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EinkommensteuerAbfindung mit Fünftel-Regelung versteuern: Diese Musterprozesse sind beim BFH anhängig
| Deutschland schwächelt, viele Unternehmen verringern die Belegschaft; oft mit Zahlung einer Abfindung. Die ist aber zu versteuern. Damit die Steuer nicht zu hoch ausfällt, hat der Gesetzgeber die Fünftel-Regelung geschaffen. Doch unter welchen Voraussetzungen gilt diese? Auf welche anhängigen Verfahren können Sie aufspringen? Und welche Steuergestaltungen lassen sich nutzen? Diesen drei Fragen geht SSP in einer dreiteiligen Beitragsserie auf den Grund. Teil 2 zeigt, welche Verfahren derzeit beim BFH anhängig sind. |
Darum gibt es die privilegierende Fünftel-Regelung
Eine Abfindung zahlt der Arbeitgeber grundsätzlich, um das Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu beenden. Damit durch den zusammengeballten Zufluss dieser oft recht hohen Einmalzahlung keine überproportional hohe Steuer fällig wird, lässt sich unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG die in Teil 1 vorgestellte Fünftel-Regelung nutzen.
Die Steuerbelastung sinkt durch diese besondere Form der Besteuerung beachtlich, die Nettoabfindung steigt. Diese Privilegierung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass sich der betroffene Arbeitnehmer nach der Kündigung auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle machen und in diesem Zusammenhang in vielen Fällen Einnahmeverluste in Kauf nehmen muss.
Darum geht es bei Musterprozess Eins vor dem BFH
Beim BFH ist derzeit ein interessanter Sonderfall zur betriebsbedingten Kündigung in Form einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) anhängig (Az. IX B 34/24 und Az. IX B 37/24).
Ausgliederungen im Konzern mit Arbeitnehmer-Rückkehrrechten
Im konkreten Fall bestand zunächst ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und der A-GmbH. Da die A-GmbH eine Produktionssparte ihrer Tätigkeit ausgliedern wollte, übertrug sie einen Betriebsteil auf die B-GmbH, einer Tochtergesellschaft der A-GmbH (§ 613a BGB). Dabei wurde eine Vereinbarung zwischen der A-GmbH, der B-GmbH und der Arbeitnehmervertretung getroffen, wonach die auf die B-GmbH übergegangenen Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durch die B-GmbH ein Rückkehrrecht zur A-GmbH hatten – bei unverändertem Arbeitslohn und ohne Probezeit.
Im weiteren Verlauf erfolgte ein Betriebsübergang von der B-GmbH auf die C-GmbH (§ 613a BGB). Bei der C-GmbH handelt es sich um die Tochtergesellschaft einer ausländischen Holding des inländischen Konzerns, also um eine Schwestergesellschaft zur A-GmbH.
Vereinbarung: Abfindung bei Ausschlag des Rückkehrangebots
Auch für diesen Betriebsübergang wurde vereinbart, dass die übergegangenen Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung durch die C-GmbH ein Rückkehrrecht zur A-GmbH hatten. Sollten sie eine Rückkehr nicht wünschen, stand ihnen ein Abfindungsanspruch gegenüber der A-GmbH zu. An dieser Vereinbarung wirkten A-GmbH, B-GmbH, C-GmbH und Arbeitnehmervertretung mit. Im Falle der Rückkehr sollte das Arbeitsverhältnis mit der A-GmbH als ununterbrochen fortgesetzt gelten. In der Folgezeit firmierte die C-GmbH um und wurde im Rahmen eines Share-Deals an eine ausländische – diesmal konzernfremde – Gesellschaft übertragen.
C-GmbH kündigt und zahlt Abfindung trotz Rückkehr zu A-GmbH
Jahre später wurde einigen von der A-GmbH zur B-GmbH und schließlich zur C-GmbH übergegangenen Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt. Auf Grund eines Sozialplans stand diesen Arbeitnehmern von der nunmehr konzernfremden C-GmbH eine hohe Abfindung zu. Einige Arbeitnehmer entschieden sich im Anschluss an die betriebsbedingte Kündigung dazu, von ihrem Rückkehrrecht zur A-GmbH Gebrauch zu machen. Daher beschäftigte sie fortan wieder die A-GmbH in vergleichbarer Stellung in Bezug auf Arbeitsbereich und Entlohnung – ohne Probezeit.
Die Gretchenfrage: Arbeitsplatzverlust ja oder nein?
Die Arbeitnehmer beantragten für die Abfindung die ermäßigte Besteuerung mit der Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass die Abfindung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wurde (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Es muss also die bisherige rechtliche Grundlage für die Einnahmen wegfallen und eine andere an ihre Stelle treten (BFH, Urteil vom 25.03.1975, Az. VIII R 183/73).
Eine Abfindung auf Grund einer betriebsbedingten Kündigung ist zwar der klassische Anwendungsfall für die privilegierte Besteuerung. Das Finanzamt beurteilte allerdings die unbefristete Möglichkeit einer Rückkehr zur A-GmbH infolge einer betriebsbedingten Kündigung bei der B- bzw. später C-GmbH als ein für eine Besteuerung mit der Fünftel-Regelung schädliches Ereignis. Denn durch die Kündigung haben die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verloren, weil sie ohne Unterbrechung zur A-GmbH zurückkehren konnten. Gleichermaßen liege auch nach Ansicht des BFH keine privilegierte Abfindung vor, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs umgesetzt wird und sodann das Arbeitsverhältnis zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird (BFH, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX R 26/10).
Wichtig | Aus diesen Gründen fordert auch der BFH für die privilegierte Besteuerung, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nicht nur formal, sondern tatsächlich verliert. Eine Vereinbarung zwischen altem und neuem Arbeitgeber im Anschluss an die Kündigung, mit welcher der Arbeitnehmer wieder „aufgefangen“ wird, ist für die Fünftel-Regelung schädlich (BFH, Urteil vom 29.02.2012, Az. IX R 28/11, Abruf-Nr. 121747).
So lautet die (vorläufige) richterliche Beurteilung
Auch das FG Niedersachsen hat der Klage eine Absage erteilt und die Besteuerung der Abfindung mit der Fünftel-Regelung verwehrt (FG Niedersachsen, Urteile vom 15.02.2024, Az. 2 K 52/23, Abruf-Nr. 241390 und Az. 2 K 72/23, Abruf-Nr. 241391).
Auch das FG ging davon aus, dass eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vorlag, weil nicht der klassische Verlust des Arbeitsplatzes mit der Notwendigkeit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gegeben war. Vielmehr konnten die Arbeitnehmer durch das Rückkehrrecht zur A-GmbH den Einkünfteerzielungstatbestand ununterbrochen fortsetzen. Dabei war für das Gericht von entscheidender Bedeutung, dass die C-GmbH an der Vereinbarung mitgewirkt hatte, aufgrund welcher die Arbeitnehmer zur A-GmbH zurückkehren konnten. Zwar seien die Arbeitnehmer nicht wie in den bereits vom BFH entschiedenen Fällen konzernintern umgesetzt worden, aber auf Grund einvernehmlicher Regelung zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber.
Wichtig | Zwar sieht das FG Niedersachsen die Voraussetzungen für eine Besteuerung der Abfindung mit der Fünftel-Regelung als nicht gegeben, weil es an einem Arbeitsplatzverlust mangelt. Allerdings bemühen sich die betroffenen Arbeitnehmer derzeit mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH darum, doch in den Genuss der privilegierten Besteuerung zu gelangen (Az. IX B 34/24 und Az. IX B 37/24). Sind auch Sie von einem vergleichbaren Sachverhalt betroffen, sollten Sie mit Verweis auf die NZB gegen belastende Steuerbescheide Einspruch einlegen und um Verfahrensruhe bitten (§ 363 Abs. 2 AO).
Darum geht es bei Musterprozess Zwei vor dem BFH
Auch dem zweiten Streitfall liegt der geschilderte Sachverhalt zugrunde, also ein Betriebsübergang von Arbeitnehmern der A-GmbH auf die B- und anschließend auf die C-GmbH mit anschließender Umfirmierung der C-GmbH und Verkauf der Anteile im Rahmen eines Share-Deals an eine ausländische – konzernfremde – Gesellschaft. Allerdings entschieden sich hier die Arbeitnehmer der C-GmbH nach der betriebsbedingten Kündigung nicht dazu, von ihrem Rückkehrrecht zum ursprünglichen Arbeitgeber, der A-GmbH, Gebrauch zu machen. Vielmehr entschieden sie sich eine juristische Sekunde nach der Rückkehr für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der A-GmbH und erhielten im Gegenzug dafür von der A-GmbH zur Vermeidung des Einnahmeverlustes eine weitere (zweite) hohe Abfindung.
... beschert Arbeitnehmern zwei Abfindungen |
Für die erste – die von der C-GmbH gezahlte – Abfindung versagte das Finanzamt allerdings die Besteuerung mit der Fünftel-Regelung aus bereits dargestellten Gründen, weil die betroffenen Arbeitnehmer nicht der Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt gewesen waren. Denn nach der betriebsbedingten Kündigung durch die C-GmbH wurden die betroffenen Arbeitnehmer faktisch so behandelt, als ob sie innerhalb eines Konzerns bzw. einer Unternehmensgruppe gewechselt hätten.
Zwar endete das Arbeitsverhältnis mit der C-GmbH zivilrechtlich. Aufgrund der im Vorfeld getroffenen Vereinbarungen waren die Arbeitnehmer aber so gestellt, als ob sie nicht aus dem ursprünglichen Konzern ausgeschieden waren. Nur deshalb konnte ihnen von der A-GmbH eine weitere Abfindung gezahlt werden, obwohl sie faktisch nicht mehr für die A-GmbH gearbeitet hatten. Ohne diese im Vorfeld aufgestellten konzernrechtlichen Regelungen hätte kein früherer Arbeitgeber für bereits vor Jahren ausgeschiedene Arbeitnehmer Abfindungen gezahlt oder diese zu einem früheren Gehalt angestellt, wenn kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden war.
Wichtig | Auch in diesem Streitfall hatten Einspruch und Klage keinen Erfolg (FG Niedersachsen, Urteile vom 15.02.2024, Az. 2 K 55/23, Abruf-Nr. 241507 und Az. 2 K 71/23, Abruf-Nr. 242549). Dennoch bemühen sich auch hier die betroffenen Arbeitnehmer mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH (Az. IX B 36/24 und IX B 38/24). Sind auch Sie von einem vergleichbaren Sachverhalt betroffen, dann sollten Sie mit Verweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde gegen belastende Steuerbescheide Einspruch einlegen und um Ruhen des Verfahrens bitten (§ 363 Abs. 2 AO).
Fazit | Noch ist in den Streitfällen das letzte Wort nicht gesprochen und keine endgültige Entscheidung gefällt. Es bleibt also abzuwarten, ob die Beschwerden beim BFH zugelassen werden – und falls ja – wie dieser entscheidet. Auch wenn die Streitfälle auf den ersten Blick recht komplex erscheinen, dürften sich vergleichbare Sachverhalte infolge des Fachkräftemangels insbesondere in größeren Konzernen und Unternehmensgruppen recht häufig ereignen. Denn entsprechende Vereinbarungen mit einem Rückkehrrecht erleichtern in der Praxis die Umsetzung von Arbeitnehmern vor allem innerhalb einer Unternehmensgruppe oder eines Konzerns. Festzuhalten bleibt zunächst, dass eine Vereinbarung, welche im Falle einer betriebsbedingten Kündigung als Auffangmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang gedacht ist, in vielen Fällen zur Versagung der Fünftel-Regelung für die möglicherweise vom neuen Arbeitgeber gezahlte Abfindung führt. Denn damit die begehrte Fünftel-Regelung Anwendung findet, muss der Einkünfteerzielungstatbestand beendet werden – und das ist durch die getroffene Vereinbarung mit „Auffangklausel“ gerade nicht der Fall. Es handelt sich bei der dann gezahlten Abfindung folglich nicht um eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG. |
- Teil 1 der Beitragsreihe „Abfindung versteuern: Weniger Steuern zahlen dank der Fünftel-Regelung – so geht´s“, SSP 9/2024, Seite 5 → Abruf-Nr. 50138206
- Im dritten Teil lernen Sie die besten Gestaltungen kennen, um die Fünftel-Regelung optimal zu nutzen.
AUSGABE: SSP 10/2024, S. 5 · ID: 50152016