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UmsatzsteuerNeu aus dem BMF: So werden Liveübertragungen und Aufzeichnungen steuerlich behandelt
| Auch gemeinnützige Organisationen bieten Veranstaltungen im Bereich Kunst- und Kultur, Bildung und Sport zunehmend nicht nur in Präsenz, sondern auch über das Internet an. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen anwendbar sind. Das betrifft vor allem Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kunst und Kultur sowie Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen, bei denen ebenfalls eine Steuerbefreiung möglich ist. Die Antworten finden sich in einem aktuellen BMF-Schreiben, mit dem das BMF auch den UStAE entsprechend angepasst hat. |
Vorproduzierte Inhalte
Die Bereitstellung von (vorproduzierten) Aufzeichnungen einer Veranstaltung in digitaler Form, die durch den Empfänger individuell zu einem späteren festen oder frei wählbaren Zeitpunkt abgerufen werden können und ausschließlich über das Internet o. ä. übertragen werden, ist eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung. Für solche Aufzeichnungen kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG (für kulturelle Veranstaltungen) nicht in Betracht.
Ebensowenig gilt der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG, weil Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen, davon ausgenommen sind (BMF, Schreiben vom 29.04.2024, Az. III C 3 – S 7117-j/21/10002 :004, Abruf-Nr. 241705).
Live-Streaming
Für Live-Streaming-Angebote von Veranstaltungen ist die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a und b UStG anwendbar, wenn die Voraussetzungen auf Seiten des Anbieters vorliegen, d. h. er die entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde besitzt. Entscheidend ist hier die Interaktion mit dem Publikum, die neben verschiedenen Bekundungen wie Beifall, Zugabe etc. (ggf. auch über Button-Funktionen oder soziale Netzwerke) aber auch im bloßen Zuhören bestehen kann und ausschließlich in Echtzeit stattfindet.
Sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt, ist eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG möglich. Nach dieser Vorschrift sind u. a. Eintrittsgelder für Theater, Konzerte und Museen begünstigt sowie für Filmvorführungen und die Einräumung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz.
Dienstleistungskommission
Gerade bei Musikveranstaltungen (Konzerte, Orchesteraufführungen etc.) kommt es vor, dass deren digitale Bereitstellung (als Live-Stream oder als Aufzeichnung) auch über externe Veranstaltungsportale oder andere Dritte erfolgt. Hier kann eine Dienstleistungskommission im Sinne des § 3 Abs. 11 oder Abs. 11a UStG vorliegen. Nach dieser Regelung gilt: Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung umsatzsteuerlich als an ihn und von ihm erbracht.
Für den Dienstleister gilt dann die gleiche umsatzsteuerliche Behandlung; so etwa die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG.
Beispiel |
... wird Dienstleister wie Veranstalter behandelt Der Streamingdienst übernimmt auch das Ticketing für die Veranstaltung. Es gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen, die auch für den Veranstalter selbst gelten. |
Gemischte Angebote
Oft wird dem Nutzer neben der Liveübertragung die Möglichkeit geboten, später zusätzlich auf die Aufzeichnung zuzugreifen. Für die umsatzsteuerliche Behandlung eines solchen gemischten Angebots gelten die allgemeinen Regelungen. Es kann sich also bei der Aufzeichnung um eine selbstständige, getrennt zu beurteilende Leistung handeln oder um eine einheitliche Leistung, bei der Live-Stream und Aufzeichnung identisch besteuert werden.
Die Frage ist also: Werden zwei selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbracht? Entscheidend ist dabei der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen. In der Regel ist jede Leistung als selbstständige Leistung zu betrachten. Zur Abgrenzung nennt das BMF folgende Grundsätze:
- Bei der kombinierten Bereitstellung eines Live-Streams und einer Aufzeichnung, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann, handelt sich um eine Leistung eigener Art, die insgesamt dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Eine Aufteilung des Entgelts ist nicht zulässig.... hängt die umsatzsteuerliche Behandlung ...
- Werden Live-Streams und Aufzeichnung getrennt berechnet (etwa durch einen Aufpreis für die Aufzeichnung), liegen zwei selbstständige Leistungen vor, die getrennt behandelt werden. Hier ist nämlich der Live-Stream weder untrennbar mit der Aufzeichnung verbunden noch stellt er ein Mittel dar, um diese unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.... von der konkreten Ausgestaltung ab
- Liegen selbstständige Hauptleistungen mit unterschiedlicher Besteuerung vor, für die ein einheitliches Nutzungsentgelt erhoben wird, muss das Entgelt auf die einzelnen Leistungen aufgeteilt werden.
- Ist der Abruf einer Aufzeichnung nur durch Zahlung eines Aufschlags auf den ohnehin fälligen Preis möglich, können die Beträge den Leistungen eindeutig zugeordnet werden. Eine Aufteilung ist dann nicht erforderlich.
Bildungsveranstaltungen
Diese Regelungen gelten lt. BMF auch für andere Online-Dienstleistungsangebote, speziell auch im Bildungsbereich. Für Bildungsangebote können dann die einschlägigen Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 21 und Nr. 22 UStG gelten, wenn die Unterrichtsleistung im Rahmen eines Live-Streaming-Angebots interaktiv erbracht wird und die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
Wichtig | Das BMF betrachtet also nur Bildungsangebote mit Live-Teilnahme als Bildungsveranstaltung im Sinn dieser Befreiungsregelungen, nicht aber die Aufzeichnungen.
Gesundheitsberatung
Im Gesundheitsbereich können Online-Sprechstunden per Video-Stream mit einem direkten Austausch zwischen dem Patienten und dem Arzt nach § 4 Nr. 14 UStG als Heilbehandlungsleistungen umsatzsteuerfrei sein. Auch hier müssen dazu die weiteren einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sein.
Steuerermäßigung für Zweckbetriebe
Streaming-Angebote und entsprechende Aufzeichnungen können auch nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a – als Zweckbetriebe – dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Darauf geht das BMF aber nicht ein. Es fehlen bisher auch andere Vorgaben der Finanzverwaltung dazu. Grundsätzlich wird hier gelten:
Praxistipp | Hier sollten Sie mit dem Finanzamt Rücksprache halten, weil es bisher keine einschlägigen Verwaltungsanweisungen der Bundes- oder Landesfinanzverwaltungen gibt. |
- Die Liveübertragung von Sportveranstaltungen wird genauso zu behandeln sein wie das Eintrittsgeld. Sie wird also bei Amateurveranstaltungen dem Zweckbetrieb zugeordnet und unterliegt dem ermäßigten Steuersatz.
- Bei Bildungseinrichtungen ist nach § 68 Nr. 8 AO nur die eigene Durchführung von Vorträgen, Kursen und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art ein Zweckbetrieb, der ermäßigt besteuert wird. Das gilt dann auch für entsprechenden Online-Angebote, die live und interaktiv durchgeführt werden. Aufzeichnungen werden nicht darunter fallen. Entgelte dafür können aber ein allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO sein.Das ergibt die Auslegung für den Sport-, Bildungs- und Kulturbereich
- Für Kulturveranstaltungen gilt regelmäßig der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG – auch für die Live-Übertragung. Hier kommt es also auf die Steuerermäßigung für Zweckbetriebe nicht mehr an. Einnahmen aus Aufzeichnungen werden regelmäßig kein Zweckbetrieb sein, weil das Konkurrenzverbot des § 65 AO nicht erfüllt sein dürfte.
AUSGABE: VB 8/2024, S. 11 · ID: 50109133