung

Gebäude- und Glasversicherung

BGH: Begriff des „Erdrutsches“ umfasst auch „Erdkriechen“

Der in den Klauseln zu den WGB F 01/08 K.7 als „naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen“ definierte Begriff „Erdrutsch“ erfasst auch Schäden am Versicherungsobjekt, die durch allmähliche, nicht augenscheinliche naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen verursacht werden (BGH, Urteil vom 09.11.2022, Az. IV ZR 62/22, Abruf-Nr. 232695).

Kfz-Versicherung

OLG Koblenz: Verschmutzung von Trauben durch Traubenvollernter – Kfz-Haftpflichtversicherung eintrittspflichtig

Werden beim Erntevorgang mittels eines selbstfahrenden Traubenvollernters die Weintrauben durch Hydrauliköl aus einem geplatzten Schlauch verschmutzt, ist die KfzHaftpflichtversicherung des Traubenvollernters für den entstandenen Schaden eintrittspflichtig (OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2022, Az. 12 U 532/21, Abruf-Nr. 231685).

Rechtsschutzversicherung

OLG Celle: Ausschlussfrist zur Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens – Klausel unwirksam

Unwirksam ist eine Klausel in der Rechtsschutzversicherung, wonach der VN mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung darauf hinzuweisen ist, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monats die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann (OLG Celle, Urteil vom 22.09.2022, Az. 8 U 336/21, Abruf-Nr. 231796).

Weiterführender Hinweis
  • Wer nach diesem ersten Überblick tiefer einsteigen möchte, findet alle Urteile im Volltext auf vvp.iww.de. Geben Sie dazu in den Suchschlitz (oben rechts auf der Website) die genannte sechsstellige Abruf-Nr. ein.

AUSGABE: VVP 3/2023, S. 23 · ID: 48648993

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