Buchführung
Aufbewahrungsfristen für Stiftungen – was kann in den Reißwolf?
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Rücklagen Rücklagenbildung bei Stiftungen – Teil 1: Das sind die allgemeinen Grundlagen
| Stiftungen sind langfristig angelegte Institutionen, deren finanzielle Stabilität entscheidend für die Erfüllung ihres gemeinnützigen Zwecks ist. Eine durchdachte Rücklagenbildung hilft, wirtschaftliche Schwankungen abzufedern und die nachhaltige Mittelverwendung zu gewährleisten. Eine klare Rücklagenstrategie ist das A und O. SB macht Sie in einer Beitragsserie mit den aktuellen Spielregeln vertraut. Los geht es mit den Grundlagen. |
Rücklagenbildung – steuer- und gemeinnützigkeitsrechtlich
In § 55 AO ist der Grundsatz der Selbstlosigkeit für steuerbegünstigte Körperschaften geregelt. Ein wesentlicher Baustein des Selbstlosigkeitsgrundsatzes sind die Regelungen zur zeitnahen Mittelverwendung (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Demnach hat eine steuerbegünstigte Körperschaft die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zeitnah – d. h. in einem Zeitraum von 24 Monaten nach Ende des Zuflussjahres – für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden.
Eine Ausnahme vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung bilden die steuerlichen Rücklagen i. S. v. § 62 AO. Unter den Voraussetzungen des § 62 AO können – abweichend von Regelung der zeitnahen Mittelverwendung – Mittel für eine spätere Verwendung zurückbehalten werden. Für welche Zwecke Rücklagen gebildet werden dürfen und welche Spielregeln hierfür gelten, wird im Folgenden erklärt.
Das sind die Grundlagen der zeitnahen Mittelverwendung
Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung nach § 55 AO dient mehreren Zwecken:
- 1. Es soll verhindern, dass steuerbegünstigt erworbene Mittel dauerhaft im Vermögen der Stiftung verbleiben, anstatt für gemeinnützige Zwecke eingesetzt zu werden.... Mittelverwendung bewirken
- 2. Es stellt sicher, dass die Mittel möglichst zügig für die steuerbegünstigten Satzungszwecke ausgegeben werden.
- 3. Es verhindert, dass Stiftungen ohne erkennbaren Grund Vermögen anhäufen, statt es den gemeinnützigen Zwecken zuzuführen.
Die zeitnahe Mittelverwendung ist ein wichtiger Aspekt der Selbstlosigkeit, die eine zentrale Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit darstellt. Gemeinnützige Körperschaften müssen ihre Mittel grundsätzlich innerhalb von zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren nach Zufluss für ihre steuerbegünstigten Zwecke verwenden. Dies gewährleistet, dass die steuerlichen Vorteile, die gemeinnützige Stiftungen genießen, tatsächlich der Förderung des Gemeinwohls zugutekommen.
Zeitnahe Mittelverwendung und Folgen bei Verstoß
Verletzen gemeinnützige Körperschaften das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, drohen drei Konsequenzen:
1. Verlust der Gemeinnützigkeit
Der schwerwiegendste Verstoß kann zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen, was erhebliche steuerliche Mehrbelastungen nach sich zieht. Die Gemeinnützigkeit kann im schlimmsten Fall rückwirkend für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren aberkannt werden. Eine Aberkennung kann z. B. im Raum stehen, wenn die Stiftung eine planmäßige Mittelansammlung ohne ersichtlichen Grund vornimmt.
2. Aufforderung zur Mittelverwendung und Fristsetzung
Das Finanzamt kann die Körperschaft auffordern, die angesammelten Mittel zeitnah zu verwenden. Bei unbeabsichtigten Verstößen kann das Finanzamt eine Frist von zwei bis drei Jahren zur Verwendung der Mittel setzen.
3. Haftungsansprüche
Der Verlust der Gemeinnützigkeit kann steuerliche und zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen die gesetzlichen Vertreter auslösen.
Vereinfachungsregelung für kleine Körperschaften
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat eine Vereinfachungsregelung für kleine Körperschaften Eingang ins Gesetz gefunden: Verzeichnet eine steuerbegünstigte Stiftung jährliche Einnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro, wird die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung aufgehoben (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO).
Beim Begriff Einnahmen handelt es sich um alle Vermögensmehrungen, die der Körperschaft zufließen. Dazu zählen Einnahmen des ideellen Bereichs (wie z. B. Spendeneinnahmen) sowie die Bruttoeinnahmen der Vermögensverwaltung, des Zweckbetriebs und des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Dabei ist zu beachten, dass zu den Einnahmen ebenfalls solche Mittelzuflüsse gehören, die grundsätzlich nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, wie Zustiftungen (Zuwendungen in das Vermögen der Körperschaft gemäß § 62 Abs. 3 AO).
Beispiel |
Die „Chancen für Morgen-Stiftung“ konnte im Jahr 2024 Spendeneinnahmen von 15.000 Euro und Einnahmen aus Vermögensverwaltung (Vermietung Gebäude) von 24.000 Euro verzeichnen. Zweckbetriebe/wirtschaftliche Geschäftsbetriebe wurden nicht unterhalten. Zusätzlich hat die Stiftung durch einen Erbfall eine Zustiftung in ihr Vermögen in Höhe von 100.000 Euro erhalten. |
Lösung: Betrachtet man nur die laufenden Einnahmen, die grundsätzlich der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, käme man zum Ergebnis, dass die Vereinfachungsregelung greift. Da allerdings auch die Zustiftung berücksichtigt werden muss, liegen die Einnahmen i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO oberhalb der Grenze von 45.000 Euro. Die Einnahmen aus dem ideellen Bereich (15.000 Euro) und der Vermögensverwaltung (24.000 Euro) in Höhe von insgesamt 39.000 Euro unterliegen daher der zeitnahen Mittelverwendung und sind bis zum 31.12.2026 einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen. |
Sofern die Grenze von 45.000 Euro in einem Veranlagungszeitraum unterschritten wird, ist die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für sämtliche vorhandene Mittel ausgesetzt (vgl. AEAO Nr. 31 zu § 55 AO). Das bedeutet, dass nicht nur die Zuflüsse des Jahres nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, sondern sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Mittel. Bei späterem Überschreiten der Grenze unterliegen nur die neuen Mittelzuflüsse der zeitnahen Mittelverwendung.
Rücklagenbildung – und was dahinter steckt
In § 55 AO heißt es: „Die Körperschaft muss ihre Mittel vorbehaltlich des § 62 grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden.“ Sprich: Die steuerlichen Rücklagen i. S. v. § 62 AO sind eine Ausnahme zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Diverse Rücklagemöglichkeiten ermöglichen eine nachhaltigere stabilere Finanzplanung für Stiftungen. Die Einsatzgebiete sind vielfältig:
- Finanzielle Vorsorge: Rücklagen ermöglichen es Stiftungen, ein finanzielles Polster aufzubauen, um unvorhergesehene Belastungen zu bewältigen und Insolvenzrisiken zu minimieren.... und sind vielfältig nutzbar
- Nachhaltige Zweckerfüllung: Rücklagen erlauben die Ansammlung von Mitteln für größere Vorhaben, die der nachhaltigen Erfüllung der steuerbegünstigten Satzungszwecke dienen.
- Liquiditätssicherung: Betriebsmittelrücklagen sichern die Liquidität für wiederkehrende Ausgaben wie Löhne, Gehälter und Mieten.
- Investitionsplanung: Rücklagen ermöglichen die Planung und Finanzierung von Investitionen, wie z. B. den Bau eines Altenheims oder die Modernisierung bestehender Anlagen.
- Wiederbeschaffung: Diese Rücklagen dienen der Ansammlung von Mitteln für den Ersatz von Wirtschaftsgütern, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke erforderlich sind.
- Flexibilität: Freie Rücklagen bieten Stiftungen finanzielle Flexibilität, da sie nicht zweckgebunden sind und zur Vermögensbildung genutzt werden können.
- Projektfinanzierung: Zweckgebundene Rücklagen erlauben die Finanzierung konkreter Projekte oder die Erfüllung von Spenderwünschen.
- Fortsetzung der Beitragsserie „Rücklagenbildung bei Stiftungen – Teil 2: Der Katalog der steuerlichen Rücklagen“ → Abruf-Nr. 50318809
AUSGABE: SB 3/2025, S. 43 · ID: 50283903