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WerbungskostenReisekosten als Werbungskosten absetzen (Teil 1)

Abo-Inhalt28.01.20259 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Reisekosten stellen oft die höchsten steuerlich abzugsfähigen Werbungskosten von Arbeitnehmern dar – und Arbeitgeber können sie auch steuer- und beitragsfrei erstatten. Doch wann genau liegen Reisekosten vor und wie ermitteln sich die Abzugs- und Erstattungsbestandteile konkret? Diesen Fragen geht SSP in einer Beitragsserie auf den Grund. Teil 1 analysiert grundlegend, wann überhaupt Reisekosten abzugsfähig sind. |

„Reisekosten“ – Ein Begriff ohne gesetzliche Definition

Auch wenn das Wort „Reisekosten“ oft Eingang in eine Steuererklärung findet, ist der Begriff selbst nicht gesetzlich definiert. Entsprechend gibt es im EStG keine zusammenhängende Darstellung des steuerlichen Reisekostenrechts und der Abzugspositionen. Deshalb muss für den Abzug von Reisekosten grundsätzlich die Legaldefinition des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG herhalten. Reisekosten sind als Werbungskosten abziehbar, wenn die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist.

Wichtig | Die Zuordnung zur beruflichen Sphäre erfordert nicht, dass es sich zwingend um Kosten im Zusammenhang mit Ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit (§ 19 EStG) handelt. Reisekosten sind auch bei anderen Einkunftsarten abzugsfähig. Z. B. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten (§ 21 EStG) und bei den Gewinneinkünften (§§ 13, 15 und 18 EStG) gemäß Richtlinie 4.12 Abs. 2 LStR als Betriebsausgaben. Die einzelnen Abzugspositionen und -voraussetzungen unterscheiden sich ebenfalls nicht. Sie sind bei den Gewinneinkünften sinngemäß anzuwenden.

Daran hat auch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (UntStReiseKG)“ nichts geändert, mit dem erstmals ab 2014 das steuerliche Reisekostenrecht näher in § 9 EStG verankert wurde. Denn auch nach dieser Änderung lassen sich nicht sämtliche Abzüge über § 9 Abs. 1 S. 2 ff. EStG herleiten. Für manche Positionen muss noch immer auf die Legaldefinition des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG zurückgegriffen werden. Insgesamt gliedern sich seit 2014 die einzelnen Abzugspositionen für Reisekosten in

  • Fahrtkosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG, R 9.5 LStR),
  • Übernachtungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 5a EStG, R 9.7 LStR),
  • Mehraufwendungen für Verpflegung (§ 9 Abs. 4a EStG, R 9.6 LStR) und
  • Reisenebenkosten (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG, R 9.8 LStR).

Die Voraussetzungen für den Abzug von Reisekosten

Reisekosten eines Arbeitnehmers sind Aufwendungen wegen einer Auswärtstätigkeit, die so gut wie ausschließlich beruflich veranlasst ist. „Auswärtstätigkeit“ heißt, dass Sie vorübergehend außerhalb Ihrer Wohnung, aber auch außerhalb Ihrer ersten Tätigkeitsstätte, beruflich tätig werden. Zudem sind die Reisekosten nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Das gilt nicht nur für die einzelnen Abzugspositionen im speziellen, sondern auch für den Anlass und die Art der beruflichen Auswärtstätigkeit im generellen. Deshalb sind vor allem Reisedauer und Reiseweg aufzuzeichnen und im Zweifel durch geeignete Unterlagen (z. B. Fahrtenbuch, Tankquittungen, Hotelrechnungen oder Schriftverkehr) nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (R 9.4 LStR).

Beispiel

Melanie wohnt in Hamburg. Ihre erste Tätigkeitsstätte befindet sich auch in Hamburg. Sie besucht für ihren Arbeitgeber einen Geschäftspartner in Bremen.
Lösung: Es liegt eine Auswärtstätigkeit vor, weil Melanie vorübergehend in Bremen und deshalb außerhalb ihrer Wohnung und außerhalb ihrer ersten Tätigkeitsstätte tätig wird. Für die Auswärtstätigkeit in Bremen sind Reisekosten abzugsfähig.

Gretchenfrage: Wann liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor?

Wann Sie außerhalb Ihrer Wohnung tätig werden, ist klar: Immer dann, wenn Sie Ihre berufliche Tätigkeit nicht im Home-Office erbringen. Doch wann werden Sie zusätzlich außerhalb Ihrer ersten Tätigkeitsstätte tätig, sodass sich eine Auswärtstätigkeit ergibt und Sie Reisekosten absetzen können? Die Lösung bietet die mit § 9 Abs. 4 EStG eingeführte Begriffsdefinition:

Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung

  • 1. Ihres Arbeitgebers,
  • 2. eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder
  • 3. eines von Ihrem Arbeitgeber bestimmten Dritten,

welcher Sie dauerhaft zugeordnet sind. Diese erforderliche Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere dann auszugehen, wenn Sie unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden sollen. Der Zuordnung durch Ihren Arbeitgeber wird damit eine entscheidende Bedeutung beigemessen.

Beispiel

Maike arbeitet für eine Bäckerei mit 25 Filialen in der Filiale 17. Der Arbeitgeber hat Maike der Filiale 17 in München zugeordnet.
Lösung: Die erste Tätigkeitsstätte von Maike befindet sich in der Filiale 17 in München. Wird Maike z. B. im Rahmen einer Krankheits- oder Urlaubsvertretung in einer anderen Filiale tätig, kann sie insoweit Reisekosten absetzen.

Für die wirksame Zuordnung durch Ihren Arbeitgeber ist lediglich entscheidend, dass Sie nach dessen Festlegungen prognostisch an der zugeordneten Tätigkeitsstätte tätig werden sollen und dass Sie dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen haben, die Sie arbeitsvertraglich schulden und die zu dem von Ihnen ausgeübten Berufsbild gehören.

Abwandlung

Maike soll jeden Montag in der Filiale 17 und immer Dienstag bis Freitag in der Filiale 7 tätig werden. Der Arbeitgeber hat Maike
a) der Filiale 7
b) der Filiale 17
c) der Filiale 25 zugeordnet.
Lösung a): Maikes erste Tätigkeitsstätte liegt in der Filiale 7. Für die jeden Montag in Filiale 17 erbrachten Tätigkeiten kann sie Reisekosten geltend machen.
Lösung b): Nun befindet sich die erste Tätigkeitsstätte in der Filiale 17. Der Vorteil: Maike kann für jeden Dienstag bis Freitag, an dem sie ihre beruflich veranlasste Tätigkeit in der Filiale 7 erbringt, Reisekosten absetzen.
Lösung c): Die Zuordnung ist nicht wirksam, da Maike an der Filiale 25 nicht tätig werden soll. Damit greifen die quantitativen Kriterien (s. u.); nach denen ist die Filiale 7 Maikes erste Tätigkeitsstätte. Entsprechend kann sie für jeden Montag, den sie in Filiale 17 arbeitet, Reisekosten absetzen.
Praxistipp | Die vom Arbeitgeber vorzunehmende Zuordnung kann bei Arbeitnehmern mit mehreren Tätigkeitsstätten dazu führen, dass sich höhere Reisekosten ergeben – oder eben nicht. Deshalb sollten Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber aktiv einbinden und um die Zuordnung bitten, nach der sich die höchsten Reisekosten ergeben. Im Beispiel wäre für Maike eine Zuordnung zur Filiale 17 sinnvoll, weil sie so für vier von fünf Tagen Reisekosten absetzen kann.

Mangelt es an einer solchen Zuordnung oder ist sie nicht eindeutig, gilt als erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der Sie dauerhaft

  • 1. typischerweise arbeitstäglich,
  • 2. je Arbeitswoche an zwei vollen Arbeitstagen oder
  • 3. mindestens einem Drittel der vereinbarten Arbeitszeit

tätig werden sollen (quantitative Kriterien).

Abwandlung

Maike wurde von ihrem Arbeitgeber keiner Filiale zugeordnet. Sie soll aber typischerweise von Montag bis Donnerstag in der Filiale 15 und nur am Freitag in der Filiale 17 ihre Tätigkeiten erbringen und Backwaren verkaufen.
Lösung: Mangels eindeutiger Zuordnung durch den Arbeitgeber finden die quantitativen Kriterien Anwendung. Damit handelt es sich bei der Filiale 15 um die erste Tätigkeitsstätte von Maike. Fährt sie freitags zur Filiale 17, liegt eine Auswärtstätigkeit vor und Reisekosten sind abzugsfähig.

Auch dieser Prüfungsschritt kann ergeben, dass Sie über keine erste Tätigkeitsstätte verfügen. Dann sind immer Reisekosten abzugsfähig.

Abwandlung

Maike arbeitet in der Bäckereikette als Springer. Sie arbeitet deshalb immer in der Filiale, in der gerade Personal gebraucht wird. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber keiner Filiale zugeordnet.
Lösung: Sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Kriterien ergeben für Maike keine erste Tätigkeitsstätte. Damit kann sie immer, wenn sie beruflich außerhalb ihrer Wohnung tätig wird, Reisekosten geltend machen.

Ergebnis kann aber auch sein, dass bei Ihnen mehrere erste Tätigkeitsstätten vorliegen. § 9 Abs. 4 S. 5 EStG besagt allerdings, dass Sie für jedes Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben können. Bei sich theoretisch mehreren ergebenden ersten Tätigkeitsstätten ist deshalb diejenige Tätigkeitsstätte Ihre erste Tätigkeitsstätte, die Ihr Arbeitgeber bestimmt. Fehlt es an dieser Bestimmung oder ist sie nicht eindeutig, ist die Ihrer Wohnung am nächsten liegende Tätigkeitsstätte Ihre erste Tätigkeitsstätte.

Abwandlung

Maikes Arbeitgeber hat ihr keine erste Tätigkeitsstätte zugeordnet. Montag und Dienstag arbeitet sie in der Filiale 15 (Entfernung zur Wohnung fünf Kilometer) und Mittwoch bis Freitag in der Filiale 17 (Entfernung 25 Kilometer).
Lösung: Mangels Zuordnung durch den Arbeitgeber ergeben die quantitativen Kriterien, dass es sich sowohl bei der Filiale 15 als auch bei der Filiale 17 um eine erste Tätigkeitsstätte von Maike handelt. Da Maike nur eine erste Tätigkeitsstätte haben kann und ihr Arbeitgeber nicht bestimmt hat, welche das sein soll, handelt es sich bei der Filiale 15 um die erste Tätigkeitsstätte. Denn diese liegt der Wohnung von Maike am nächsten. Dass sie zeitlich überwiegend (drei von fünf Tagen) in der Filiale 17 tätig wird, ist unerheblich. Dort sind Reisekosten abzugsfähig.

Wichtig | Umfangreiche Erläuterungen, Fallbeispiele und Sonderfälle zur Problematik „erste Tätigkeitsstätte“ beleuchtet die Finanzverwaltung in ihrem Anwendungsschreiben vom 25.11.2020 (Az. IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219558).

Doch keine Reisekosten – die private Mitveranlassung

Haben Sie im Zusammenhang mit der beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit auch in einem mehr als geringfügigen Umfang private Angelegenheiten erledigt, müssen Sie die beruflich veranlassten von den privat veranlassten Aufwendungen trennen. Nur die beruflich veranlassten Aufwendungen sind abzugsfähig. Sollte eine Trennung nicht möglich sein – auch nicht durch eine Schätzung –, dann sind die gesamten Aufwendungen nicht abzugsfähig (§ 12 EStG). Von einem unschädlichen geringfügigen privaten Anteil ist auszugehen, wenn dieser nicht mehr als zehn Prozent beträgt. Parallel sind die Aufwendungen in vollem Umfang nicht abziehbar, wenn der berufliche Anteil weniger als zehn Prozent beträgt. In diesem Fall können Sie nur die Aufwendungen steuerlich berücksichtigen, die zusätzlich und ausschließlich beruflich veranlasst entstanden sind (BMF, Schreiben vom 06.07.2010, Az. IV C 3 – S 2227/07/10003:002, Abruf-Nr. 102236, Rz. 10 ff.).

Beispiel

Linda besucht während ihres 14-tägigen Urlaubs ein eintägiges Seminar.
Lösung: Die Aufwendungen für die Urlaubsreise sind nicht abziehbar, da der berufliche Anteil weniger als zehn Prozent beträgt. Nur die Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Seminar zusammenhängen (Seminargebühren, Fahrtkosten vom Urlaubsort zum Tagungsort, ggf. Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen), sind abziehbar.

Abwandlung

Der Urlaub dauert nur fünf Tage.
Lösung: Da der berufliche Anteil 20 Prozent beträgt, kann Linda zusätzlich zu dem sich aus dem Ausgangsbeispiel ergebenden Abzug 20 Prozent der Aufwendungen für die Urlaubsreise (insbesondere Fahrt- und Unterkunftskosten) absetzen (analog BMF, Schreiben vom 06.07.2010, Rz. 15).

Eine Sonderregelung gilt noch für Kosten der Hin- und Rückreise (nicht für Unterkunftskosten). Denn für die Fahrtkosten ist auch dann von einer untergeordneten privaten Mitveranlassung auszugehen, wenn die Reise einen eindeutigen unmittelbaren beruflichen Anlass hatte. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Weisung seines Arbeitgebers einen ortsgebundenen Pflichttermin wahrnimmt oder ein Nichtarbeitnehmer einen ortsgebundenen Geschäftsabschluss tätigt (BMF, Schreiben vom 06.07.2010, Rz. 12).

Beispiel

Malte nimmt auf Weisung seines Arbeitgebers an einem eintägigen Fachkongress in Berlin teil. Da er sowieso Urlaub machen und Berlin erkunden möchte, bleibt er fünf Tage in Berlin und reist erst dann ab.
Lösung: Malte kann die Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Besuch des Fachkongresses zusammenhängen (Seminargebühren, Fahrtkosten vom Unterkunftsort zum Tagungsort, ggf. Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen) geltend machen. Die Aufwendungen für die Unterkunft sind lediglich für eine Übernachtung zu berücksichtigen, da eine gemischt veranlasste Reise vorliegt. Grundsätzlich kann Malte auch die Fahrtkosten nur anteilig (20 Prozent; ein von fünf Tage) geltend machen. Da der Reise jedoch ein eindeutiger unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt, lassen sich die Fahrtkosten aufgrund der Sonderregelung vollständig absetzen.
Weiterführende Hinweise:
  • Die Serie wird fortgesetzt. In den nächsten Teilen erfahren Sie, welche Aufwendungen Sie konkret geltend machen können bzw. was Ihnen Ihr Arbeitgeber steuer- und beitragsfrei erstatten kann.

AUSGABE: SSP 2/2025, S. 11 · ID: 50208380

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