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ZwangsvollstreckungQuotenvorrecht gilt auch bei Teilzahlungen
| Immer wieder erhalten Gläubiger für eine bestimmte Anzahl von durchzuführenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Rechtsschutz durch ihre Versicherung. Problematisch ist, ob der Rechtsschutzversicherer auch bei einer durch den Schuldner erbrachten Teilleistung auf die titulierte Forderung des Gläubigers den auf den Versicherer übergegangenen Anspruch nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG geltend machen kann. |
1. Das Quotenvorrecht schützt den Gläubiger
Mit einer Zahlung des Rechtsschutzversicherers geht ein etwaiger Erstattungsanspruch auf diesen über (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Nach dem sog. Quotenvorrecht kann der Übergang auf den Versicherer aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers (Gläubigers) geltend gemacht werden (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG). Deshalb besteht ein Befriedigungsvorrecht des Gläubigers als Versicherungsnehmer und vom Schuldner erbrachte (Teil-)Zahlungen sind zuerst an den Gläubiger weiterzuleiten. Insofern ist das Quotenrecht auch bei Teilleistungen des Schuldners anzuwenden.
2. So wird im Außen- und im Innenverhältnis verrechnet
Im Außenverhältnis zum Schuldner gibt § 367 Abs. 1 BGB eine Verrechnung vor. Dies bedeutet, dass zunächst auf die Kosten zu verrechnen ist.
Eine solche Verrechnung auch im Innenverhältnis widerspräche dem Grundgedanken des Quotenvorrechts sowie dem Sinn und Zweck der Rechtsschutzversicherung, das Risiko der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers (Gläubigers) solange abzudecken, wie die Interessenwahrnehmung notwendig ist. Das ist bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers als Versicherungsnehmer der Fall. Daher sind Teilleistungen des Gegners im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherer abweichend von der Verrechnung gegenüber dem Schuldner zunächst auf die dem Versicherungsnehmer zustehende Hauptforderung zu verrechnen. Erst dann kann der Rechtsschutzversicherer den Forderungsübergang geltend machen (OLG Hamm VersR 00, 1101).
3. Das bedeutet für die Zwangsvollstreckung ...
Wenn also der Gläubiger seine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einstellt, kann die Rechtsschutzversicherung wegen des ihr nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zustehenden Forderungsübergangs weiterhin die Vollstreckung betreiben. Aus diesem Grund ist zunächst eine Kostenfestsetzung der erbrachten Vollstreckungskosten notwendig. Diese Grundsätze sind beim Kostenfestsetzungsantrag und dem Antrag auf Klauselerteilung zugunsten der Rechtsschutzversicherung zu beachten.
Musterformulierung / Kostenfestsetzungsantrag und Klauselerteilung zugunsten der Versicherung |
An das …gericht – Vollstreckungsgericht – In der Zwangsvollstreckungsangelegenheit Gläubiger ./. Schuldner wird gemäß § 788 Abs. 2 i. V. m. § 104 ZPO beantragt, gegen den Schuldner die nachfolgend aufgeführten Vollstreckungskosten in Höhe von … EUR als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung festzusetzen und auszusprechen, dass der festgesetzte Betrag vom Tag der Antragstellung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Weiterhin wird beantragt, eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nebst Zustellbescheinigung zugunsten der …-Rechtsschutzversicherung zu erteilen. Gründe Das erkennende Gericht ist nach § 788 Abs. 2 ZPO für die Kostenfestsetzung zuständig, weil die letzte Vollstreckungshandlung im Bezirk des dortigen Gerichts stattgefunden hat. Letzte Vollstreckungshandlung war der PfÜB des Amtsgerichts … vom …, Az: … M … ./. … . Der Titelgläubiger … hat die Zwangsvollstreckung aus dem im Original beigefügten Vollstreckungstitel (genaue Bezeichnung) betrieben. Die Rechtsschutzversicherung des Gläubigers hat für insgesamt … EUR Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Kostenschutz erteilt und diese Kosten auch gezahlt. Beweis: Schreiben der Rechtsschutz-AG vom … Der Schuldner hat im Rahmen der vorgenommenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen insgesamt … EUR gezahlt. Diese Zahlungen wurden an den Gläubiger weitergeleitet. Mit einer Zahlung des Rechtsschutzversicherers geht ein etwaiger Erstattungsanspruch auf diesen über (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Der Übergang auf den Versicherer darf aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers (Gläubiger) geltend gemacht werden (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG; sog. Quotenvorrecht). Dies hat zur Folge, dass die durch den Schuldner erbrachten (Teil-)Zahlungen zunächst an den Gläubiger weitergeleitet wurden. Das Quotenrecht ist nicht nur bei Kostenerstattungen, sondern auch bei Teilleistungen des Schuldners anzuwenden. Im Außenverhältnis zum Schuldner gibt § 367 Abs. 1 BGB eine Verrechnung vor. Dies bedeutet, dass zunächst auf die Kosten zu verrechnen ist. Eine solche Verrechnung im Innenverhältnis widerspricht allerdings dem Grundgedanken des Quotenvorrechts sowie dem Sinn und Zweck der Rechtsschutzversicherung, das Risiko der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers (Gläubigers) so lange abzudecken, wie die Interessenwahrnehmung notwendig ist (d. h. bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers als Versicherungsnehmer). Daher sind Teilleistungen des Gegners im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherer abweichend von der Verrechnung gegenüber dem Schuldner zunächst auf die dem Versicherungsnehmer zustehende Hauptforderung zu verrechnen, bevor der Rechtsschutzversicherer den Forderungsübergang geltend machen kann (OLG Hamm VersR 00, 1101). |
Weil der Gläubiger seine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingestellt hat, kann die Rechtsschutzversicherung wegen des ihr nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zustehenden Forderungsübergangs weiterhin die Vollstreckung betreiben. Daher ist eine Festsetzung der Vollstreckungskosten notwendig. Gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist der Kostenfestsetzungsbeschluss ein der Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel (BGH RVG prof. 11, 38). Nach §§ 727, 795 ZPO kann dem Rechtsnachfolger des Titelgläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer ist eine solche materielle Rechtsnachfolge (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. § 727 Rn. 7). Zum Nachweis des Forderungsübergangs auf den Rechtsschutzversicherer wird auf die in der Anlage beigefügte öffentlich beglaubigte Erklärung des Titelgläubigers Bezug genommen. Anlagen
Rechtsanwalt |
Beachten Sie | Beantragt der bereits im Erkenntnisverfahren für den – alten – Gläubiger tätige Rechtsanwalt die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel nach § 727 ZPO, erhält er hierfür keine besondere Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG (AnwK/RVG-Volpert, VV 3309 Rn. 405 m. w. N.). Die Folge ist: Nur der – neue – Rechtsanwalt, der für den Rechtsnachfolger des Titelgläubigers (hier: Rechtsschutzversicherer) tätig wird, erhält eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG, und zwar aus dem Wert der auf den Rechtsschutzversicherer übergegangenen Forderung.
- Das BGH-Urteil zum Quotenvorrecht eröffnet neue Aufrechnungsmöglichkeiten: Schneider, VK 24, 87
- Umgekehrtes Quotenvorrecht und die Leistungsgrenze des Kaskoversicherers: VK 23, 157
AUSGABE: VK 7/2024, S. 124 · ID: 49856496