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Subjektbezogener SchadenbegriffVorteilsausgleichsabtretungen, ohne zu wissen warum – neue Methode eines großen Versicherers

Abo-Inhalt20.01.20251785 Min. Lesedauer

| Eine Methode des Marktführers in der Kraftfahrtversicherung führt zu vielen Fragen aus der Anwaltschaft: Er zahlt unter Rückforderungsvorbehalt ungekürzt die Reparaturkosten. Parallel übersendet er sein Formular der Vorteilsausgleichsabtretung mit Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung. Er lässt jedoch in keiner Weise erkennen, welche Teilbeträge er für überzogen oder anderweitig unberechtigt hält. Inzwischen sind Vorgänge bekannt, bei denen die nicht erfolgte Rücksendung des Formulars tatsächlich zu Rückforderungen beim Geschädigten selbst führt. |

1. Die typischen Abwehrreaktionen der Geschädigten

„Das geht doch so nicht“, ist der Tenor vieler anwaltlicher Rückfragen. „Die müssen doch mindestens sagen, was sie stört, damit das im Vorfeld vorsichtshalber überprüft werden kann.“ Und: „Wenn die Abtretung nicht der Höhe nach begrenzt ist, kann der Versicherer ja machen, was er will …“. Oder etwas juristischer: „Ist eine solche unbezifferte Abtretung dann nicht zu unbestimmt?“

2. Die Bestimmbarkeit der Abtretung

Eine Abtretung muss nicht betragsbeziffert sein. Denn der Sprachgebrauch von der „Bestimmtheit“ der Abtretung ist zu eng, es geht um die „Bestimmbarkeit“.

Immerhin sind die Abtretungen „vorn“, also die der Schadenersatzansprüche des Geschädigten an den Schadendienstleister, auch nie beziffert. Dazu der BGH: „Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt ist, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist.“ (BGH 7.6.11, VI ZR 260/10, Rn. 6, Abruf-Nr. 112299).

Das ergibt sich auch aus einer weiteren Entscheidung des BGH: „Eine Abtretung ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist. Dies ist der Fall, weil nach dem Wortlaut der Abtretung vom 28.8.08 nur die Schadenersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten nach dem konkret benannten Schadensereignis abgetreten wurde. Eine Bezifferung des Schadenersatzanspruchs war im Zeitpunkt der Abtretungserklärung weder möglich noch erforderlich.“ (BGH 11.9.12, VI ZR 296/11, Rn. 10, Abruf-Nr. 123212).

Misst man das an den Regressfällen, ist die Abtretung von (unbezifferten) Ansprüchen wegen überzahlten Werklohns ausreichend bestimmbar. Zwar wäre die Bezifferung möglich, aber siehe oben: „… weder möglich noch erforderlich.“

3. Die Begründetheit der Klage

Der Rest ist im Regressprozess des Versicherers gegen die Werkstatt eine Frage der Begründetheit der Klage. „Machen, was er will“ kann der Versicherer also nur im Rahmen der Begründetheit. Übertreibt er, hat er die Kosten. Strategisch ist das Kostenrisiko dort naturgemäß von geringerer Bedeutung als bei der Werkstatt. Doch diese Frage ist nicht Gegenstand des Mandats für den Geschädigten!

4. Geschädigter muss nicht wissen, was VR regressieren will

Der Sinn der Figur des Werkstattrisikos ist es doch gerade, dass der Geschädigte nicht zwischen die Stühle von Werkstatt und Versicherer gerät. Aus deren Meinungsverschiedenheiten soll er zu seinen Gunsten herausgehalten werden.

Wenn das so ist (und das ist so!): Warum soll es ihn dann interessieren, was der Versicherer von der Werkstatt zurückzufordern gedenkt? Er trägt insoweit ja auch keinerlei Risiko. Wenn die Werkstatt tatsächlich zur Rückzahlung von Teilbeträgen verurteilt würde, kann sie diese Beträge nicht vom Geschädigten zurückfordern. Denn es wurde in dem Regressprozess ja die Berechtigung der werkvertraglichen Forderung der Werkstatt gegenüber ihrem Kunden, dem Geschädigten, überprüft und ggf. verneint.

5. Worum geht es bei diesem Störgefühl wirklich?

Wer als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin einmal tief und verantwortungsvoll in sich hineinhorcht, wird den wahren Grund der Fragestellung finden: Es geht nicht um den Geschädigten, um den es aber im Rahmen des Schadenregulierungsmandats einzig und allein gehen muss. Es geht um den Schutz der Werkstatt, die per Empfehlung den Geschädigten zum Mandanten gemacht hat und so etwas in Zukunft auch noch gern und oft wiederholen soll.

Wisse man vorher, was der Versicherer beanstandet, könne man entscheiden, ob man den Teil der Forderung überhaupt durchsetzt. Ja, lautet die Entscheidung, wenn man kein Regressrisiko zulasten der Werkstatt sieht, Nein, wenn es Gründe für die Werkstatt gibt, den Regress inhaltlich zu fürchten. Es geht also um eine Vorwegnahme der Regressrisiko-Bewertung.

Hier läuft die anwaltliche Vertretung ernsthaft Gefahr, selbst zwischen die Stühle zu geraten, mit allen berufsrechtlichen Folgen. Das Interesse des Geschädigten ist es, dass er aus allem raus ist. Das ist er bei der geschilderten Methode dieses Versicherers.

Das Interesse der Werkstatt darf hier berufsrechtlich kein Handlungsmaßstab sein. Hier laufen die Interessen des Geschädigten und der Werkstatt nicht mehr parallel. Das ist ein ähnliches Konfliktpotenzial wie das auf der Passivseite. Da wird man unterstellen können, dass der VN eine korrekte Schadenregulierung zugunsten des Opfers des von ihm verursachten Verkehrsunfalls möchte, der VR aber eine nach seinen Maßstäben. Steinewerfer im Glashaus leben also gefährlich.

AUSGABE: VA 2/2025, S. 21 · ID: 50272754

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