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GebäudeversicherungDas gilt zum Leistungsausschluss für Schwammschäden bei Gebäuden in Holzständerbauweise
| Der Vertragszweck in der Wohngebäudeversicherung ist erst gefährdet, wenn die Leistungseinschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht. Der Vertragszweck kann durch den Ausschluss allenfalls dann gefährdet werden, wenn Schwammschäden regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser wären. Soweit das Berufungsgericht eine Typizität des Auftretens von Schwammschäden als Folge des Austritts von Leitungswasser ohne die beantragte sachverständige Hilfe verneint hat, beruht dies auf einer nicht hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage. Dies verletzt das rechtliche Gehör des VN. So entschied es der BGH. |
Sachverhalt
Der VN verlangt Leistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag wegen Schäden aufgrund eines Leitungswasseraustritts. Er ließ das beim VR versicherte Wohnhaus in Holzständerbauweise im sogenannten Holzrahmenbau errichten. Dem VR war die Konstruktionsart des Hauses bekannt.
Der Versicherung zugrunde liegende AL-VGB 2010 Stand 2016 |
3.1 Bruchschäden innerhalb von Gebäuden Der VR leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende …
3.3 Nässeschäden Der VR leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen. Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, … ausgetreten sein. 3.4 Nicht versicherte Schäden
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Im Oktober 2019 entdeckte der VN einen Wasserschaden. Leitungswasser war in der Dusche im ersten Obergeschoss ausgetreten. Dadurch wurde unter anderem die Bodenkonstruktion massiv von weißem Porenschwamm (Antrodia) befallen. Der VR verweigerte eine Regulierung des Schadens. Er berief sich auf den Leistungsausschluss für Schäden durch Schwamm.
Der VN hatte einen Gesamtbetrag von 66.184,74 EUR eingeklagt. Das LG hat der Klage nur in Höhe von 4.989,81 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Das OLG hat die Berufung des VN zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der VN mit der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hatte vor dem BGH Erfolg (13.11.24, IV ZR 212/23, Abruf-Nr. 245194). Der BGH hat den angefochtenen Beschluss gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das OLG hat angenommen, es besteht aufgrund der Schwammschaden-Ausschlussklausel keine Leistungspflicht des VR in Höhe des erstinstanzlichen nicht zugesprochenen Betrags. Der Begriff „Schwamm“ erfasse im Zusammenhang mit Gebäuden entsprechend der Rechtsprechung des BGH pflanzliche Holzzerstörer, bei denen es sich vorwiegend um Pilze – sogenannte Bauholz- oder Hausfäulepilze – handele. Schäden durch Schwamm seien „ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“ und entsprechend der Entscheidung des BGH nicht versichert, sodass der VN nur Ersatz für Nässeschäden ohne kausalen Bezug zu Schwamm verlangen könne. Die Klausel sei wirksam. Für die Frage der Vertragszweckgefährdung komme es nicht auf eine individuelle, sondern eine abstrakt-generelle und typisierende Betrachtung an. Entscheidend sei damit nicht die Häufigkeit von Schwammschäden bei in Holzständerbauweise errichteten Häusern, sondern bei Häusern generell.
Das verletzt den VN in entscheidungserheblicher Weise in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.
Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das gilt auch, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat.
Gemessen hieran verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch des VN auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das OLG durfte die Frage, ob die Ausschlussklausel der Nr. 3.4 a) cc) VGB zu einer unangemessenen Benachteiligung des VN führt, weil der umfassende Ausschluss von Schwammschäden wesentliche Rechte des VN in einer die Erreichung des Vertragszwecks gefährdenden Weise einschränkt (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), nicht verneinen. Es hätte zu der Behauptung des VN, ein Schwammbefall sei regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser in nahezu dem gesamten Wohngebäudebestand in Deutschland, nämlich bei in Holzkonstruktion errichteten Gebäudeteilen, den angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen.
Der durchschnittliche VN erwartet von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz. In dieser Erwartung sieht er sich durch den weiten Bedingungswortlaut der Nr. 3.1 a) i. V. m. 3.3 VGB bestätigt. Dieses Hauptleistungsversprechen des VR, einen – grundsätzlich umfassenden – Ausgleich für durch Leitungswasser verursachte Schäden am versicherten Gebäude zu gewähren, schränkt die Ausschlussklausel in Nr. 3.4 a) cc) VGB ein, indem sie die durch Schwamm verursachten Schäden ausnimmt. Solche lediglich leistungsbeschränkenden Klauseln sind kontrollfähig.
Nicht jede Begrenzung dieses Leistungsversprechens bedeutet allerdings für sich genommen eine Vertragszweckgefährdung. Vielmehr bleiben Leistungsbegrenzungen zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des VR überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim VN falsche Vorstellungen weckt. Der Vertragszweck ist erst gefährdet, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht. Daran gemessen hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zwar noch zutreffend erkannt, der Vertragszweck könne durch den Ausschluss allenfalls dann gefährdet werden, wenn Schwammschäden regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser wären. Der durchschnittliche VN wolle sich mit dem Abschluss einer Leitungswasserversicherung vorwiegend vor solchen Schwammschäden schützen und der VR würde sich mit der Ausschlussklausel von der Kardinalpflicht des Versicherungsvertrags, Leitungswasserschäden zu entschädigen, freizeichnen.
- Soweit das Berufungsgericht aber eine solche Typizität des Auftretens von Schwammschäden als Folge des Austritts von Leitungswasser ohne die von dem VN beantragte sachverständige Hilfe verneint hat, beruht dies auf einer nicht hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage.Tatrichter durfte auf Sachverständigengutachten nicht verzichten
- Der Tatrichter kann, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Derartiges Fachwissen im Bauwesen und in der Holzkunde hat das Berufungsgericht hier jedoch weder in der Berufungsentscheidung noch, wie es außerdem geboten gewesen wäre, in einem vorherigen Hinweis an die Parteien dargetan. Wenn ihm nicht ersichtlich war, dass Schwammschäden eine typische Folge von Leitungswasseraustritt wären, hätte es sich gerade sachverständiger Hilfe bedienen müssen, um diese Frage aufzuklären.
Der angefochtene Beschluss beruht auf dem dargestellten Gehörsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen anders entschieden hätte. Es besteht die Möglichkeit, dass das Berufungsgericht zu einem für den VN günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es den angebotenen Beweis erhoben hätte.
Der BGH gibt schließlich weitere Hinweise, worauf das Berufungsgericht bei seiner weiteren Entscheidung achten muss:
- Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, dass als Vergleichsgruppe für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht die Gruppe der VN mit in Holz(rahmen-/ständer-)Bauweise errichteten Gebäuden zu betrachten ist, sondern diejenige sämtlicher (Wohn-)Gebäude. Zwar kann es im Rahmen der Inhaltskontrolle von AGB nach § 307 BGB im Falle ihrer Verwendung für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, geboten sein, die Abwägung in den durch die am Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage gebildeten Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, was zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.Hinweis des BGH zur weiteren Prüfung
- Voraussetzung für die Unterteilung der Klauselgegner in unterschiedliche Fallgruppen ist aber eine hinreichend deutliche, aussagekräftige Abgrenzbarkeit der Unterschiede (so schon BGH 11.2.92, XI ZR 151/91, NJW 92, 1097).
- Die Zurückverweisung bietet zudem die Gelegenheit, für den Fall der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Schwamm-Ausschlussklausel zu prüfen, ob die Berufung des VR auf diese Klausel im Einzelfall rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB ist. Diesem kommt neben den §§ 307-309 BGB die Funktion der sogenannten Ausübungskontrolle zu.Berufung auf Ausschlussklausel möglicherweise rechtsmissbräuchlich
- Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht ferner prüfen müssen, ob der Abschluss eines Versicherungsvertrags mit einem generellen Ausschluss für Schwamm bei Leitungswasserschäden – soweit der Vertrag nicht gemäß § 6 Abs. 6 VVG von einem Versicherungsmakler vermittelt worden ist – angesichts der Kenntnis des VR von der Konstruktionsart des Hauses einen Verstoß gegen eine Beratungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 VVG mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 6 Abs. 5 VVG darstellt.Verstoß gegen Beratungspflicht
Relevanz für die Praxis
Im Hinblick auf den Gehörsverstoß bezieht sich der BGH auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach verstößt die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots gegen das Gebot rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (5.6.24, IV ZR 261/22; 19.5.24, IV ZR 189/23). So lag es hier. Die Erwägungen des OLG (vgl. VK 24, 24), nach denen der Ausschluss von Schwammschäden in der Gebäudeversicherung keinen Wirksamkeitsbedenken begegnet, lassen sich auf den hiesigen Fall nicht ohne Weiteres übertragen. In dem vom BGH entschiedenen Fall zu Schäden durch Schwammbefall (VK 12, 178) war nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass Schwammschäden regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge eines Leitungswasseraustritts wären. Im Streitfall ist dies dagegen vom VN behauptet und unter Beweis gestellt worden (vgl. BGH VK 17, 151 zur Typizität von Schimmelschäden nach einem Leitungswasseraustritt). Vorliegend durfte das OLG die Typizität des Auftretens von Schwamm nicht ohne das beantragte Gutachten verneinen. Auf ein Sachverständigengutachten darf das Gericht nur verzichten, wenn es eigene besondere Sachkunde und Fachwissen hat (BGH NJW-RR 24, 1187).
Die vorliegenden leistungsbeschränkenden Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung kontrollfähig. Im Hinblick auf die Inhaltskontrolle kommt es als Vergleichsgruppe zutreffend nicht auf die Gruppe der VN mit Holz-/ständer Bauweise an, sondern diejenige sämtlicher Wohngebäude. Eine Gefährdung des Vertragszwecks kommt erst infrage, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt (BGH VK 17, 151). Zur Beachtung von Fallgruppen weist der BGH in seiner „Segelanweisung“ für das OLG auf die Rechtsprechung zur Klauselkontrolle (BGHZ 143, 95, 101; BGHZ 110, 241, 244, NJW 92, 1097) und zur sog. Ausübungskontrolle (VersR 24, 995, Rechtsschutzversicherung) hin. Gegebenenfalls wird die Frage des Rechtsmissbrauchs durch Berufung auf die Ausschlussklausel und des Verstoßes gegen die Beratungspflicht noch zu prüfen sein.
AUSGABE: VK 3/2025, S. 40 · ID: 50326472