Umsatzsteuer
Kostenteilungsgemeinschaft: BFH erweitert Anwendungsbereich
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UmsatzsteuerBFH erweitert Anwendung der umsatzsteuerlichen Organschaft im gemeinnützigen Bereich
| Durch eine Regelung der Finanzverwaltung stand bisher in Frage, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft auch dann besteht, wenn die Leistungen in den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers erbracht werden. Ein Urteil des BFH hat hier jetzt Rechtssicherheit für gemeinnützige Organträger geschaffen. VB macht Sie mit der BFH-Entscheidung vertraut und zeigt Ihnen, warum sie für die Installation umsatzsteuerlicher Organschaften im gemeinnützigen Bereich förderlich ist. |
Die Bedeutung der umsatzsteuerlichen Organschaft
Aus organisatorischen oder steuerlichen Gründen werden wirtschaftliche Tätigkeiten von gemeinnützigen Körperschaften nicht selten auf eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Dadurch kann es aber zu einer Umsatzsteuerbelastung der Leistungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft kommen.
Der Anfall von Umsatzsteuer lässt sich allerdings vermeiden, wenn zwischen den Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis besteht. Die Organschaft ist von Vorteil, wenn die gemeinnützige Mutterkörperschaft (Organträger) nur steuerfreie oder nicht steuerbare Ausgangsumsätze tätigt und deswegen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (weil dann die Kostenbelastung durch die nicht abzugsfähige Vorsteuer entfällt). Bei dieser umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 UStG werden die Leistungen der Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) an die Muttergesellschaft als Innenumsätze behandelt und bleiben deswegen steuerfrei.
Drei Voraussetzungen für die Organschaft
Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft nur vor, wenn eine juristische Person finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in ein Unternehmen eingegliedert ist (UStAE, Abschnitt 2.8).
Kriterium „finanzielle Eingliederung“
Eine finanzielle Eingliederung setzt den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft voraus. Dadurch kann der Organträger per Mehrheitsbeschluss seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen. Entsprechen die Beteiligungsverhältnisse den Stimmrechtsverhältnissen, ist für die finanzielle Eingliederung eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent erforderlich.
Kriterium „organisatorische Eingliederung“
Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann.
Kriterium „wirtschaftliche Eingliederung“
Wirtschaftliche Eingliederung bedeutet, dass die Organgesellschaft in engem wirtschaftlichem Zusammenhang im Rahmen des Gesamtunternehmens tätig ist. Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eingliederung ist, dass die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft dem unternehmerischen Bereich des Anteilseigners zugeordnet werden kann.
Organträger: Nichtunternehmerische Tätigkeit schädlich?
Nach dieser Auffassung wäre eine umsatzsteuerliche Organschaft nicht möglich, wenn der Organträger nicht unternehmerisch tätig ist, bzw. die Innenleistungen der Organgesellschaft nicht für dessen nichtunternehmerischen Bereich erbracht werden. Die Folge wäre, dass die Organgesellschaft die Leistungen an den Organträger mit Umsatzsteuer berechnen muss. Das würde zu einer höheren Kostenbelastung des Organträger führen, wenn er nicht vorsteuerabzugsfähig ist.
Nach dieser Ansicht der deutschen Finanzverwaltung kann eine gemeinnützige GmbH wegen fehlender Unternehmereigenschaft nicht Mitglied der Organschaft werden und damit nicht von steuerbefreiten Innenumsätzen profitieren. Konzerninterne Dienstleistungen wären dann mit höheren Kosten verbunden.
Um diesen Fall ging es beim BFH
Im vom BFH entschiedenen Verfahren hielt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) 51 Prozent der Anteile einer GmbH. Es stand fest, dass KdöR und GmbH zusammen eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bildeten. Die GmbH erbrachte Reinigungsdienstleistungen an die KdöR für ein Gebäude, das die KdöR sowohl für unternehmerische als auch für hoheitliche Zwecke nutzte. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Reinigungsleistungen für den Hoheitsbereich der KdöR einer unternehmensfremden Tätigkeit gedient hätten und daher als eine unentgeltliche Wertabgabe zu behandeln waren.
So entschied der BFH
Der BFH hat zur Frage der Organschaft in insgesamt drei Fällen den EuGH angerufen und in einem abschließenden Urteil festgestellt, dass die umsatzsteuerliche Organschaft auch für Leistungen in den nichtunternehmerischen Bereich gilt und keine Entnahmebesteuerung bei der Organgesellschaft erfolgt (BFH, Urteil vom 29.08.2024, Az. V R 14/24, Abruf-Nr. 245232).
Keine Besteuerung bei außerunternehmerischen Zwecken
Der BFH stellt klar, dass bei Vorliegen einer Organschaft entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, nicht steuerbar sind. Das gilt auch dann, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf. Entgeltliche Leistungen einer Organgesellschaft an ihren Träger sind also auch dann nicht steuerbar, wenn der Organträger diese für außerunternehmerische Zwecke (nichtwirtschaftliche Tätigkeiten) verwendet.
Der BFH bezieht den Begriff „nichtwirtschaftliche Tätigkeiten“ dabei ausdrücklich auf Abschn. 2.3 Abs. 1a S. 4 UStAE. Dort werden neben hoheitlichen Tätigkeiten speziell auch „unentgeltliche Tätigkeiten eines Vereins, die aus ideellen Vereinszwecken verfolgt werden“ einbezogen. Liegen die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG genannten Voraussetzungen für eine Organschaft vor, übt die Organgesellschaft ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig aus. Es kommt dabei – so der BFH – nicht darauf an, wie der Organträger die von der Organgesellschaft erbrachten Leistungen verwendet.
Das steht nach Auffassung des BFH auch im Einklang mit dem Unionsrecht. Der EuGH habe die Nichtsteuerbarkeit der Innenleistung damit begründet, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden kann. Diese Nichtsteuerbarkeit steht auch nicht unter dem Vorbehalt des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger (EuGH, Urteil vom 11.07.2024, Rs. C-184/23, Abruf-Nr. 242640, „Finanzamt T II“).
Keine Entnahmebesteuerung
§ 3 UStG regelt drei Fälle, in denen unentgeltliche Wertabgaben der Umsatzbesteuerung unterliegen. Das sind
- die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (Abs. 1b Nr. 1),
- die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (Abs. 9a Nr. 1),
- die unentgeltliche Erbringung einer anderen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (Abs. 9a Nr. 2).
In allen Fällen werden diese Entnahmen wie ein Entgelt behandelt, sind also steuerbar. Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass unter Vorsteuerabzug bezogene Leistungen bei nichtunternehmerischer Verwendung unversteuert bleiben. Diese Regelungen gelten nach Auffassung des BFH aber nicht für Leistungen der Organgesellschaft an den Organträger. Aus den EuGH-Urteilen vom 01.12.2022 (Rs. C-269/20, Abruf-Nr. 232749) und 11.07.2024 (Rs. C-184/23, Abruf-Nr. 242640) folgt, dass es sich bei den Leistungen der Organgesellschaft an den Träger um entgeltliche und zugleich als Innenumsatz nicht steuerbare Leistungen handelt.
Fazit | Für Non-Profit-Organisationen eröffnen sich mit dieser Rechtsprechung Gestaltungsspielräume. Durch die Bildung einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft können Leistungen in die nichtunternehmerische Sphäre ohne Umsatzsteuerbelastung verrechnet werden. Das macht Ausgliederungen auf Tochtergesellschaften interessant, weil die Umsatzsteuer bei Leistungen in den nichtunternehmerischen Bereich nicht mehr als Kostentreiber wirkt. Das ist auch deswegen von Bedeutung, weil solche Kooperations- und Holdingmodelle seit 2020 auch gemeinnützigkeitsrechtlich begünstigt sind (§ 57 Abs. 3 und 4 AO). |
AUSGABE: VB 2/2025, S. 14 · ID: 50299209