FeedbackAbschluss-Umfrage

Aktuelle GesetzgebungÄnderungen im Straßenverkehrsrecht infolge das KCanG – u. a. neuer THC-Grenzwert

Abo-Inhalt17.07.2024690 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hatte eine Arbeitsgruppe beauftragt, den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut vorzuschlagen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Die unabhängige Expertenarbeitsgruppe hat für § 24a StVG u. a. einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Der Gesetzgeber hat durch das „6. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“ diese Vorgabe inzwischen umgesetzt und Änderungen im StVG und in der FeV sowie im Bußgeldkatalog vorgenommen. Wir stellen Ihnen diese Änderungen in einem ersten Überblick vor. |

Übersicht / Änderungen im Straßenverkehrsrecht durch das KCanG

1. Welche Änderungen gibt es im StVG?

Im StVG gibt es Änderungen bei der sog. Drogenfahrt (§ 24a Abs. 2 StVG) und bei § 24c StVG, der bislang (nur) ein Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen enthielt.

2. Welche Änderungen gibt es bei der Drogenfahrt im Hinblick auf THC?

In § 24a StVG ist ein neuer Abs. 1a eingefügt worden. Dieser setzt die Empfehlung der Expertenarbeitsgruppe für einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum um. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt (vgl. dazu BT-Drucks. 20/11370, S. 10).

Der THC-Grenzwert, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr nicht fernliegend ist, setzt sich so zusammen:

  • Basiswert von 3,5 ng/ml als mittlere Konzentration, bei der Gelegenheitskonsumenten eine mit 0,2-Promille-Blutalkoholkonzentration vergleichbare Beeinträchtigung aufweisen können,
  • Ausgleich der durch die Verzögerung zwischen Ereignis (Unfall, Verkehrskontrolle) und Blutentnahme möglichen THC-Konzentrationsabnahme mittels Abzugs von 1 ng/ml,
  • pauschaler, durch mögliche Messfehler bedingter Sicherheitszuschlag von 1 ng/ml (40 % von 2,5 ng/ml).

Diese Regelung ersetzt den bisherigen analytischen Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml THC (vgl. dazu Burhoff in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, Rn. 364 ff.). Der Wert von 3,5 ng/ml entspricht etwa einer BAK von 0,2 Promille.

Für einen Verstoß gegen § 24a Abs. 1a StVG wird aber weiterhin keine konkrete rauschmittelbedingte Beeinträchtigung der für das Fahren von Kfz erforderlichen Leistungsfähigkeit vorausgesetzt.

Praxistipp | Da im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei häufigerem Konsum die THC-Konzentration, trotz adäquater Trennung zwischen Konsum und Fahren, oberhalb des Wirkungsgrenzwertes von 3,5 ng/ml THC im Blutserum liegt, wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 20/11370, S. 11) davon ausgegangen, dass – soweit verfügbar – Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums aus Gründen der Praktikabilität und zur Vermeidung der Erfassung eines länger zurückliegenden Konsums bei allen zu testenden Personen von den Kontrollbehörden der Länder eingesetzt werden. Hier bieten sich ggf. für die Verteidigung Ansatzpunkt im Hinblick auf Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Sofern ein Fahrer Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeigt, ist aber in jedem Fall, also auch bei negativem Speicheltest, eine Blutprobe erforderlich. In dem Fall steht zudem immer auch eine (relative) Fahrunsicherheit nach den §§ 315c bzw. 316 StGB im Raum.

3. Was gilt für Drogenfahrt unter der Wirkung anderer berauschender Mittel als Cannabis?

Im Übrigen ist es grundsätzlich bei der Regelung in § 24a Abs. 2 StVG a. F. geblieben. Drogenfahrten unter der Wirkung anderer berauschender Mittel werden als Cannabis pp. werden also nach wie vor von § 24a Abs. 2 StVG erfasst (dazu Burhoff, a. a. O.).

4. Was regelt der neue § 24a Abs. 2a StVG?

Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, hatte die Expertenarbeitsgruppe für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG für Fahranfänger und junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorgeschlagen. Dieses ist jetzt in § 24a Abs. 2a StVG eingeführt worden.

Danach handelt auch ordnungswidrig, wer als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat und ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht. Insoweit gilt (s. BT-Drucks. 20711370, S. 11 f.):

  • Wird eine Atem- oder Blutprobe vom Betroffenen genommen, ist dabei nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand von einer „Alkoholwirkung“ i. S. des § 24a Abs. 2a StVG wie auch schon beim § 24c StVG erst ab einem Wert von 0,2 Promille Alkohol im Blut oder 0,1 mg/l Alkohol in der Atemluft auszugehen, um Messunsicherheiten und endogenen Alkohol auszuschließen (Burhoff, a. a. O., Rn.  295 ff. m. w. N.).
  • In den genannten Werten sind die erforderlichen Sicherheitszuschläge enthalten.
  • § 24a Abs. 2a StVG ist lex specialis gegenüber § 24a Abs. 1a StVG.

5. Welche Rechtsfolgen sind vorgesehen?

Die Höhe der Geldbuße wird in § 24a Abs. 3 StVG geregelt. Insoweit gilt:

  • Die Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 und 2 S. 1 StVG wird unverändert mit einer Geldbuße bis zu 3.000 EUR geahndet. Vorgesehen sind nach wie vor die Stufen von 500 EUR, 1.000 EUR und 1.500 EUR.
  • Auch die Ordnungswidrigkeit nach dem neu eingefügten § 24a Abs. 1a StVG werden mit einer Geldbuße bis zu 3.000 EUR geahndet. Vorgesehen sind im BKAT (vgl. Nrn. 242 ff.) auch hier die Stufen von 500 EUR, 1.000 EUR und 1.500 EUR.
  • Die Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2a StVG (s. Ziff. 4) wird mit einer Geldbuße bis zu 5.000 EUR geahndet. Das ist eine höhere Geldbuße als der in § 17 Abs. 1 OWiG vorgesehene Regelsatz von 1.000 EUR und auch eine höhere Geldbuße als die bei § 24a Abs. 1, 1a und 2 S. 1 StVG. Das wird mit der besonderen Gefährlichkeit des Mischkonsums gerechtfertigt. Auch hier gelten die Stufen von 500 EUR, 1.000 EUR und 1.500 EUR

Vorgesehen sind zudem Fahrverbote, und zwar auch – wie bisher – in drei Stufen – einen Monat, zwei Monate, drei Monate.

6. Wie und wo ist die bestimmungsgemäße Einnahme von Cannabis geregelt?

Bislang war das Medical-Cannabis in § 24a Abs. 2 S. 3 StVG a. F. geregelt. Diese Regelung ist aufgehoben worden.

Dafür ist jetzt in § 24a Abs. 4 StVG bestimmt, dass die Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 1a StVG (s Ziff. 2) und nach § 24a Abs. 2 S. 1 StVG (s. Ziff. 4) jeweils nicht gegeben sind, wenn die Substanz THC aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Das entspricht weitgehend der früheren Regelung, sodass auf die dazu vorliegende Rechtsprechung verwiesen werden kann (dazu Burhoff, a. a. O., Rn. 788).

7. Welche Änderungen gibt es bei § 24c StVG für Fahranfänger und Fahranfängerinnen?

In § 24c StVG ist aus dem bisherigen „Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen“ ein „Alkohol- und Cannabisverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen“geworden:

  • Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist unverändert geblieben. Erfasst werden also nach wie vor Fahranfänger und junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahrs.
  • Aufgenommen als verbotene Substanz ist die „Substanz Tetrahydrocannabinol“, also Cannabis. Allerdings wurde – ebenso wie bei Alkohol – nicht auf einen bestimmten im Gesetz ausdrücklich genannten Grenzwert abgestellt. Es gilt hier also nicht die 3,5ng/ml-THC-Grenze aus § 24a Abs. 1a StVG. Grund dafür ist, dass die Normierung eines wie auch immer bestimmten ausdrücklichen THC-Grenzwerts im Gesetz die Normadressaten dahin verstehen könnten, man könne sich an einen solchen THC-Grenzwert herantasten, obwohl bei THC anders als bei Alkohol ein „Herantrinken“ schon aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen im Körper ausscheidet.
  • Auch hier gilt aber, dass die Einführung einer absoluten Null-Nanogramm-THC-Grenze vor allem aus messtechnischen Gründen problematisch ist. „Unter der Wirkung“ von Tetrahydrocannabinol im Sinne von § 24c StVG steht eine Person nicht erst, wenn eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht fernliegend ist. Dies ist vielmehr bereits der Fall, wenn eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Dabei ist nach der Gesetzesbegründung nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen hier der analytische Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum zugrunde zu legen (BT-Drucks. 20/11370, S. 12).
  • Unter der Einnahme von THC ist jeder Konsum von THC-haltigen Cannabisprodukten zu verstehen. Darunter fällt nicht nur das Inhalieren von Marihuana oder Haschisch in Reinform oder vermischt mit Tabak, sondern auch die Einnahme von THC-haltigen Esswaren oder Getränken sowie das Inhalieren von THC-haltigen Ölen und Extrakten durch Verdampfer (Vaping). Auch insoweit ergeben sich keine Änderungen zum Zusichnehmen alkoholischer Getränke (dazu Burhoff, a. a. O., Rn. 285 ff.).
  • Die Vorschrift stellt auf den Konsum von Cannabis ab. Sie gilt nach § 24a Abs. 3 StVG daher nicht, wenn die Substanz THC aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall vorgeschriebenen Arzneimittels herrührt.
  • Als Rechtsfolge ist nach wie vor nur eine Geldbuße von 250 EUR vorgesehen (s. im Übrigen Burhoff, a. a. O., Rn. 304).

8. Welche Änderungen gibt es in der FeV?

Die in Anlage 4 Nr. 9.2.1 zu den §§ 11, 13 u. 14 FeV enthaltene Legaldefinition von Cannabismissbrauch ist aufgrund der Feststellungen der Expertenarbeitsgruppe angepasst worden. Es heißt jetzt dort: „Das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs können nicht hinreichend sicher getrennt werden“. Diese Definition von Cannabismissbrauch korrespondiert mit dem gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum in § 24a Abs. 1a StVG. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt. Der Begriff „nicht fernliegend“ soll dabei einen Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verwirklichung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos definieren. Er ist so zu verstehen, dass der Risikoeintritt „möglich“ ist, jedoch nicht wahrscheinlich, aber auch nicht „ganz unwahrscheinlich“.

AUSGABE: VA 8/2024, S. 142 · ID: 50062155

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte