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VBVereinsBrief

UmsatzsteuerSteuerbefreiung für Bildungsträger ohne staatliche Anerkennung: Das steckt in § 4 Nr. 22a UStG

Abo-Inhalt28.04.2025200 Min. Lesedauer

| Auch nach der Neuregelung von § 4 Nr. 21 UStG zum 01.01.2025 ist die staatliche Anerkennung der Bildungseinrichtung Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Für gemeinnützige Bildungsträger und Berufsverbände gibt es aber eine alternative Befreiungsregelung – § 4 Nr. 22a UStG. Sie setzt kein behördliches Anerkennungsverfahren voraus. Entgegen dem Wortlaut ist auch diese Befreiungsvorschrift begrenzt. VB klärt deshalb die Hintergründe und wichtige Einzelfälle. |

§ 4 Nr. 22a UStG spielt bei Erwachsenenbildung große Rolle

Bildungsleistungen, die im Umfeld von staatlichen (Ersatz-)Schulen erbracht werden, sind vielfach nach § 4 Nr. 21c UStG befreit. § 4 Nr. 22a UStG spielt deswegen vor allem bei Leistungen der Erwachsenenbildung eine wichtige Rolle.

Wichtig | Es kann sowohl die Befreiung nach § 4 Nr. 21 UStG als auch die nach § 4 Nr. 22a UStG greifen. Praktisch spielt das keine Rolle, weil der Vorsteuerabzug in beiden Fällen ausgeschlossen ist.

So ist § 4 Nr. 22a UStG gesetzlich geregelt

§ 4 Nr. 22 a UStG befreit von der Umsatzsteuer Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die u. a. von gemeinnützigen Einrichtungen oder Berufsverbänden durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Es gibt also Anforderungen

  • an die Form der Durchführung – das bloße Zurverfügungstellen von Lernmedien ist nicht begünstigt,
  • bezüglich der Gemeinnützigkeit des Anbieters und
  • bezüglich der Kostendeckung.

§ 4 Nr. 22a UStG im Lichte des Gemeinschaftsrechts

Die Regelung des § 4 Nr. 22a UStG weicht im Wortlaut deutlich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ab. Dennoch muss sie richtlinienkonform ausgelegt werden (BFH, Urteil vom 07.10.2010, Az. V R 12/10, Abruf-Nr. 110345). Befreit sind nach dieser Regelung in der MWStSystRL vier Gruppen von Bildungsleistungen:

  • Erziehung von Kindern und Jugendlichen
  • Schul- und Hochschulunterricht
  • Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung
  • Eng damit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen

Dabei verlangt Schul- und Hochschulunterricht die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen. Als Aus- und Fortbildung im beruflichen Bereich ist dagegen auch ein punktueller Unterricht begünstigt.

Wichtig | Weil sowohl § 4 Nr. 22 a UStG als auch § 4 Nr. 21 UStG vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts ausgelegt werden, unterscheiden sie sich nicht im Umfang der Steuerbefreiung, sondern nur bei der fehlenden staatlichen Anerkennung der entsprechenden Bildungsangebote bzw. -träger. Vielfach verkannt wird, dass auch nach § 4 Nr. 22a UStG freizeitbezogene Bildungsangebote für Erwachsene nicht begünstigt sind.

Da die Regelung des § 4 Nr. 22a UStG enger gefasst ist als Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, gibt es teils die Auffassung, sie sei europarechtwidrig. Dem hat das FG Düsseldorf widersprochen. Für die Einordnung des Vereins als eine „Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ genüge die Gemeinnützigkeit. Dazu reicht – so das FG in Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 18.02.2016, Az. V R 46/16, Abruf-Nr. 198656) – aus, dass die Tätigkeit des Vereins als gemeinnützig auf gesetzlicher Grundlage anerkannt und festgestellt ist. Es bestehe kein Anlass, die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22a UStG dahingehend einzuschränken, dass sie nur für solche Einrichtungen gilt, die allein oder im Wesentlichen gemeinnützige Zwecke erfüllen.

Es genügt, wenn die Bildungstätigkeiten der Einrichtung steuerbegünstigt sind. Es ist weder erforderlich, dass der Verein ausschließlich Bildungsveranstaltungen durchführt noch dass alle seine Tätigkeiten begünstigt sind (FG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2017, Az. 5 K 78/14 U, Abruf-Nr. 209425).

Diese Einrichtungen sind begünstigt

Neben juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien und Berufsverbänden sind als Träger Volkshochschulen und „Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen“, begünstigt.

Volkshochschulen sind nach der Definition der Finanzverwaltung Einrichtungen, die auf freiwilliger, überparteilicher und überkonfessioneller Grundlage Bildungsziele verfolgen (UStAE, Abschnitt 4.22.1. Nr. 1). Da Volkshochschulen sowohl in öffentlicher wie privater Trägerschaft betrieben werden, ist die Gemeinnützigkeit für sie keine Voraussetzung. Der BFH hat mehrfach entschieden, dass § 4 Nr. 22a UStG ausschließlich die im Gesetz genannten Unternehmer befreit (BFH, Urteil vom 17.06.1998, Az. XI R 68/97, Urteil vom 27.08.1998, Az. V R 73/97, Urteil vom 24.06.1999, Az. V R 6/98). Die Vorschrift ist – anders als § 4 Nr. 21 UStG – nicht allein tätigkeitsbezogen, sondern beschreibt die Wirtschaftsteilnehmer, die mit den beschriebenen Tätigkeiten die Steuerbefreiung beanspruchen können.

Offen ist, ob die Einrichtungen überwiegend oder gar ausschließlich Bildungsleistungen erbringen müssen. Das FG Düsseldorf (siehe oben) vertritt dazu die Auffassung, dass eine weite Auslegung angebracht ist. Bereits der Wortlaut „vergleichbare Zielsetzung“ in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL impliziere, dass eine nicht allzu enge Auslegung erfolgen darf. Andernfalls hätte die Formulierung mit „gleicher Zielsetzung“ bzw. mit „ausschließlich gleicher Zielsetzung“ lauten müssen. Es spielt also keine Rolle, wenn die Aus- und Fortbildungstätigkeit nur einen Teil des Gesellschaftszwecks ausmacht (FG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2017, Az. 5 K 78/14 U, Abruf-Nr. 209425).

Gemeinnützigkeit als Voraussetzung?

Umstritten ist, ob die formelle Anerkennung der Gemeinnützigkeit Voraussetzung für die Steuerbegünstigung ist. § 4 Nr. 22a UStG verweist nämlich nicht auf die entsprechenden Vorschriften der AO. Zudem ist nicht die Rede von „gemeinnützigen Einrichtungen“, sondern von „Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen“. Definitiv ausgeschlossen sind Einzelpersonen und Personengesellschaften (BFH, Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 31/21, Abruf-Nr. 230261). Die körperschaftliche Verfassung ist Voraussetzung für eine klare Trennung des Vermögens von Gesellschaft und Gesellschaftern.

Finanzverwaltung und BFH haben bisher aber nicht bestätigt, dass die formelle Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach § 60a AO Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist.

Kostendeckung – was heißt „überwiegend“?

§ 4 Nr. 22a UStG begünstigt Bildungsveranstaltungen nur, „wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden“. Offen bleibt dabei, ob es sich um ein leistungs- oder unternehmerbezogenes Merkmal handelt.

Nach Auffassung des FG Düsseldorf bezieht sich „überwiegend“ auf den Zweckbetrieb „Bildungsleistungen“. Die Einnahmen aus dem Zweckbetrieb müssen zu mehr als 50 Prozent zur Deckung der Kosten aus dem Zweckbetrieb verwendet werden. Das FG hat zudem klargestellt, dass bei der Berechnung nicht nur die direkten Kosten (z. B. Dozentenhonorare), sondern auch die Gemeinkosten (z. B. für Werbung oder Verwaltungspersonal) einbezogen werden müssen. Werden die Kosten nicht jahresbezogen, sondern veranstaltungsbezogen ermittelt, müssen die Gemeinkosten nach einem zu ermittelnden Schlüssel auf die einzelnen Veranstaltungen umgelegt werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2017, Az. 5 K 78/14 U, Abruf-Nr. 209425).

Wichtig | Das Berechnungsverfahren wird für gemeinnützige Träger kaum eine Rolle spielen, weil Erlöse von mehr als 50 Prozent die Ausnahme darstellen werden.

Diese Leistungen sind begünstigt

Die Rechtsprechung legt den Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ eng aus. Darunter ist ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zu verstehen, das sich auf ein breites und vielfältiges Spek-trum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht. Diese Ausbildung muss je nach Fortschritt und Spezialisierung der Lernenden ein Stufensystem (z. B. in Form von Jahrgangsstufen oder Semestern) bilden (EuGH, Urteil vom 21.10.2021, Rs. C-373/19, Abruf-Nr. 225477). Nicht begünstigt sind insbesondere freizeitbezogene Bildungsveranstaltungen.

Bei berufsbildenden Kursen ist (anders als bei Schul- bzw. Hochschulunterricht) ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen nicht erforderlich. Hier können auch kleinere Kurseinheiten und ein punktuell vermittelter Unterricht steuerbefreit sein (BFH, Urteil vom 30.06.2022, Az. V R 32/21, Abruf-Nr. 232102).

Spezielle Formate der „Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ verlangt § 4 Nr. 22a UStG nicht. Es kann sich also um systematischen Unterricht, Vortragsreihen oder auch Einzelvorträge handeln. Die Finanzverwaltung hat bestätigt, dass auch Live-Streaming-Angebote begünstigt sind, wenn sie interaktiv erbracht werden, also nicht lediglich in Video-Abrufen bestehen.

Diese Nebenleistungen sind (auch) steuerbefreit

§ 4 Nr. 22a UStG befreit nur „Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen“. Nicht befreit ist die bloße Lieferung von Lehrmaterialien. Im Rahmen einer Bildungsveranstaltung ist sie aber als Nebenleistung befreit. Dafür spricht, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL auch „eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen“ begünstigt.

Anders sieht es bei der Verpflegung und Beherbergung von Teilnehmern aus. Bei der Verpflegung von Seminarteilnehmern handelt es sich nicht um eine für die Aus- oder Fortbildung unerlässliche Leistung, sondern um eine hierfür nur nützliche Maßnahme, die vorrangig dazu dient, den Komfort und das Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme der Bildungsmaßnahme zu steigern (BFH, Urteil vom 07.10.2010, Az. V R 12/10, Abruf-Nr. 110345).

Etwas anderes gilt nur, wenn die Verpflegung unerlässlich ist. Das gilt bei ganztägigen Seminaren regelmäßig für die Verpflegung mit kalten oder kleinen Gerichten im Seminarraum, wie z. B. bei Kaffeepausen.

Steuerbefreiung kostet den Vorsteuerabzug

Mit der Steuerbefreiung geht der fehlende Vorsteuerabzug einher. Das kann bei Bildungsträgern mit entsprechender Vorsteuerbelastung (z. B. aus Dozentenhonoraren) zu einem wirtschaftlich ungünstigeren Ergebnis führen, zumal auf die eigenen Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG regelmäßig nur sieben Prozent Umsatzsteuer zu erheben wären. Die Regelung des § 4 Nr. 22a UStG ist aber nicht optional. Liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor, greift sie zwingend. Eine Optierung zu Umsatzsteuer sieht § 9 UStG hier nicht vor.

Wichtig | Da die Regelung anders als bei § 4 Nr. 21 UStG nicht von einer behördlichen Anerkennung abhängt, besteht das Risiko, dass das Finanzamt das anders bewertet. Gemeinnützige Bildungsträger sollten sich hier deshalb vorab mit dem Finanzamt abstimmen.

So haben Gerichte Einzelfälle ausgeurteilt

Vor dem geschilderten rechtlichen Hintergrund hat die Rechtsprechung bisher fünf Einzelfälle ausgeurteilt; zwei als steuerfrei und drei als steuerpflichtig.

Steuerbegünstigt

  • Fahrsicherheitstraining: Hier liegen „Kurse belehrender Art“ i.S. v. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG vor, wenn es sich um eine Schulungsmaßnahme handelt, die zum Erwerb oder zur Erhaltung beruflicher Kenntnisse konkret geeignet ist. Liegt eine solche berufliche Nutzung nur bei einigen Teilnehmern vor, muss sich die erforderliche Eignung leistungsbezogen aus der Schulungsmaßnahme selbst ergeben (BFH, Urteil vom 17.11.2022, Az. V R 33/21, Abruf-Nr. 233552).
  • Abnahme von Prüfungen: Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer sind steuerfrei, weil sie einen direkten Bezug zu einem Beruf haben. Die Prüfung ist Schlusspunkt und notwendiger Bestandteil einer Schulungsmaßnahme und daher von der Steuerbefreiung der Schulungsmaßnahme umfasst. Das gilt auch für Prüfungen ohne vorherige Schulung. (BFH, Urteil vom 30.06.2022, Az. V R 32/21).

Nicht steuerbegünstigt

  • Sportunterricht von Trainern: Art. 132 Buchst. j MwStSystRL befreit zwar den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer. Grundsätzlich fällt darunter auch Sportunterricht – aber nur, wenn der Trainer den Unterricht direkt gegenüber den Schülern erbringt und nicht gegenüber dem Verein. Ein Sportlehrer erfüllt als Einzelunternehmer die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht (BFH, Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 31/21, Abruf-Nr. 230261).
  • Tanzkurse sind nicht nach § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Sie dienen nicht den genannten Aus- oder Fortbildungszwecken, sondern der Freizeitgestaltung der Teilnehmer (BFH, Urteil vom 27.04.2006, Az. V R 53/04, Abruf-Nr. 062056).
  • Flugunterricht für Hobbyflieger: Er stellt kein integriertes System in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen dar, sondern einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht. Im behandelten Fall ging es um die Privatpilotenlizenz für „Hobbyflieger“. Die ist keine Voraussetzung für eine entsprechende Berufsausbildung (BFH, Urteil vom 13.11.2024, Az. XI R 31/22, Abruf-Nr. 246659).

AUSGABE: VB 5/2025, S. 5 · ID: 50394815

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