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VereinsrechtSatzungsgestaltung: Kann das Mitgliederstimmrecht faktisch aufgehoben werden?
| Die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder können per Satzung eingeschränkt werden. Ist es aber möglich, sie faktisch ganz auszuhebeln? VB zeigt Ihnen anhand eines Beispielfalls, wie weit die Gestaltungsmöglichkeiten hier gehen. |
Inhaltsverzeichnis
- Beispielfall: So kann sich die faktische Aufhebung gestalten
- Der Verein als gestaltbare Rechtsform – Wo liegen Grenzen?
- Darf das Bestellrecht der Mitglieder eingeschränkt werden?
- Ist die automatische Stimmrechtsübertragung möglich?
- Können sich Organmitglieder selbst wählen?
- Diese Lehre ergibt sich aus dem Fall für die Vereinspraxis
Beispielfall: So kann sich die faktische Aufhebung gestalten
Im Fall geht es um einen Timesharing Verein. Der Vereinszweck ist, Ferienwohnrechte für Mitglieder bereitzustellen. Der Verein hat eine entsprechende Immobilie errichtet, die durch Einlagen und laufende Zahlungen der Mitglieder finanziert und unterhalten wird. In seiner Gründungssatzung hat er wenigen Gründungsbeteiligten die faktische Durchsetzung ihrer Interessen ermöglicht. Dazu enthält die Satzung folgende Regelungen:
Satzung / Die Gestaltung im Beispielfall |
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Die Gestaltung zeigt erhebliche Raffinesse: Sie hebelt die Mitgliedermitbestimmung nicht grundsätzlich aus. Aber es wird sich das Faktum zunutze gemacht, dass nur ein geringer Teil der Mitglieder an den Versammlungen teilnehmen wird. Denn die über 500 Mitglieder des Vereins leben in ganz Deutschland verteilt. In der Regel nehmen nur rund zehn Prozent von ihnen an den Mitgliederversammlungen teil.
Dadurch hat der Treuhänder faktisch immer die Stimmmehrheit in der Mitgliederversammlung – meist sogar die satzungsändernde Mehrheit. Denn er vertritt die nicht anwesenden Mitglieder und hat damit ihr Stimmrecht. Die tatsächlich anwesenden Mitglieder sind bei Abstimmungen dann regelmäßig in der Minderheit. Zwar wird der Treuhänder theoretisch von der Mitgliederversammlung gewählt. Da er aber aufgrund der Abwesenheit vieler Mitglieder in den Versammlungen mindestens die einfache Stimmmehrheit hat, kann er nicht abgewählt werden, bzw. bestimmt seinen Nachfolger. Aber ist das noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen?
Der Verein als gestaltbare Rechtsform – Wo liegen Grenzen?
Vereine sind eine organisatorisch weitgehend gestaltbare Rechtsform. Das ergibt sich aus § 40 BGB. Die Norm erlaubt für wichtige gesetzliche Vorgaben des zivilen Vereinsrechts eine abweichende Gestaltung durch die Satzung. Die Rechtsform Verein darf aber nicht in ihrem Kern ausgehöhlt werden.
Das bedeutet der Grundsatz der Vereinsautonomie
In Rechtsprechung und Rechtslehre bildet sich das im Begriff „Vereinsautonomie“ ab. Gesetzlich verankert ist der Begriff nicht. Vereinsautonomie bedeutet, dass die Konstituierung und Organisation des Vereins sowie die Wahrnehmung der Vereinsangelegenheiten auf den Willen der Vereinsmitglieder zurückgeführt werden muss. Der Verein als Rechtsform ist ein von der Mitbestimmung und Mitgestaltung der Mitglieder getragener Personenverband. Satzungsregelungen, die diesem Charakter zuwiderlaufen, sind unzulässig.
Diese Folge hat die Vereinsautonomie für die Mitgliedermitbestimmung
Für die Mitgliedermitbestimmung folgt daraus zweierlei:
- Das Selbstverwaltungsrecht gibt dem Verein die Möglichkeit, die innere organisatorischen Gestaltung weitgehend frei zu bestimmen und dabei auch Rechte der Mitglieder(-versammlung) zu beschneiden.
- Die Willensbildung der Mitglieder darf aber nicht fast vollständig beschränkt werden.
Die Rechte der Vereinsmitglieder dürfen also in einer Satzung nicht dergestalt eingeschränkt sein, dass die Mitglieder von den wesentlichen Entscheidungen des Vereins ausgeschlossen sind. Maßstab für die rechtliche Bewertung ist, dass der Verein ein Zusammenschluss zur gemeinsamen Verfolgung eines bestimmten Zwecks durch alle seine Mitglieder sein sollte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2021, Az. I-3 Wx 67/20, Abruf-Nr. 246045).
Darf das Bestellrecht der Mitglieder eingeschränkt werden?
Nach § 27 Abs. 1 BGB ist die Mitgliederversammlung für die Bestellung des Vorstands zuständig. Davon kann die Satzung aber abweichen (§ 40 BGB). Nicht eingeschränkt werden kann aber das Recht der Mitgliederversammlung, den Vorstand abzuberufen.
Wichtig | Hat die Mitgliederversammlung nicht das Bestellrecht, kommt der Abberufungsmöglichkeit aber praktisch kaum Bedeutung zu.
Die Bestellung des Vorstands kann per Satzung auf ein anderes Organ übertragen werden. Ohne Weiteres zulässig ist das, wenn dieses Organ wiederum von der Mitgliederversammlung gewählt wird, z. B. eine Delegiertenversammlung oder ein Aufsichtsrat. Es spricht also vereinsrechtlich nichts dagegen, dass – wie im vorliegenden Fall – ein Vorstandsmitglied durch den Treuhänder bestellt wird, wenn der wiederum von der Mitgliederversammlung gewählt wird.
Die Satzung kann auch Mitgliedern ein Sonderrecht bei der Bestellung des Vorstands einräumen. Ein solches Sonderrecht kann aber nach § 35 BGB nur Mitgliedern gewährt werden. Dass also im Beispielsfall ein Vorstandsmitglied durch das Mitglied mit den meisten Ferienwohnrechten bestimmt wird, ist vereinsrechtlich zulässig. Zumal auf diese Weise nur eines von drei Vorstandsmitgliedern bestellt wird. Das gilt umso mehr, als das Mitglied nicht namentlich bestimmt ist. Andernfalls wäre eine solche Satzungsregelung problematisch, denn das betreffende Mitglied kann ja aus dem Verein ausscheiden.
Ist die automatische Stimmrechtsübertragung möglich?
Die Frage ist, ob eine automatische Stimmrechtsübertragung an den Treuhänder wie im Beispielsfall zulässig ist. Generell gilt, dass das Stimmrecht persönlich ausgeübt werden muss und nur an andere Personen übertragen werden kann, wenn die Satzung das ausdrücklich regelt. Eine bestimmte Form muss die Bevollmächtigung nicht haben, soweit die Satzung das nicht vorschreibt. Die Vollmacht kann sowohl dem Vertreter als auch dem Verein gegenüber erteilt werden. Möglich ist auch eine Bevollmächtigung durch schlüssiges Handeln oder eine sogenannte Duldungsvollmacht.
Vor diesem Hintergrund spricht nichts gegen eine automatische Stimmrechtsübertragung. Denn durch den Vereinsbeitritt unterwirft sich das Mitglied den Satzungsregelungen, auch wenn es sie im Einzelnen nicht kennt. Die Vollmacht gilt hier dem Verein gegenüber erklärt und ist damit wirksam.
Zwar lässt sich einwenden, dass damit einzelne Mitglieder den Verein faktisch dominieren. Das ist aber durch das Prinzip der Satzungsautonomie gedeckt. Die Rechtsprechung argumentiert hier, dass die Mitgliedschaft freiwillig ist und niemand gezwungen ist, einem Verein anzugehören, dessen Verfassung ihm nicht zusagt (OLG Celle, Beschluss vom 18.10.1994, Az. 20 W 20/94).
Praxistipp | Tritt man einem Verein bei, dessen Mitgliedschaft – wie im Beispielsfall – erhebliche Einlagen und laufende Beiträge mit sich bringt, sollte man die Satzung vor Beitritt gründlich prüfen. |
Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit sind jedoch überschritten,
- wenn die Geschicke des Vereins in jeder Hinsicht praktisch ausschließlich von bestimmten Mitgliedern gestaltet werden,
- auf deren Bestellung und Kontrolle die übrigen Mitglieder keinen Einfluss haben und
- wenn auch sonst irgendeine nennenswerte Mitwirkung bei der Willensbildung des Vereins über die Mitgliederversammlung von vornherein ausgeschlossen ist (OLG Celle, Beschluss vom 18.10.1994, Az. 20 W 20/94).
Das ist hier aber nicht der Fall. Bei entsprechender Beteiligung an der Mitgliederversammlung könnten die Mitglieder den Treuhänder abberufen und neu wählen (ggf. über die Einberufung per Minderheitenbegehren). Damit hätten sie auch Einfluss auf die Bestellung von zwei der drei Vorstandsmitglieder.
Können sich Organmitglieder selbst wählen?
Es spricht nichts dagegen, dass der Treuhänder sich selbst in die Stellung als Treuhänder wählt. Das Stimmverbot des § 34 BGB greift nämlich nicht bei der Wahl der Organe. Ein Vorstandsmitglied oder anderes Organmitglied – wie hier der Treuhänder – kann sich also selbst in das Amt wählen. Die Nutzung des übertragenen Stimmrechts ist dabei zulässig. Ein Insichgeschäft nach § 181 BGB besteht nicht, wenn ein Mitglied sich selbst als Organ wählt. Ausgenommen ist aber die Abberufung des Organmitglieds aus wichtigem Grund. Hier kann das Mitglied weder selbst abstimmen noch auf ihn übertragene Stimmen nutzen.
Aber: Es gibt in der Gestaltung der Satzung eine Lücke, die den Mitgliedern die Einflussnahme auf die Wahl des Treuhänders bietet. Das Stimmverbot des § 34 BGB greift nämlich, wenn es nicht nur um die Bestellung eines Organmitglieds geht, sondern mit dem Amt ein Dienstvertrag verbunden ist. Wird ein Mitglied in ein bezahltes Amt gewählt, darf es weder selbst mit abstimmen noch andere Mitglieder dabei vertreten. Die erteilten Stimmvollmachten sind also insoweit unwirksam. Hier geht es nämlich nicht allein um das vereinsrechtliche Mitbestimmungsrecht, sondern um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, für das das Stimmverbot des § 34 BGB bzw. das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB gilt.
Da im Beispielsfall der Treuhänder ein Organ ist, das für seine Tätigkeit bezahlt wird, kann er weder sich selbst wählen noch die automatisch übertragenen Stimmrechte der nicht anwesenden Mitglieder für seine Wahl einsetzen.
Diese Lehre ergibt sich aus dem Fall für die Vereinspraxis
Die Satzung eines Vereins ist aufgrund der Satzungsautonomie frei gestaltbar. Aber eine grundsätzliche Aushebelung von Mitbestimmungsrechten der Mitglieder durch die Satzung ist nicht möglich – wohl aber eine Reduzierung der Einflussnahme der Mitglieder. Zunutze machen können sich Interessengruppen und Einzelpersonen im Verein dabei, dass die tatsächliche Mitgliederbeteiligung (durch Teilnahme an der Mitgliederversammlung) oft gering ist.
Eine Grenze der Gestaltungsfreiheit der Satzung ist § 34 BGB: Geht es um wirtschaftliche Vorteile, die mit einem Amt verbunden sind, gilt für die Wahl das Stimmverbot des § 34 BGB. Diese Regelung zum Ausschluss von Interessenkollisionen kann durch die Satzung nicht eingeschränkt werden.
- Beitrag „Vereinsautonomie: Wie weit darf ein Verein von einer einzelnen Person beherrscht werden?“, VB 12/2021, Seite 16 → Abruf-Nr. 47828975
AUSGABE: VB 2/2025, S. 20 · ID: 50295562