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GemeinnützigkeitPraxisforum: So sichern sich Körperschaften mit kleinen Nutzerkreisen die Gemeinnützigkeit

Abo-Inhalt28.04.20255664 Min. Lesedauer

| Gemeinnützige Körperschaften haben oft sehr spezielle Zielsetzungen und Zielgruppen. Das kann mit dem gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsatz der Förderung der Allgemeinheit kollidieren. In der Praxis lässt sich diese Kollision aber meist vermeiden, weil es vorwiegend auf die Satzungsgestaltung ankommt. VB klärt auf. |

Der AO-Grundsatz der Förderung der Allgemeinheit

Nach § 52 Abs. 1 S. 2 AO liegt keine Förderung der Allgemeinheit vor, „wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann“.

Demnach wäre eine Beschränkung des Nutzerkreises nur in zwei Fällen gemeinnützigkeitsschädlich; nämlich wenn

  • 1. der Kreis fest abgeschlossen oder
  • 2. dauerhaft nur sehr klein ist.

Die Regelung spezifiziert – negativ – einen allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsatz, die Förderung der Allgemeinheit. Sie darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass nur die Förderung einer großen Zahl von Personen gemeinnützig wäre. Tatsächlich kommt es darauf nicht an. Ausgeschlossen ist lediglich die Förderung partikularer Interessen:

Beispiel

Eine Selbsthilfegruppe, die Menschen mit einer seltenen Krankheit unterstützt, kann wegen der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege gemeinnützig sein, auch wenn nur sehr wenige Personen in Deutschland von der Erkrankung betroffen sind.

Der BFH hat klargestellt, dass es genügt, wenn ein Ausschnitt der Allgemeinheit gefördert wird (BFH, Beschluss vom 26.05.2021, Az. V R 31/19, Abruf-Nr. 224725). Die Allgemeinheit muss im Mitglieder- oder Nutzerbestand repräsentiert sein. Im konkreten Fall ist diese Bedingung erfüllt, wenn die Selbsthilfegruppe grundsätzlich allen Betroffenen offensteht.

Das Negativkriterium „fest abgeschlossener Personenkreis“

Als Beispiel nennt das Gesetz für einen fest abgeschlossenen Personenkreis die Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens. Dabei kommt es auf die Zahl der Personen, die dieser Kreis umfasst, nicht an.

Ausschlaggebend ist bei Vereinen nicht die Mitgliederzahl, sondern die Zahl der möglichen Nutzer der Vereinsangebote. Eine satzungsmäßige Begrenzung der Mitgliederzahl ist also nur schädlich, wenn die Angebote ausschließlich Mitgliedern zugänglich sind.

Beispiel

Ein Motorsportverein, der nur Mitgliedern des ADAC offensteht, fördert die Allgemeinheit nicht, obwohl der ADAC viele Millionen Mitglieder hat (BFH, Urteil vom 05.08.1992, Az. X R 165/88). Für den BFH ist es dabei ohne Bedeutung, ob die Zahl der betreffenden Personen groß oder klein ist.

Schädlich für die Gemeinnützigkeit sind grundsätzlich nur sachfremde Beschränkungen, die sich nicht am Satzungszweck, sondern an anderen Kriterien festmachen lassen. Deswegen sind z. B. bestimmte Zugangsvoraussetzungen unbedenklich, etwa eine medizinische Untersuchung für bestimmte Leistungssportangebote, berufliche Vorbildung bei Ausbildungsangeboten oder eine Auswahl nach musikalischem Niveau bei Chören oder Orchestern.

Deswegen gibt es auch keine Bedenken, wenn ein Verein seine Mitgliederzahl aufgrund beschränkter Kapazitäten begrenzt (z. B. bei Sportanlagen).

Praxistipp | Zum Problem wird ein solcher abgeschlossener Personenkreis nur, wenn die Satzung oder andere statuarische oder vertragliche Regelungen ihn definieren. Dass der Nutzerkreis tatsächlich klein bleibt, kann aus verschiedenen Gründen unschädlich sein, z. B. weil die Einrichtung nur begrenzte Ressourcen hat oder es ihr nicht gelingt, einen größeren Kreis für ihr Angebot zu gewinnen.

Das Negativkriterium „dauernd kleiner Personenkreis“

Auch wenn der geförderte Personenkreis nicht fest abgeschlossen ist, liegt keine Förderung der Allgemeinheit vor, wenn er „dauernd nur klein sein kann“. Das Gesetz nennt hier beispielhaft eine Abgrenzung nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen.

Dabei ist eine räumliche Begrenzung nicht schon an sich schädlich. Das hat das FG Hessen im Fall einer GmbH entschieden, die die gemeindepsychiatrische Versorgung einer Region zum Satzungszweck hatte (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18, Abruf-Nr. 215651). Auch hier können sachliche Gründe für eine räumliche Beschränkung sprechen, etwa die Erfordernis einer ortsnahen Versorgung. Deswegen verstoßen z. B. Sportvereine, deren Mitglieder aus einer Gemeinde stammen (müssen), nicht grundsätzlich gegen die Förderung der Allgemeinheit. Etwas anderes wird nur gelten, wenn die Eingrenzung sehr eng ist und ohne sachlichen Grund erfolgt. Das würde z. B. gelten, wenn ein Verein nur Bewohner einer bestimmten Siedlung oder Straße aufnimmt.

Auch die Beschränkung des Nutzerkreises auf eine Berufsgruppe ist nicht zwingend gemeinnützigkeitsschädlich. Sie kann z. B. als Qualifikationsvoraussetzung für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung sogar sachlich geboten sein.

Sachfremde Beschränkung des Mitgliederkreises über Aufnahmeregeln

Eine sachfremde Beschränkung des Mitgliederkreises kann sich auch durch die Aufnahmeregelungen eines Vereins ergeben. In der Regel handelt es sich hier aber um unnötige Gestaltungshindernisse. Die Satzung eines Vereins muss keine ausdrücklichen Regelungen darüber enthalten, unter welchen Voraussetzungen ein Bewerber abgelehnt werden kann (BFH, Urteil vom 13.08.1997, Az. I R 19/96).

Unschädlich sind Satzungsregelungen, wonach Aufnahmegesuche von einer bestimmten Zahl von Vereinsmitgliedern befürwortet werden müssen (BFH, Urteil vom 13.12.1978, Az. I R 64/77). Die Ablehnung der Aufnahme darf aber nicht willkürlich erfolgen, etwa indem sie von einem einstimmigen Beschluss der Mitgliederversammlung abhängig gemacht wird (FG Hamburg, Urteil vom 08.12.1997, Az. II 98/95).

Regelungen, nach denen der Vorstand allein über die Aufnahme entscheidet, sind für sich genommen noch kein Beleg für einen Ausschluss der Allgemeinheit, weil dies der gesetzlichen Regelung entspricht. Die Aufnahme von Mitgliedern ist nämlich eine Außenvertretungshandlung, für die der Vorstand zuständig ist.

Praxistipps |

  • In der Regel kann auf solche Aufnahmeregelungen in der Satzung ganz verzichtet werden. Zunächst entscheidet der Vorstand über die Aufnahme. Einen Aufnahmeanspruch oder gar -zwang gibt es weder vereins- noch gemeinnützigkeitsrechtlich. Die häufig zu findende Satzungsregelung, wonach bei einer Ablehnung des Beitrittsgesuchs durch den Vorstand die Mitgliederversammlung angerufen werden kann, ist nicht erforderlich. Die Versammlung hat ohnehin eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand, wenn die Satzung die Zuständigkeit für die Aufnahme nicht ausdrücklich dem Vorstand zuweist.
  • Das Finanzamt prüft die Aufnahmepraxis in aller Regel nicht – zumal, wenn die Aufnahmeregelungen in der Satzung dazu keinen Anlass geben. Fast immer wird deshalb eine Satzungsvorschrift, nach der der Vorstand über die Aufnahme von Mitgliedern beschließt, dem Verein ermöglichen, die Mitglieder beliebig auszuwählen.

So hat die Rechtsprechung Einzelfälle entschieden

Erfahren Sie nachfolgend, welche Einzelfälle zur Förderung der Allgemeinheit nach § 52 Abs. 1 AO bisher vor Gericht gelandet sind.

Geschlechtsbezogene Beschränkungen

Geschlechtsbezogene Beschränkungen sind nur zulässig, wenn sie nicht sachfremd sind. Unbedenklich ist es deswegen z. B., wenn ein Männerchor keine Frauen aufnimmt oder ein Frauenhaus nur Frauen. Bei Traditionsvereinen ist der Ausschluss von Frauen dagegen sachlich meist nicht begründet. So hat der BFH z. B. entschieden, dass eine traditionelle Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausschließt, nicht gemeinnützig sein kann (BFH, Urteil vom 17.05.2017, Az. V R 52/15, Abruf-Nr. 195587).

Studentische Verbindungen können regelmäßig nicht gemeinnützig sein, weil sie Frauen von der Mitgliedschaft ausschließen. Bei ihnen steht aber der gemeinnützige Zweck ohnehin in Frage. Nach Auffassung der Finanzverwaltung fallen sie nicht unter die Brauchtumspflege nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO (Anwendungserlass zur AO, Ziff. 11 zu § 52).

Mitgliedschaft in einer anderen Organisation

Hängt die Mitgliedschaft in einem Verein lt. Satzung von der Zugehörigkeit zu einer anderen Körperschaft ab, kann das ein Verstoß gegen das Gebot der Förderung der Allgemeinheit sein. Das hat der BFH im Fall eines Motorsportvereins entschieden, der nur ADAC-Mitglieder aufnahm (siehe oben – BFH, Urteil vom 05.08.1992, Az. X R 165/88).

Betriebskindergärten

Nimmt ein Kindergarten überwiegend nur Kinder von Mitarbeitern eines Betriebs auf, ist das schädlich für die Gemeinnützigkeit. Es genügt nicht, wenn die Möglichkeit besteht, nicht belegte Restplätze anderweitig zu vergeben. Es wäre – so der BFH – mindestens erforderlich, dass eine feste „Restplatzquote” besteht (BFH, Urteil vom 01.02.2022, Az. V R 1/20, Abruf-Nr. 230787).

Regionale Beschränkung der Tätigkeit

Eine Beschränkung der Tätigkeit auf eine kleine Region ist grundsätzlich unschädlich für die Gemeinnützigkeit. Das gilt auch, wenn die Region relativ klein ist (hier ein Teil eines Landkreises). Das entschied das FG Hessen im Fall einer GmbH, die die gemeindepsychiatrische Versorgung einer Region als Satzungszweck hatte (siehe oben – Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18, Abruf-Nr. 215651).

Bei der Eingrenzung handele es sich nicht um eine unzulässige Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis, sondern um eine nachvollziehbare bloße räumliche Beschränkung, die erkennbar dazu diente, das Leistungsvermögen der GmbH nicht zu überfordern. Da innerhalb dieses Raumes im Grundsatz sämtliche Personen begünstigt sind, liege kein Verstoß gegen das Gebot der Förderung der Allgemeinheit vor.

Fazit | Vielfach sind Verstöße gegen das Gebot der Förderung der Allgemeinheit wegen eines fest abgeschlossenen oder dauernd nur sehr kleinen Personenkreises nur ein Problem, weil die Satzung oder andere verschriftlichte Vorgaben das entsprechend regeln. In der Praxis prüft die Finanzverwaltung die Aufnahmeverfahren bei Vereinen nicht bzw. kann unzulässige Beschränkungen schwerlich nachweisen. Satzungsmäßige Beschränkungen sind in der Regel auch nicht erforderlich. Der Verein kann frei über die Aufnahme entscheiden und Bewerber ohne Angabe von Gründen ablehnen. Von Satzungsregelungen, aus denen sich ein Aufnahmeanspruch ergeben könnte, ist abzuraten (Beispiel: „Die Mitgliedschaft im Verein steht jedem offen ...“). Sie sind auch gemeinnützigkeitsrechtlich nicht erforderlich.

AUSGABE: VB 5/2025, S. 10 · ID: 50399881

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