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SozialversicherungspflichtSV-Pflicht selbstständiger Lehrkräfte: So profitieren Vereine von Übergangsregelung bis 2026

Abo-Inhalt04.03.20255 Min. Lesedauer

| Der Gesetzgeber hat eine Übergangsregelung für die Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften geschaffen und damit die verschärften Anwendungsregelungen bis Ende 2026 ausgesetzt. Enthalten ist sie im „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Das Gesetz wurde am 14.02.2025 vom Bundesrat genehmigt und tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. VB macht Sie mit Problematik und Übergangsregelung vertraut. |

Der (sozialversicherungs-)rechtliche Hintergrund

Im sogenannten Herrenberg-Urteil hatte das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass für Lehrkräfte keine Sonderregelungen bzgl. des sozialversicherungsrechtlichen Status gelten.

Rechtsauffassung bis zum „Herrenberg-Urteil“ des BSG in 2022

Bis dahin war die Rechtsauffassung, dass sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI eine Sonderstellung von Lehrkräften ergibt. Danach seien selbststständig tätige Lehrer und Erzieher, die keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, rentenversicherungspflichtig. Hier wurde also – ausnahmsweise – für Selbstständige eine Versicherungspflicht festgelegt. Damit wurde im Ergebnis bereits vom Gesetzgeber „anerkannt“, dass der Beruf einer Lehrkraft sowohl in Form einer abhängigen Beschäftigung als auch als selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werden könne.

Änderung durch „Herrenberg-Urteil“ des BSG

Aus dieser Sonderstellung zog die Rechtsprechung das Fazit, dass die üblichen Bedingungen, unter denen Lehrkräfte tätig sind, nicht bereits gegen eine Selbstständigkeit sprechen dürfen. Diese Auffassung hat das BSG aufgegeben und damit Lehrkräfte anderen Selbstständigen gleichgestellt (BSG, Urteil vom 28.06.2022, Az. B 12 R 3/20 R Abruf-Nr. 235470 → VB 6/2023, Seite 15 → Abruf-Nr. 49493184).

Die Reaktion der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung reagierten auf diese BSG-Rechtsprechung mit einer Änderung ihrer Prüfkriterien (Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 04.05.2023, Abruf-Nr. 236190).

Nach diesen Vorgaben wäre ein selbstständiger Sozialversicherungstatus von Lehrkräften die Ausnahme, weil nach Auffassung des GKV-Spitzenverbands insbesondere folgende Tätigkeitsmerkmale für eine abhängige Beschäftigung sprechen:

  • Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung
  • Festlegung bestimmter Unterrichtszeiten und Unterrichtsräume durch die Bildungseinrichtung
  • Kein Einfluss auf die zeitliche Gestaltung der Lehrtätigkeit
  • Meldepflicht für Unterrichtsausfall aufgrund eigener Erkrankung oder sonstiger Verhinderung
  • Keine unternehmerischen Chancen (z. B. weil keine eigenen Teilnehmer akquiriert und auf eigene Rechnung unterrichtet werden können)
  • Lehrkraft darf keine Subunternehmer einsetzen.

Selbstständige Tätigkeit würde zur Ausnahme

Diese Kriterien treffen aber auf die meisten Lehrtätigkeiten zu. Lehrkräfte konnten deswegen in aller Regel nur noch auf Anstellungsbasis beschäftigt werden. Damit war das Geschäftsmodell vieler Bildungsträger bedroht, das auf einem flexiblen und kostengünstigen Einsatz der Lehrkräfte basiert. Betroffen sind auch Musikschulen, Volkshochschulen und Sportvereine mit ihren Kurs- und Trainingsangeboten.

Die gesetzliche Neuregelung

Mit dem Gesetz wird der neue § 127 (Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten) ins SGB IV eingefügt (Bundesratsdrucksache 38/25 vom 31.01.2025, Abruf-Nr. 246674).

In diesem Fall bleibt die Statusfeststellung bis Ende 2026 ohne Wirkung

Er legt fest, dass eine Feststellung des Sozialversicherungsstatus von Lehrkräften als abhängig beschäftigt durch die Versicherungsträger (also insbesondere die Rentenversicherung Bund) bis Ende 2026 ohne Wirkung bleiben soll, also die Versicherungspflicht erst ab dem 01.01.2027 beginnt. Das soll gelten, wenn

  • 1. die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und
  • 2. die Lehrkraft dem zustimmt.

Zweiter Anwendungsfall: Lehrtätigkeit fällt unter das KSVG

Das Gleiche gilt, wenn die Lehrtätigkeit die Voraussetzungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) erfüllen würde. Das betrifft insbesondere Musiklehrer. Hier muss allerdings der Auftraggeber die Beiträge abführen (die aber weit geringer sind als die Regelbeiträge bei einer abhängigen Beschäftigung). Unter diesen Voraussetzungen greifen dann auch die Vorschriften zur Rentenversicherung für selbstständig tätige Lehrer, d. h. die bis dahin geleisteten Beiträge gelten als zu Recht entrichtet. Die aufgrund dieser Pflichtbeiträge erworbenen Leistungsansprüche bleiben damit bestehen. Eine Nachforderung von Beiträgen für die vergangenen Zeiträume erfolgt nicht (Bundesratsdrucksache 38/25 zur Sitzung am 14.02.2025).

Wichtig | Hier geht es um die Sonderregelungen zur Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrkräfte. Diese Beitragspflicht trifft die Lehrkräfte selbst, nicht ihre Auftraggeber. Das gilt auch für die freiwillige Arbeitslosenversicherung.

Die Konsequenz für die Praxis

Der neue § 127 SGB IV liefert aber nur einen Aufschub. Wird im Rahmen einer Prüfung durch die Sozialversicherungsträger festgestellt, dass eine Lehr-tätigkeit in abhängiger Beschäftigung vorliegt, besteht die Versicherungspflicht erst ab dem 01.01.2027. Das ist aber von der Zustimmung der Lehrkraft abhängig.

Lehrkraft kann aktuell auf Behandlung als abhängig beschäftigt bestehen

Sie kann also (rückwirkend) auf die Behandlung als abhängig beschäftigt bestehen, wenn die Prüfung das ergibt. Nach den aktuellen Prüfvorschriften der Deutschen Rentenversicherung Bund wird das ganz überwiegend der Fall sein. Es besteht also für Auftraggeber nach wie vor das Risiko, dass aus der vermeintlich selbstständigen Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung wird – mit der Folge einer Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer.

Wie geht es ab 2027 weiter?

Die gesetzliche Übergangsregelung lässt offen, wie die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Lehrkräften nach 2026 aussehen soll. Eine Änderung der Regelungen im SGB VI ist bisher nicht geplant. Der Bundesrat verweist lediglich auf die „besondere Situation und die herausragende gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Bildungsbereichs“ und stellt klar, dass die gesetzliche Neuregelung nur für einen begrenzten Zeitraum gelten wird.

Damit soll den Bildungseinrichtungen und Lehrkräften ausreichend Zeit gegeben werden, die notwendigen Umstellungen der Organisations- und Geschäftsmodelle vorzunehmen (Bundesratsdrucksache 38/25 zur Sitzung am 14.02.2025). „Umstellung der Organisations- und Geschäftsmodelle“ kann aber praktisch nur heißen, dass bisher selbstständige Lehrkräfte in eine Festanstellung übernommen werden. Das bedeutet höhere Kosten und finanziell weniger attraktive Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, insbesondere für nebenberuflich tätige.

Gilt die Übergangsregelung für alle Verträge?

Offen ist die Frage, ob die gesetzliche Übergangsregelung für alle Verträge gilt oder nur für solche, die den bis zur Änderung der BSG-Rechtsprechung geltenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit entsprachen. Vielfach bestand schon nach dem früheren Anforderungskatalog keine selbstständige Tätigkeit, weil die vertraglichen Vereinbarungen arbeitnehmertypische Regelungen enthielten (z. B. Ausfallhonorare oder Fortzahlungen im Krankheitsfall) oder nicht tatsächlich so gelebt wurden.

Gestaltungsmöglichkeit für gemeinnützige Einrichtungen

Gemeinnützige Auftraggeber können den Übungsleiterfreibetrag (3.000 Euro) nutzen. Das gilt aber nur für nebenberuflich tätige Lehrkräfte (maximal 14 Stunden pro Woche im Jahresschnitt). Bei höheren Vergütungen ist eine Kombination mit einem Minijob möglich (bis zu 6.672 Euro). Insgesamt kann so eine jährliche Vergütung von bis zu 9.672 Euro gezahlt werden, ohne dass mehr als pauschale Abgaben (30 Prozent) anfallen.

AUSGABE: VB 3/2025, S. 8 · ID: 50328222

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