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SozialversicherungLSG: Geringe Vergütungen für ehrenamtliche Tätigkeit sind nicht beitragspflichtig

Abo-Inhalt28.03.20257 Min. Lesedauer

| Geringe Vergütungen bei ehrenamtlichen Tätigkeiten sind kein Arbeitsentgelt, sondern bloße Aufwandsentschädigung. Sie sind deswegen nicht sozialversicherungspflichtig. Diese Aussage kommt vom Landessozialgericht (LSG) Hessen. VB stellt Ihnen die Details vor. |

Der Fall: Museumsverein zahlt fünf Euro pro Stunde

Im konkreten Fall hatte ein gemeinnütziger Verein, der ein Museum betreibt, vier Personen, die abwechselnd im Bereich des Einlasses und der Kasse tätig waren, fünf Euro pro Stunde bzw. 30 Euro pro Tag gezahlt. Es gab darüber zwischen dem Verein und den Beschäftigten lediglich eine mündliche Vereinbarung, bei der eine ehrenamtliche Tätigkeit unterstellt wurde.

Die Deutsche Rentenversicherung bewertete die Beträge, die über die Ehrenamtspauschale hinaus gingen, als Arbeitsentgelt. Dafür sollte der Verein Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Bei der Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status ließ die DRV die geringe Höhe der Zahlungen außer Acht und ging von einem Arbeitsverhältnis mit Weisungsbindung aus. Der Stundenlohn habe nicht an die konkrete Höhe bestimmter – tatsächlich entstandener – Sachaufwendungen angeknüpft und keinen Unterschied zu einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit erkennen lassen.

Dabei rechnete sie die Ehrenamtspauschale von damals 720 Euro als beitragsfrei an. Den darüber hinausgehenden Betrag behandelte sie als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, für das der jeweils gültige Mindestlohn zu berücksichtigen war. Der Verein argumentierte dagegen, die Tätigkeiten seien freiwillig und weisungsunabhängig erbracht worden. Es seien lediglich Aufwandsentschädigungen gezahlt worden, deren Höhe für etwaige Auslagen (insbesondere Fahrt- und Verpflegungsmehrkosten) angemessen gewesen sei. Es ging vor Gericht.

LSG Hessen verneint Beitragspflicht

Das LSG Hessen verneinte ebenso wie die Vorinstanz die Beitragspflicht (LSG Hessen, Urteil vom 23.01.2025, Az. L 1 BA 64/23, Abruf-Nr. 246866).

Daher rührt die besondere Bedeutung des Urteils

Das Urteil des LSG ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil

  • es in der bisherigen Rechtsprechung um Fälle ging, in denen die ehrenamtliche Tätigkeit im Rahmen spezieller Funktionen oder Ämter ausgeübt wurde (z. B. ehrenamtlicher Bürgermeister, Ortsvorsteher oder Kreishandwerkermeister oder satzungsmäßige Ämter in Vereinen);
  • es sich hier nicht um Tätigkeiten handelte, die im Rahmen mitgliedschaftlicher Vereinspflichten ausgeübt worden sind. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung stand deshalb die Ehrenamtlichkeit nicht im Zentrum, sondern war lediglich ein Aspekt der Gesamtbewertung.

Merkmale abhängiger Beschäftigung lagen zwar vor

Das LSG hatte keine Zweifel, dass nach den allgemeinen Abgrenzungsgrundsätzen eine abhängige Beschäftigung vorlag:

  • Die Ehrenamtler waren in die Arbeitsorganisation des Vereins eingebunden.
  • Sie unterlagen Weisungen bezüglich Arbeitszeit und konkretem Ablauf der Tätigkeiten.
  • Die Tätigkeit enthält kein unternehmerisches Risiko.

Wie das Gericht klarstellt, stand aber eine mögliche selbstständige Tätigkeit gar nicht zur Debatte.

Ehrenamtlichkeit war aber ausschlaggebendes Merkmal

Bewertungskriterium war hier vielmehr, ob eine Ehrenamtlichkeit vorlag und die ausgeübten Tätigkeiten damit gar nicht als abhängige Beschäftigung eingeordnet werden können. Ehrenamtliche Tätigkeit – so das LSG – erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und ihre Unentgeltlichkeit, während abhängige Beschäftigung regelmäßig durch Arbeitsentgelt geprägt ist.

Nach Auffassung des Gerichts traf hier ersteres zu. Es standen überwiegend altruistische Motive im Vordergrund. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Betrachtung der Betroffenen an, sondern auf allein auf eine objektive Einordnung.

Die Tätigkeit wurde nach Auffassung des LSG unentgeltlich ausgeübt. Mit der Bezahlung sollten lediglich Fahrtkosten und Verpflegung abgegolten werden. Während ein konkreter Ersatz entstandener Aufwände für eine Tätigkeit generell nicht als Entgelt einzuordnen wäre, bedarf ein pauschalierender Aufwandsersatz aber einer differenzierten Einzelfallbetrachtung. Die Kosten der An- und Heimfahrt und die Kosten des Verpflegungsbedarfs wurden nicht ermittelt, bemessen und dann individuell ersetzt. Die Zahlung erfolgte stattdessen pauschal mit fünf Euro pro Tätigkeitsstunde bzw. 30 Euro pro Tätigkeitstag (sechs Stunden) für jede der betroffenen Personen.

Wann pauschaler Aufwandsersatz nicht als Entgelt gilt

Bei pauschalen Aufwandsentschädigungen muss – so das LSG – die Berechnungsgrundlage dahingehend geprüft werden, ob sie dem Grundgedanken der Entschädigung für aufgewendete Zeit usw. entspricht. Fehlt es an nachvollziehbaren Begründungen und geht der geleistete Geldbetrag erkennbar über den getätigten Aufwand hinaus, liegt eine abhängige Beschäftigung vor.

Gegen eine bloße Aufwandsentschädigung und für die Einordnung als verdeckte Entlohnung sprach, dass bei den stundenweise ermittelten und damit zeitlich-linear anwachsenden Zahlungen keine Entsprechung zwischen dem behaupteten Aufwand und der Aufwandsentschädigung besteht. Das LSG betrachtet dabei die einzelnen Aufwendungen, die eine Einordnung der Zahlungen als bloße Aufwandsentschädigung erlauben.

  • Fahrtkosten: Sie hängen von der tatsächlich gefahrenen Strecke zum Einsatzort ab. Eine stundenbezogene Zahlung als Fahrtkostenersatz zu behandeln, ist deswegen grundsätzlich problematisch. Zum einen waren die Fahrtkosten gleich hoch – unabhängig von der täglichen Arbeitszeit. Zum anderen waren die Fahrtstrecken bei jedem Ehrenamtler unterschiedlich – und konnten damit nicht über denselben Pauschalansatz adäquat entschädigt werden.
  • Wichtig | Das LSG hat klargestellt, dass arbeitszeitbezogene Zahlungen regelmäßig nicht als pauschaler Aufwandsersatz behandelt werden können. Dass hier eine Ausnahme gemacht und eine Aufwandsentschädigung angenommen wurde, lag daran, dass die Höhe der Zahlung so gering war.
  • Verpflegung: Der Verpflegungsbedarf hängt dagegen von der täglichen Arbeitszeit ab. Hier berücksichtigte das LSG, dass die tägliche Arbeitszeit jeweils sechs Stunden betrug. Eine einheitliche und pauschale – tageweise berechnete – Abgeltung des Verpflegungsaufwands war also sachgerecht.

Aufwand der Einzelerfassung darf nicht zu hoch sein

Dabei stellt das Gericht auch in Rechnung, dass der Verein keine Buchhaltungskräfte beschäftigte bzw. eine aufwandsbezogene externe Erfassung den Wert der ausgezahlten Zuwendungen überstiegen hätte.

Zahlung war keine adäquate Gegenleistung für die Tätigkeit

Die faktische Unentgeltlichkeit der Tätigkeit machte das LSG aber am niedrigen Stundenlohn fest. Sie blieb deutlich hinter einer angemessenen Gegenleistung für die Tätigkeit zurück. Es handelte sich um Tätigkeiten mit erhöhtem Verantwortungsumfang, wie die Verwaltung der Tageseinnahmen und die Öffnung und Schließung des Museums mit seiner museal und finanziell wertvollen Ausstattung.

Eine Vergütung von fünf Euro pro Arbeitsstunde entsprach im Jahr 2017 keinem adäquaten Arbeitsentgelt für diese Tätigkeit. Sie lag nämlich erheblich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns von damals 8,50 Euro bzw. 8,84 Euro pro Stunde.

Überschreitung der Ehrenamtspauschale spielt keine Rolle

Dass die Zahlungen die Ehrenamtspauschale überschritten, spielte für das LSG keine Rolle. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die Freibeträge nach § 3 Nr. 26 und 26a EStG sind kein sozialversicherungsrechtliches Arbeitsentgelt. Daraus entstehen deswegen keine Folgen für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung höherer Zuwendungen.

Keine prekäre Beschäftigung

Es lag auch keine prekäre Beschäftigung vor, die den Schutzzweck der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen unterlaufen würde. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist es aus Sicht des Gerichts grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird. Anders beim Schutzweck des Sozialversicherungsrechts. Die betroffenen Personen hatten aber eine anderweitige Sicherung ihres Lebensunterhalts, womit ein Missbrauchsfall ausgeschlossen werden konnte.

Mindestlohn-Thematik stellte sich mangels Vergütung nicht

Weil es keine Vergütung, sondern nur einen sozialversicherungsfreien Aufwandsersatz annahm, musste sich das LSG auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob für die Gesamtvergütung der Mindestlohn anzusetzen ist, soweit die Freibeträge überschritten sind.

So wäre der Fall steuerlich zu behandeln

Das LSG hat sich nur damit beschäftigt, wie die Zahlungen sozialversicherungsrechtlich zu bewerten sind. Das Ergebnis ist nicht automatisch auf die steuerliche Einordnung zu übertragen.

Nur echter Aufwandsersatz ist steuerfrei

Zahlungen sind also nicht automatisch auch steuerfrei, wenn die Obergrenzen der Ehrenamtspauschale überschritten sind. Während echter Aufwandsersatz steuerfrei ist, sind weitere Zahlungen selbst dann steuerpflichtig, wenn sie als pauschale Aufwandsentschädigung deklariert werden.

Sonstige Einkünfte nach § 22 EStG?

Es handelt sich dann meist oft um sonstige Einkünfte nach § 22 EStG. Das setzt aber voraus, dass

  • (wie im vorliegenden Fall) weder ein Arbeitsverhältnis vorliegt
  • noch eine Gewinnerzielungsabsicht besteht (das würde eine Einordnung als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb bedeuten).

Die Voraussetzungen für sonstige Einkünfte sind gegeben, wenn der Ehrenamtliche nur eine geringe Vergütung erhält oder Aufwandsersatz gezahlt bekommt, der geringfügig über seine tatsächlichen Aufwendungen hinausgeht. Für sonstige Einkünfte gilt eine Freigrenze von 256 Euro im Jahr (§ 22 Nr. 3 EStG). Freigrenze heißt, dass alle Einkünfte steuerfrei sind, wenn dieser Betrag nicht überschritten wird. Wird er aber überschritten, ist der gesamte Betrag steuerpflichtig.

Die Finanzverwaltung hat wiederholt bestätigt, dass Zahlungen an Ehrenamtliche als sonstige Einkünfte gelten. Das ist z. B. der Fall bei

  • Rettungsschwimmern im vorbeugenden Wasserrettungsdienst (OFD Frankfurt, Schreiben vom 14.05.2014, Az. S 2257 A – 11 – St 220),
  • Aufwandsentschädigungen für Amateur-Schiedsrichter (OFD Karlsruhe, Verfügung vom 18.06.2009, Az. S 2255/194 B – St 116),
  • Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer (LfSt Bayern, Schreiben vom 30.12.2008, Az. S 2337.1.1 – 2/3 St 32/St 33).
Fazit | Das Urteil des LSG Hessen stellt eine wichtige Fortentwicklung der Rechtsprechung dar, weil es erstmals klarstellt, dass geringe Stundenvergütungen, wie sie im gemeinnützigen Sektor verbreitet sind, sozialversicherungsfrei sein können. Zugleich hat das Gericht Kriterien dafür aufgestellt. Das Urteil zeigt aber auch, dass stundenbezogene Vergütungen grundsätzlich gegen bloßen Aufwandsersatz sprechen. Vereine sollten deswegen nach Möglichkeit die tatsächlichen Aufwendungen erfassen, wenn die jährlichen Zahlungen die Ehrenamts- bzw. Übungsleiterpauschale überschreiten. Vielleicht sorgt auch das BSG für eine höchstrichterliche Klärung dieser Zweifelsfragen. Das LSG hat die Revision jedenfalls zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

AUSGABE: VB 4/2025, S. 11 · ID: 50362275

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