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GeschäftsversicherungSo muss ein bedingungsgemäßer Diebstahl nachgewiesen werden
| Der VN genügt seiner Beweislast für einen bedingungsgemäßen Diebstahl versicherter Sachen bereits, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist. Dazu gehört, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Einbruch vorhanden und nachher unauffindbar waren. Die Vorlage unvollständiger und nicht nachvollziehbarer Listen entspricht nicht den Anforderungen. So entschied es das OLG München. |
Sachverhalt
Der VN, der ein Uhrengeschäft betreibt, unterhält bei dem VR eine Geschäftsversicherung. Am 30.10.17 brachen unbekannte Täter in das Geschäft des VN ein. Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils entwendeten sie „aus den Regalen und Schränken u. a. Uhren, Furnituren und Uhrmacherwerkzeug“.
Beim Ortstermin mit dem Schadenregulierer des VR einige Tage später konnte der VN zur Schadenshöhe keine Angaben machen. Auf mehrfache Aufforderung legte er dem VR schließlich eine Stehlgutliste vor, die er als unvollständig bezeichnete. Der VR mahnte eine vollständige Aufstellung an. Der VN bezog sich auf die vorgelegte Stehlgutliste und ließ im Mai 2018 Forderungsaufstellungen übermitteln. Er teilte im Februar 2019 mit, eine vollständige Auflistung der verbliebenen Waren sei ihm wegen der Vielzahl von Einzelteilen nicht möglich; er bat um Kostenübernahme für eine professionelle Inventur. Der VR lehnte eine Vereinbarung zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens ab. Das LG hat der auf Feststellung und Leistung gerichteten Klage mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VR hatte überwiegend Erfolg. Keinen Erfolg hatte die Anschlussberufung des VN, mit der er u. a. einen Zahlungsanspruch von 240.164,28 EUR geltend gemacht hatte (OLG München 15.2.24, 25 U 8641/21, Abruf- Nr. 242169).
Die Feststellungsklage ist unzulässig. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm regelmäßig das Feststellungsinteresse. Er kann im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären. Die auf Feststellung des Anspruchsgrunds gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig.
Allerdings besteht keine allgemeine Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage. Trotz möglicher Leistungsklage kann das Feststellungsinteresse bejaht werden, wenn schon ein Feststellungsurteil den Streit endgültig beilegen würde, weil der VR erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird. So kann von einem beklagten VR erwartet werden, dass er auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin seinen rechtlichen Schadenersatzverpflichtungen nachkommt, ohne dass ein weiterer, auf Zahlung gerichteter Vollstreckungstitel erwirkt werden muss. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall. Der VR hat ausdrücklich die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Abrede gestellt, die Ansprüche der Höhe nach bestritten und sogar Einwände gegen den Anspruchsgrund und die Feststellbarkeit des Schadensumfangs erhoben.
Allerdings kann nach der BGH-Rechtsprechung einer Feststellungsklage zur Eintrittspflicht des VR grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn die AVB ein Sachverständigenverfahren zur Klärung der Schadenhöhe vorsehen. Der VN konnte das Sachverständigenverfahren hier aber nicht ohne Zustimmung des VR in Gang bringen. Die nach den Bedingungen erforderliche Vereinbarung ist nicht zustande gekommen und auch nicht zu erwarten. Der VR hat die Vereinbarung zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens verweigert. Dies ist nicht treuwidrig, sondern Ausfluss einer dem VR vertraglich eingeräumten Dispositionsbefugnis. Streitig ist bereits, ob überhaupt solche Sachen entwendet wurden, die der VN als gestohlen meldete. Erst recht ist die Schadenshöhe streitig. Durch das angefochtene Feststellungsurteil wird – folgerichtig – keiner dieser streitigen Punkte geklärt. Das Feststellungsurteil leistet im Streitfall keinen maßgeblichen Beitrag dazu, die Streitigkeit beizulegen.
Die zulässige Anschlussberufung des VN hat keinen Erfolg. Die im Wege der Anschlussberufung erhobene Zahlungsklage ist unbegründet. Der VN kann von dem VR nicht die Zahlung der begehrten Versicherungsleistung verlangen. Er hat weder den Diebstahl versicherter Sachen bewiesen noch den behaupteten Schadensumfang; zudem ist der VR aufgrund von Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei.
Der VN hat den bedingungsgemäßen Diebstahl versicherter Sachen nicht nachgewiesen. Der VN genügt seiner Beweislast dafür bereits, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört nach der Rechtsprechung des BGH unter anderem die Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen.
- Der VN hat nicht bewiesen, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher vorhanden und nachher unauffindbar waren. Zwar ist im ersten Rechtszug unstreitig gewesen, dass die unbekannten Einbrecher aus den Regalen und Schränken unter anderem (irgendwelche) Sachen entwendeten. Der VR hat aber bestritten, dass jedwede vom VN in der Schadenaufstellung aufgeführten Gegenstände vor dem in Rede stehenden Einbruchdiebstahl in den versicherten Räumlichkeiten vorhanden waren und unmittelbar anschließend dort nicht wieder aufgefunden wurden.Verlust der als gestohlen gemeldeten Sachen wurde nicht nachgewiesen
- Insoweit hat der VN keinen tauglichen Beweis angeboten. Er bezieht sich lediglich auf seine Forderungsaufstellung, Stehlgutliste nebst Fotos und Restbestandsliste; zur Anspruchshöhe bietet er Sachverständigengutachten an. Die vorgelegten Listen, deren Richtigkeit bestritten ist, genügen dem Senat nicht, um sich von der Wahrheit der Behauptung des VN zu überzeugen. Bei den vom VN erstellten Listen (nebst Fotos) handelt es sich lediglich um Parteivortrag der beweispflichtigen Klagepartei. Eine Überzeugung davon, dass die vom VN als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem Einbruch vorhanden und nachher unauffindbar waren, konnte der Senat aus den vorgelegten Dokumenten auch nicht aufgrund der informatorischen Anhörung des VN gewinnen. Der VN hat den Senat nicht davon überzeugt, dass seine Stehlgutliste vorher vorhandene und nachher unauffindbare Sachen enthielte.Es wurde kein tauglicher Beweis angeboten
- Zum Zustandekommen seiner Stehlgutliste hat der VN erklärt, diese habe er „danach erstellen können, wovon ich weiß, dass ich die Sachen habe“. Soviel ändere sich auch nicht; er wisse im Großen und Ganzen, was er habe. Bei Abschluss des Versicherungsvertrags sei der Bestand erfasst worden. Die Angaben des VN zum Zustandekommen der Stehlgutliste liefern schon keine nachvollziehbare Darstellung, auf welcher Grundlage und auf welche Weise er diese Liste erstellt haben will. Seine – zudem äußerst allgemein gehaltenen – Angaben betreffen nur den Bestand vor dem Einbruch, setzen sich aber in keiner Weise damit auseinander, welche Sachen bei dem Einbruch abhandengekommen sein sollen, und wie der Kläger festgestellt haben will, welche Sachen fehlten. Darauf, ob die vom VN vorgelegte Restbestandsliste, oder ob Fotos bei der Auflistung fehlender Sachen herangezogen wurden, ist der VN nicht eingegangen. Seine Angaben sind vielmehr vage geblieben und wirkten auf den Senat ausweichend. Der VN bleibt aber den Nachweis schuldig, welche Sachen nach dem Einbruch unauffindbar waren. Der Senat hat zudem Anhaltspunkte für Zweifel an der Redlichkeit des VN, dies insbesondere aufgrund widersprüchlicher Angaben. Vor diesem Hintergrund kommt eine Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen nicht in Betracht. Es fehlt an der hiernach erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit.Zustandekommen der Stehlgutliste ist nicht nachvollziehbar
Unabhängig hiervon ist der VR leistungsfrei aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des VN. Der VR ist gemäß § 10 Nr. 1 lit. g, lit. h, Nr. 2 VB-Geschäft 08, § 28 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 VVG leistungsfrei, weil der hinreichend belehrte VN vorsätzlich bei Eintritt des Versicherungsfalls trotz Verlangens des VR nicht alle zu führenden Geschäftsbücher und -unterlagen zur Verfügung stellte. Außerdem erteilte er vom VR verlangte dienliche Auskünfte nicht und brachte erforderliche Belege nicht bei. Auf die Rechtsfolge der vollständigen oder teilweisen Leistungsfreiheit hat der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform in der Einleitungsniederschrift hingewiesen. Eine nur pauschal behauptete Richtigstellung hat dieser nicht vorgelegt; es ist nicht ersichtlich, was der VN richtiggestellt haben will.
Der VN musste die angeforderten Unterlagen gemäß § 10 Nr. 1 lit. g, lit. h VB-Geschäft 08 vorlegen. Es handelte sich um für die Untersuchung des VR über Ursache und Höhe des Schadens und den Umfang der Entschädigungspflicht dienliche Auskünfte und erforderliche Belege, deren Vorlage dem VN zumutbar war. Soweit es um Geschäftsunterlagen geht (insbesondere Jahresabschlüsse, Eingangs- und Ausgangsrechnungen), würde es den VN nicht entlasten, wenn er solche Unterlagen entgegen seinen handels- und steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht geführt hat. § 10 Nr. 1 lit. h VB-Geschäft 08 spricht die „zu führenden Bücher und Unterlagen“ an. Das wird der durchschnittliche VN ausgehend vom Wortlaut und erkennbaren Zweck der Bestimmung so verstehen, dass pflichtwidrig nicht geführte Geschäftsbücher und -unterlagen spätestens im Schadenfall zu erstellen und vorzulegen sind.
Zusätzlich ist der VR auch deshalb teilweise leistungsfrei geworden, weil der VN grob fahrlässig entgegen § 9 Nr. 2 lit. b VB-Geschäft 08 die Geschäftsbücher und sonstigen Geschäftsunterlagen nicht nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchhaltung führte. Mit dem VR hält der Senat insoweit unter Berücksichtigung aller Umstände eine Kürzung von 70% für angemessen. Dies wirkt sich im Ergebnis nicht mehr aus, weil der VR schon aus anderen Gründen vollständig leistungsfrei ist.
Relevanz für die Praxis
Das OLG folgt der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse. Ist dem VN eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm regelmäßig das Feststellungsinteresse. Trotz möglicher Leistungsklage kann das Feststellungsinteresse bejaht werden, wenn ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt. Diese Erwartung war hier nicht gerechtfertigt, weil der VR grundsätzlich die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Abrede stellt und Einwendungen gegen die Höhe erhoben hat. Zudem kann einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines VR gerichteten Klage grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den AVB die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenshöhe vorgesehen ist (BGH VK 22, 112; BGH VersR 86, 675; BGH VersR 98; 305; OLG Hamm VersR 21, 1096, jeweils mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall ist allerdings die in den Bedingungen ausdrücklich vorgesehene Vereinbarung zwischen VN und VR über die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens nicht zustande gekommen. Der VR hat eine Vereinbarung abgelehnt. Er hält eine Klärung nicht für zielführend, sodass sich die Klage auf Feststellung der Leistungspflicht als unzulässig erweist.
Im Grundsatz muss der VN das Vorliegen eines Versicherungsfalls nachweisen. Der VN genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls beweist (BGH VK 07, 35; BGH VersR 96, 186; BGH VersR 95, 956; BGH VK 15, 94). Hierzu gehört der Nachweis des Verlusts der als gestohlen gemeldeten Sachen. Das umfasst den Nachweis des Erwerbs, des Besitzes und die Unauffindbarkeit der betreffenden Gegenstände. Dies gilt insbesondere für eine Inhaltsversicherung in Bezug auf ein Uhrengeschäft. Die vorgelegten Listen waren nicht nachvollziehbar. Insbesondere fehlen Angaben, wie die Listen zustanden gekommen sind. Auf den Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung wegen fehlender Vorlage von geschäftlichen Unterlagen und mangelhafter Buchführung kam es nicht mehr an.
AUSGABE: VK 7/2024, S. 113 · ID: 50075064