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AbschreibungBaubeginn vor dem 01.10.2023: Kommt man per Gestaltung doch noch an die degressive AfA?

Abo-Inhalt26.09.20248 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Mit § 7 Abs. 5a EStG hat der Gesetzgeber zu Jahresbeginn eine degressive Abschreibung für Wohngebäude eingeführt. Die gilt bei eigener Herstellung des Gebäudes jedoch nur, wenn mit der Herstellung nach dem 30.09.2023 begonnen wurde. Deshalb fragt sich ein SSP-Leser: Kann die degressive Abschreibung durch eine Gestaltung auch genutzt werden, wenn mit der Herstellung bereits vor dem 01.10.2023 begonnen wurde? |

Antwort: Der Grundsatz lautet „Nein“, aber es gibt eine Steuergestaltungsmaßnahme, die die Vornahme der degressiven Abschreibung auch bei Baubeginn vor dem 01.10.2023 ermöglicht.

Degressive AfA gilt nur bei Baubeginn nach dem 30.09.2023

Haben Sie die Immobilie selbst hergestellt, ist das Gesetz eindeutig: Die degressive Abschreibung gibt es nur, wenn Sie mit der Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen haben (§ 7 Abs. 5a S. 1 EStG).

Haben Sie die Immobilie nicht selbst hergestellt, sondern angeschafft, spielt das Datum des Beginns der Herstellung hingegen keine Rolle. Bei Anschaffung ist die degressive Abschreibung zu gewähren, wenn

  • 1. die Anschaffung auf Grund eines nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags und
  • 2. bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung der Immobilie erfolgt.

„Aus Herstellung mach‘ Anschaffung“ – geht das?

So weit, so klar. Doch wie lässt sich nun aus dem für die degressive AfA ungünstigen „Herstellungsfall“ ein „Anschaffungsfall“ machen, wenn Sie bereits vor dem 01.10.2023 mit der Herstellung begonnen haben? Die Antwort lautet: Verkaufen Sie die Immobilie. Allerdings nicht irgendwann, sondern auf Grundlage eines

  • nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags und
  • bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung der Immobilie.

Klar, durch den Verkauf verlieren Sie das Eigentum an der Immobilie – und können selbst keine Abschreibungen mehr vornehmen. Dafür darf der Erwerber (z. B. Ihr Ehegatte) die degressive Abschreibung geltend machen.

Beispiel 1

Der verheiratete Emil hat am 15.03.2023 mit dem Bau eines Mehrfamilienhauses begonnen. Das Objekt wurde am 01.08.2024 fertiggestellt.
Lösung: Weil Emil mit der Herstellung vor dem 01.10.2023 begann, kann er für das Mehrfamilienhaus die degressive Abschreibung nicht beanspruchen.

Abwandlung

Emil verkauft das Objekt mit Vertrag vom 15.11.2024 und Eigentumsübergang zum 01.12.2024 zu fremdüblichen Konditionen an seine Ehefrau Rita.
Lösung: Ab dem 01.12.2024 kann Ehefrau Rita die Immobilie abschreiben. Weil der Vertrag nach dem 30.09.2023 geschlossen wurde und die Anschaffung im Jahr der Fertigstellung erfolgte, kann sie von der degressiven Abschreibung profitieren.

Was bringt die degressive AfA überhaupt?

Der Vorteil der degressiven Abschreibung gegenüber der regulären linearen Abschreibung liegt „lediglich“ in der Verschiebung von Werbungskosten „nach vorne“. Abschreiben lässt sich die Immobilie schließlich nur einmal. Es gibt mit der degressiven Abschreibung also nicht mehr an Abschreibungen, sondern nur höhere Abschreibungen in den ersten Jahren (und folglich geringere in späteren Jahren). Anstelle der linearen Abschreibung von jährlich drei Prozent (§ 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) EStG) wird halt degressiv mit jährlich fünf Prozent vom Restwert abgeschrieben (§ 7 Abs. 5a EStG). Es kann auch später zur linearen Abschreibung gewechselt werden. Effektiv wird aber ebenso über 33 1/3 Jahre abgeschrieben.

Beispiel 2

Die abzuschreibenden Anschaffungskosten betragen 100.000 Euro.
Lineare Abschreibung (3 % der AK)
Degressive Abschreibung (5 % vom Restwert)
Degressive Abschreibung + späterer Wechsel zur linearen Abschreibung
AK
100.000100.000100.000
Jahr 1
3.0005.0005.000
Jahr 2
3.0004.7504.750
Jahr 3
3.0004.5134.513
Jahr 4
3.0004.2874.287
Jahr 5
3.0004.0734.073
Jahr 6
3.0003.8693.869
Jahr 7
3.0003.6753.675
Jahr 8
3.0003.4923.492
Jahr 9
3.0003.3173.317
Jahr 10
3.0003.1513.151
Zw.-Se.:
30.000 Euro40.127 Euro40.127 Euro
Jahr 11
3.0002.9942.994
Jahr 12
3.0002.8442.844
Jahr 13
3.0002.7022.702
Jahr 14
3.0002.5672.567
Jahr 15
3.0002.4382.528
Jahr 16
3.0002.3162.528
Jahr 17
3.0002.2012.528
Jahr 18
3.0002.0912.528
Jahr 19
3.0001.9862.528
Jahr 20
3.0001.8872.528
Jahr 21
3.0001.7922.528
Jahr 22
3.0001.7032.528
Jahr 23
3.0001.6182.528
Jahr 24
3.0001.5372.528
Jahr 25
3.0001.4602.528
Jahr 26
3.0001.3872.528
Jahr 27
3.0001.3182.528
Jahr 28
3.0001.2522.528
Jahr 29
3.0001.1892.528
Jahr 30
3.0001.1302.528
Jahr 31
3.0001.0732.528
Jahr 32
3.0001.0202.528
Jahr 33
3.0009692.528
Jahr 34
1.00018.403735
Summe
100.000100.000100.000

Wollen Sie die Immobilie jedoch zeitnah veräußern, z. B. nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei nach zehn Jahren, hat die degressive Abschreibung einen entscheidenden Vorteil. Wie Beispiel 2 zeigt, können Sie dann von der Immobilie innerhalb der ersten zehn Jahre je 100.000 Euro Anschaffungskosten im Vergleich zur linearen Abschreibung 10.127 Euro zusätzlich steuerwirksam abschreiben. Das bietet schnell einen effektiven Steuervorteil je 100.000 Euro Anschaffungskosten von 4.000 Euro und mehr.

Praxistipp | Die Gestaltung ist auch deswegen lukrativ, weil Immobilieneigentümer in den ersten Jahren der Vermietung regelmäßig über ein hohes Einkommen und im späteren Rentenalter über ein geringeres Einkommen verfügen. Somit hat die vorgezogenen degressive Abschreibung Vorteile, weil die höheren Abschreibungen infolge der Steuerprogression eine höhere Steuerentlastung in der Phase der aktiven Erwerbstätigkeit bieten.

Welche Risiken es bei der Gestaltung im Blick zu haben gilt

Die Steuergestaltung hat eine Kehrseite in Form von Risiken, die Sie beachten und Kosten, die Sie tragen müssen. Deshalb sollten Sie nicht vorschnell handeln, „nur“ um in den Genuss der degressiven AfA zu kommen. Denn: Auch zwischen Angehörigen müssen Sie einen wie unter fremden Dritten üblichen Kaufvertrag schließen. Andernfalls erkennt das Finanzamt diesen nicht an. Das bedeutet auch, dass der Erwerber finanziell in der Lage sein muss, den Kaufpreis zu zahlen.

Zudem fallen infolge der notariellen Beurkundung Notarkosten und aufgrund der Änderung der Eigentumsverhältnisse Grundbuchkosten an. Außerdem unterliegt der Vorgang der Grunderwerbsteuer; hier gibt es aber regelmäßig eine Steuerbefreiung (bei Ehegatten nach § 3 Nr. 4 GrEStG).

Das größte Risiko lauert allerdings in § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Waren Sie als Veräußerer nämlich nicht mindestens zehn Jahre Eigentümer des Grundstücks, unterliegt der durch den Verkauf realisierte Gewinn (Verkaufserlös abzüglich Anschaffungs-/Herstellungskosten) der Einkommensteuer. Zwar dürften die aufgewendeten Herstellungskosten regelmäßig in etwa dem aktuellen Marktwert des Neubaus entsprechen, sodass der Gewinn nicht exorbitant hoch ausfällt; er dürfte sich regelmäßig lediglich auf die zwischenzeitliche Wertsteigerung des Grundstücks belaufen. Haben Sie jedoch auch Eigenleistungen investiert (z. B. Bauaufsicht oder einzelne erforderliche Arbeiten übernommen), schlägt sich diese Eigenleistung auch in dem Verkehrswert der Immobilie nieder. Steuerlich geltend machen können Sie Ihre Eigenleistung – abgesehen von für Ihre Eigenleistung aufgewendeten Materialkosten – aber nicht. Und somit steigt der Veräußerungsgewinn.

Beispiel 3

Malte hat 2020 ein unbebautes Grundstück für 100.000 Euro erworben. Er hat 2023 bis 2024 ein Mehrfamilienhaus für 600.000 Euro errichten lassen. Aufgrund der zwischenzeitlichen Wertsteigerung des Grundstücks beträgt der Wert des bebauten Grundstücks im Jahr 2024 730.000 Euro.
Lösung: Da die zehnjährige Spekulationsfrist nicht ausgelaufen ist, muss Malte bei einem Verkauf für 730.000 Euro einen Gewinn von 30.000 Euro gemäß § 23 EStG versteuern (730.000 Euro Erlös abzüglich 600.000 Euro Herstellungskosten für das Gebäude und 100.000 Euro Anschaffungskosten für das Grundstück).

Abwandlung

Malte hat die Garagen in Eigenleistung errichtet und der Bauunternehmer hat deshalb lediglich 550.000 Euro berechnet. Für das Material der Garagen hat Malte 25.000 Euro bezahlt.
Lösung: Der steuerpflichtige Gewinn erhöht sich auf 55.000 Euro (Verkehrswert weiterhin 730.000 Euro abzüglich 550.000 Euro Herstellungskosten Gebäude, 25.000 Euro Herstellungskosten Garagen [ohne Wert der eigenen Arbeitsleistung] abzüglich 100.000 Euro Anschaffungskosten Grundstück).

Wichtig | Übertragen Sie die Immobilie unentgeltlich, vermeiden Sie zwar die Besteuerung des Veräußerungsgewinns, haben allerdings in Sachen degressive AfA trotzdem nichts gewonnen. Bei der unentgeltlichen Übertragung gilt nämlich § 11d EStDV und der besagt, dass der Rechtsnachfolger, also der neue Eigentümer, die begonnene Abschreibung fortzuführen hat. Somit ist für ihn weiterhin der Beginn der Herstellung und nicht der Zeitpunkt der Anschaffung maßgebend.

Natürlich liegt aus diesem Grund der Gedanke nahe, den Kaufpreis einfach in Höhe der vom Eigentümer aufgewendeten Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bemessen. Denn so könnte – augenscheinlich – die Besteuerung des Gewinns vermieden und die degressive Abschreibung gerettet werden. Doch auch hier hat das Finanzamt ein Ass im Ärmel. Weist es nämlich einen höheren Wert der Immobilie als den vereinbarten Kaufpreis nach, liegt eine teilentgeltliche Veräußerung vor – und die bedeutet, dass das Finanzamt den Vorgang aufsplittet:

  • Für den entgeltlichen Teil wird ein Veräußerungsgewinn ermittelt und der Erwerber kann die degressive Abschreibung beanspruchen.
  • Für den unentgeltlichen Teil wird kein Veräußerungsgewinn ermittelt. Dafür kann der Erwerber nur die bisherige Abschreibung fortführen.

Im Ergebnis werden für den Erwerber nun zwei AfA-Reihen geführt.

Beispiel 4

Die von Malte aufgewendeten Anschaffungs- und Herstellungskosten für das 2024 fertiggestellte Mehrfamilienhaus inkl. Grundstück betragen 650.000 Euro. Er veräußert es für 650.000 Euro an seine Ehefrau. Das Finanzamt ermittelt durch ein Gutachten einen Verkehrswert von 700.000 Euro.
Lösung: Die Veräußerung erfolgt zu 92,86 Prozent entgeltlich und zu 7,14 Euro unentgeltlich (650.000 zu 700.000 Euro). Deshalb muss die erwerbende Ehefrau die von Malte aufgewendeten Anschaffungs- und Herstellungskosten mit 7,14 Prozent fortführen und insoweit eine lineare Abschreibung vornehmen (unentgeltlicher Anteil). Parallel kann sie den aufgewendeten Kaufpreis von 650.000 Euro insoweit vollständig degressiv abschreiben, wie er auf das Gebäude entfällt (entgeltlicher Anteil). Malte hingegen muss im Umfang der entgeltlichen Veräußerung einen Gewinn versteuern (§ 23 EStG). Dieser beträgt 46.430 Euro (700.000 Euro Verkehrswert abzüglich 650.000 Euro Anschaffungs- und Herstellungskosten = 50.000 Euro; 50.000 Euro x entgeltlicher Anteil von 92,86 Prozent).
Fazit | Ganz so einfach ist es also nicht, rückwirkend in den Genuss der degressiven AfA zu kommen; zumindest dann nicht, wenn der Gewinn beim Veräußerer der Besteuerung unterliegt. Sinnvoll kann die Gestaltung aber trotzdem sein. Nämlich etwa dann, wenn eine gewerblich tätige oder geprägte Personengesellschaft die Immobilie an eine personenidentische Personengesellschaft veräußert. Zum einen würde ein späterer Veräußerungsgewinn aufgrund der gewerblichen Tätigkeit oder Prägung der ersten Personengesellschaft ohnehin versteuert werden und zum anderen würde nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG keine Grunderwerbsteuer erhoben werden, wenn die Anteile an den Gesellschaften personen- und beteiligungsidentisch gehalten werden.

AUSGABE: SSP 10/2024, S. 23 · ID: 50154838

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