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SBStiftungsBrief

FamilienstiftungStiftungserrichtung: BFH schafft Klarheit beim Steuerklassenprivileg

Top-BeitragAbo-Inhalt12.06.202499 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Die Stiftungserrichtung unterliegt der Schenkungsteuer – doch es wird auch ein Freibetrag berücksichtigt. Über dessen Höhe gab es immer wieder Streit, zum Teil auch über die anzuwendende Steuerklasse. Doch das ist jetzt vorbei. Der BFH hat nämlich klargestellt, dass als „entferntest Berechtigte“ zum Schenker auch noch nicht geborene, aber nach der Stiftungssatzung potenziell berechtigte Personen anzusehen sind. Das schmälert den Freibetrag bei den meisten neu errichteten Familienstiftungen und kann auch zu einer ungünstigeren Steuerklasse führen. SB hat die Details. |

Das sind die Besteuerungsregeln bei der Stiftungserrichtung

Bei der Errichtung einer Familienstiftung wird auf diese Vermögen übertragen. Und diese Vermögensübertragung unterliegt der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Handelt es sich um eine Zuwendung von Todes wegen, ist die Erbschaftsteuer einschlägig (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Bei einer lebzeitigen Schenkung wird Schenkungsteuer fällig (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 ErbStG). In beiden Fällen unterliegt der Besteuerung gemäß § 10 Abs. 1 ErbStG die Bereicherung der Stiftung – soweit diese nicht steuerfrei ist. Das erfordert eine Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände nach § 12 ErbStG.

Im Anschluss werden Freibeträge abgezogen und die anzuwendende Steuerklasse ermittelt. Da die Stiftung niemandem gehört, besteht zwischen dem Stifter und der Stiftung kein persönliches Verhältnis. Daraus folgt, dass von der Bereicherung der Stiftung nur ein Freibetrag von 20.000 Euro abzuziehen ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). Alles was dann verbleibt, wird mit der äußerst ungünstigen Steuerklasse III mit einem Steuersatz von 30 Prozent bei einer Bereicherung bis zu sechs Mio. Euro und 50 Prozent bei höheren Beträgen versteuert. Summa summarum eine wirklich enorme Steuerbelastung. Und das vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Familienstiftung handelt. Denn die von der Stiftung Begünstigten sind normalerweise die Angehörigen des Stifters. Würde der Stifter Vermögen direkt auf die Angehörigen übertragen, wären deutlich höhere Freibeträge abzugsfähig und es würde eine bessere Steuerklasse gelten.

Wichtig | Der besondere Versorgungsfreibetrag im Sinne des § 17 ErbStG wird bei der Übertragung auf eine Stiftung nicht gewährt (BFH, Urteil vom 25.11.1992, Az. II R 77/90).

Das „Steuerklassenprivileg“ bei der Stiftungserrichtung

Allerdings sieht § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG bei der Errichtung einer Familienstiftung eine Besonderheit vor. Für die Besteuerung ist nämlich das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Stifter zugrunde zu legen („Steuerklassenprivileg“). Dieses Privileg gilt nicht nur für die Steuerklasse. Es wirkt sich auch unmittelbar auf den Freibetrag aus (R E 15. 2 Abs. 2 ErbStR). Maßgebend für die Frage danach, wer als „entferntest Berechtigter“ anzusehen ist, sind die konkreten Bestimmungen innerhalb der Stiftungssatzung. Es muss also die Frage geklärt werden, wer alles zumindest theoretisch von der Stiftung bedacht werden kann. Maßgebend als „entferntest Berechtigter“ ist von diesen Personen dann derjenige, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wäre die Zuwendung direkt vom Stifter an ihn erfolgt. Ob dieser Berechtigte bereits zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung bezugsberechtigt ist, spielt keine Rolle. Ebenfalls ist nicht entscheidend, ob diese Person einen klagbaren Anspruch auf den Vermögensvorteil aus der Stiftung hat (R E 15.2 Abs. 1 S. 3 ErbStR).

Praxistipp | Bei späteren Zustiftungen gilt das Steuerklassenprivileg nicht. Das gilt auch dann, wenn die Zustiftung durch den Stifter vorgenommen wird. Für Zustiftungen gilt generell die Steuerklasse III und es ist lediglich ein Freibetrag von 20.000 Euro abzuziehen (R E 15.2 Abs. 3 ErbStR und BFH, Urteil vom 09.12.2009, Az. II R 22/08, Abruf-Nr. 100864). Deshalb empfiehlt es sich, gleich bei der Stiftungserrichtung das Vermögen zu übertragen und keine Übertragungen „step by step“ durch Zustiftungen vorzunehmen.

Und nun kommt das große Problem: Viele Satzungen von Familienstiftungen begünstigen die eigenen Abkömmlinge – oft über Generationen hinweg. Doch zählen die nach der Satzung potenziell begünstigten Personen auch dann zum Kreis der „entferntest Berechtigten“, wenn sie zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung noch überhaupt nicht existent sind – z. B. noch nicht geborene Enkel oder Urenkel? Diese Frage hat vor allem Auswirkung auf den Freibetrag, wie das Beispiel zeigt:

Beispiel

Ein Stifter errichtet eine Familienstiftung. Nach der Satzung sind sowohl sein Ehegatte als auch seine beiden bereits geborenen Kinder potenziell berechtigt, Vermögensvorteile aus der Stiftung zu erhalten. Der Kreis der Berechtigten erstreckt sich ferner zusätzlich noch auch auf die zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung noch nicht lebenden nachfolgenden Generationen (Enkel, Urenkel usw.).

Lösung: Gelten als „entferntest Berechtigter“ nur zum Besteuerungsstichtag lebende Personen, so sind entferntest Berechtigte die Kinder des Stifters; das würde die Steuerklasse I und einen Freibetrag von 400.000 Euro bedeuten. Werden hingegen auch noch nicht geborene Abkömmlinge für die Frage nach dem „entferntest Berechtigten“ berücksichtigt, gilt zwar ebenfalls die Steuerklasse I. Der Freibetrag reduziert sich jedoch auf 100.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).

Diese Streitfrage hat der BFH nun entschieden (BFH, Urteil vom 28.02.2024, Az. II R 25/21, Abruf-Nr. 241787). Er urteilte wie bereits zuvor das FG Niedersachsen (Beschluss vom 19.07.2021, Az. 3 K 5/21, Abruf-Nr. 223623), dass beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als „entferntest Berechtigter“ zum Schenker derjenige anzusehen ist, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Unerheblich ist, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, je geboren wird und jemals finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird.

Würde man hingegen – wie von der Klägerin begehrt – Steuerklasse und Freibetrag danach anwenden, ob die Abkömmlinge bereits geboren sind oder nicht, dann würde nach Auffassung des BFH eine Überprivilegierung bei der Stiftungserrichtung entstehen. Denn in diesem Fall könnte das Vermögen des Stifters effektiv und steuerlich privilegiert mehrere Generationen überspringend übertragen werden, ohne dass sich das negativ auf den Freibetrag und die Steuerklasse auswirken würde.

Die möglichen Szenarien für Freibeträge und Steuerklassen

Nach diesem wegweisenden BFH-Urteil gilt damit hinsichtlich des Freibetrags und der anzuwendenden Steuerklasse Folgendes:

  • 1. Sind nach der Stiftungssatzung neben dem Stifter und dessen Ehegatte nur die Kinder des Stifters sowie die Kinder vorverstorbener Kinder bezugsberechtigt, so ist die Steuerklasse I sowie ein Freibetrag von 400.000 Euro maßgebend (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
  • 2. Sind nach der Stiftungssatzung neben dem Stifter und dessen Ehegatte nur die Kinder des Stifters sowie bereits zu Lebzeiten der Kinder die Enkel des Stifters bezugsberechtigt, so ist die Steuerklasse I sowie ein Freibetrag von 200.000 Euro maßgebend (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
  • 3. Sind nach der Stiftungssatzung neben dem Stifter und dessen Ehegatte nur die Kinder des Stifters sowie bereits zu Lebzeiten der Kinder die Enkel und Urenkel des Stifters bezugsberechtigt, so ist die Steuerklasse I sowie ein Freibetrag von 100.000 Euro maßgebend (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
  • 4. Sind nach der Stiftungssatzung neben dem Stifter und dessen Ehegatte seine Abkömmlinge in gerader Linie, aber auch seine Eltern, Geschwister, die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, die Stiefeltern, die Schwiegerkinder, die Schwiegereltern oder der geschiedene Ehegatte bezugsberechtigt, so ist die Steuerklasse II und ein Freibetrag von 20.000 Euro maßgebend (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG).
  • Wichtig | In den o. g. Szenarien führt das Steuerklassenprivileg immer zu einer Besserstellung hinsichtlich des Freibetrags bzw. der anzuwendenden Steuerklasse im Vergleich zu einer normalen Besteuerung (Steuerklasse III und Freibetrag von 20.000 Euro).
  • 5. Begünstigt die Stiftungssatzung darüber hinaus weitere Personen oder wurde sie nur allgemein zugunsten der Familie des Stifters und seiner Angehörigen errichtet, so gilt die Steuerklasse III und ein Freibetrag von 20.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG und H E 15.2 ErbStH).
  • 6. Begünstigt die Stiftungssatzung auch zum Zeitpunkt der Errichtung nicht lebende Personen, dann sind diese so einzuordnen, wie das Verwandtschaftsverhältnis wäre, wenn sie bereits geboren wären. Werden z. B. noch nicht geborene Abkömmlinge begünstigt (spätere Enkel, Urenkel usw.), kann maximal die Steuerklasse I mit einem Freibetrag von 100.000 Euro gelten. Werden auch die Abkömmlinge der Geschwister über mehrere Generationen hinweg begünstigt, dann gilt bereits die ungünstige Steuerklasse III mit einem Freibetrag von nur 20.000 Euro.

Gretchenfrage: Was ist, wenn Abkömmling nie geboren wird?

Eine für die Praxis recht interessante Frage ließ der BFH jedoch ausdrücklich offen (BFH, Urteil vom 28.02.2024, Az. II R 25/21, Rz. 23, Abruf-Nr. 241787): Was gilt, wenn eine noch nicht geborene, aber potenziell berechtigte Person, zu einer ungünstigeren Steuerklasse bzw. einem geringeren Freibetrag geführt hat, aber nach einiger Zeit feststeht, dass diese Person tatsächlich nie geboren werden wird? Z. B., weil in der Stiftungssatzung neben dem Ehegatten und den bereits lebenden Kindern die noch nicht geborenen Enkel und Urenkel aufgeführt werden, die eigenen Kinder jedoch kinderlos blieben?

In diesem Fall wurde der Freibetrag bei der Stiftungserrichtung aufgrund der noch nicht geborenen Enkel und Urenkel von 400.000 Euro auf 100.000 Euro reduziert. Lässt sich, wenn später feststeht, dass niemals Enkel oder Urenkel geboren werden sollten, der bisherige Steuerbescheid ändern und anstelle des Freibetrags von 100.000 Euro ein Freibetrag von 400.000 Euro anwenden? Das würde zu einer erheblichen rückwirkenden Steuererstattung führen.

Wichtig | Diese Frage muss letztlich vermutlich der BFH klären. Nach SB-Auffassung wäre eine Änderung des Steuerbescheids über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) durchaus denkbar. Diese Korrekturnorm hätte zudem den Vorteil, dass die Festsetzungsfrist nicht ablaufen und damit einer Änderung des Steuerbescheids die Verjährung nicht entgegenstehen würde. Denn § 175 Abs. 1 S. 2 AO enthält für diese Fälle eine eigenständige Ablaufhemmung.

Spätere Satzungsänderung als Gestaltungsidee – ja oder nein?

Die Wahl der Berechtigten hat – wie gezeigt – erheblichen Einfluss darauf, welche Steuerklasse gilt und welcher Freibetrag zu gewähren ist. Die Entscheidung sollte deshalb sorgfältig getroffen werden. Da das Gesetz und nun auch die Rechtsprechung des BFH eindeutig auf die Bestimmungen der Stiftungssatzung abstellen, hat es der Stifter in der Hand, das Steuerklassenprivileg so zu nutzen, wie er es für am besten für seine Familie hält. Begünstigt er z. B. nur seine Kinder, kann er mit der Steuerklasse I und dem Freibetrag von 400.000 Euro eine geringere Besteuerung erreichen, als wenn er auch die Enkel- und Urenkelgeneration begünstigt (Freibetrag dann nur 100.000 Euro).

Deshalb liegt der Gedanke nahe, aus steuerlichen Gründen den Kreis der Berechtigten zunächst klein zu halten und diesen später durch eine Satzungsänderung auf weitere Personen zu erweitern. Doch Vorsicht! Die nachträgliche Erweiterung des Kreises der Berechtigten durch eine Satzungsänderung kann einen Fallbeileffekt haben. Denn das Finanzamt sieht in einer Satzungsänderung zugunsten der Aufnahme neuer Berechtigter die schenkungsteuerpflichtige Errichtung einer neuen Familienstiftung, wenn die Errichtung der Stiftung bei bereits damaliger Zugehörigkeit der neu aufgenommenen Berechtigten seinerzeit nach einer ungünstigeren Steuerklasse zu besteuern gewesen wäre (R E 1.2 Abs. 4 S. 3 ErbStR). Die durch Satzungsänderung entstandene „neue“ Stiftung gilt dann als Erwerber des Vermögens der „bisherigen“ Stiftung. Die Erweiterung des Kreises der Berechtigten kann also dazu führen, dass das gesamte Vermögen der Stiftung erneut der Besteuerung unterliegt. Da ist ein geringerer Freibetrag oft das geringere Übel.

Wichtig | Die Behandlung der Satzungsänderung als Errichtung einer neuen Stiftung führt parallel dazu, dass die 30-jährige Frist für die Entstehung der Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) bei der bisherigen Stiftung endet und bei der neuen Stiftung neu zu laufen beginnt.

Von besonderem Interesse könnte aber sein, dass R E 1.2 Abs. 4 S. 3 ErbStR lediglich auf die anzuwendende Steuerklasse abstellt – und diese muss unter Berücksichtigung der neuen Berechtigten ungünstiger sein als bisher (also Steuerklasse II statt I oder Steuerklasse III statt I oder II). In der Richtlinie wird hingegen nicht auf die Höhe des Freibetrags abgestellt. Das bietet – zumindest theoretisch – Gestaltungspotenzial. Begünstigt der Stifter in der Stiftungssatzung zunächst nur seinen Ehegatten und die eigenen Kinder, dann gilt für die Stiftungserrichtung die Steuerklasse I und der Freibetrag von 400.000 Euro. Wird dann mit einigem zeitlichen Abstand (Stichwort: Gestaltungsmissbrauch; § 42 AO) die Stiftungssatzung dahingehend ergänzt, dass auch die nachfolgenden Generationen zu den Berechtigten zählen, führt die Satzungsänderung gemäß dem Wortlaut von R E 1.2 Abs. 4 S. 3 ErbStR nicht zur schenkungsteuerpflichtigen Errichtung einer neuen Familienstiftung. Denn bei bereits damaliger Zugehörigkeit der neu aufgenommenen Berechtigten wäre als Enkel und Urenkel usw. ebenfalls die Steuerklasse I anzuwenden gewesen. Nur der Freibetrag würde mit 100.000 Euro deutlich geringer ausfallen. Der Freibetrag bleibt in der ErbStR jedoch unerwähnt.

Wichtig | Zwar bindet die ErbStR als Verwaltungsanweisung das Finanzamt. Es steht jedoch nicht in der Richtlinie, dass ein geringerer Freibetrag nicht zu einer schenkungsteuerpflichtigen Errichtung einer neuen Familienstiftung führt. Findige Finanzbeamte könnten deshalb auf die Idee kommen, auch aus der Aufnahme neuer Berechtigter, die zu keiner ungünstigeren Steuerklasse, aber zu geringeren Freibeträgen führen, einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang zu kreieren.

Praxistipp | Um hier in keine Steuerfalle mit langwierigen Klageverfahren zu stolpern, sollten Stifter bei Anwendung dieser Gestaltungsstrategie unbedingt vorab beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft einholen (§ 89 Abs. 2 AO). Wer den Weg der verbindlichen Auskunft geht, kann gerne der Redaktion das Ergebnis mitteilen.

AUSGABE: SB 7/2024, S. 123 · ID: 50050707

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