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Immobilien/NießbrauchBesitz auf Stiftung unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen – so gelingt es gemeinnützigkeitsrechtlich
| Vermögende Privatpersonen haben oft das Bedürfnis, ihr Vermögen im Falle ihres Todes einer gemeinnützigen Stiftung zukommen zu lassen, damit es dauerhaft für gemeinnützige Zwecke genutzt wird. Daneben ist häufig eine Versorgung nahestehender Personen aus den Erträgen des Vermögens für deren Lebenszeit gewünscht. Die Übertragung des Vermögens unter Nießbrauchsvorbehalt auf die gemeinnützige Stiftung ist eine Gestaltungsmöglichkeit, um diese Ziele zu erreichen. SB beleuchtet, welche gemeinnützigkeitsrechtlichen Restriktionen dabei zu beachten sind. |
Der praktische Fall mit Nießbrauchsvorbehalt
Anhand des folgenden typischen Beispielsfalls mit Nießbrauchsvorbehalt werden die gemeinnützigkeitsrechtlichen Restriktionen erläutert.
Beispiel |
Ein kinderloses Ehepaar möchte sein Vermögen, das im Wesentlichen aus Grundbesitz besteht, durch eine letztwillige Verfügung einer gemeinnützigen Stiftung zukommen lassen. Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten soll dessen Grundbesitz im Vermächtniswege an die Stiftung übergehen; Erbe soll der überlebende Ehegatte sein. Zum Zwecke der Versorgung des Ehegatten wird diesem im Wege des Untervermächtnisses ein Nießbrauch am übertragenen Grundbesitz zugewendet. |
Hat Nießbrauch Folgen für Gemeinnützigkeit der Stiftung?
Das Ehepaar fragt sich, ob sich dieser Nießbrauchsvorbehalt auf die Gemeinnützigkeit der Stiftung auswirken kann Nach dem Mittelverwendungsgebot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO gilt: Mittel der steuerbegünstigten Stiftung dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden.
BFH: Kein Verstoß gegen Gebot der Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit
Der BFH hat aber bereits 1998 entschieden, dass es zwar grundsätzlich gegen die Gebote der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) und Ausschließlichkeit (§ 56 AO) verstoße, wenn Personen durch Ausgaben begünstigt werden, die dem Zweck der Körperschaft fremd seien. Schädlich könnten solche Zahlungen allerdings nur sein, wenn die Körperschaft ihre eigenen Mittel, d. h. das dem satzungsmäßigen Zweck zur Verfügung stehende Vermögen und die Erträgnisse hieraus, für solche nicht satzungsmäßigen Zwecke verwende.
Im Fall des Nießbrauchsvorbehalts erhalte die Stiftung aber von Anfang an für ihre satzungsmäßigen Zwecke nur ein Vermögen, das um die jeweiligen Ansprüche Dritter ermäßigt ist. Die Gemeinnützigkeit der Stiftung werde dadurch nicht berührt. Die Erfüllung derartiger Ansprüche stelle somit keinen Verstoß gegen die Gebote der Selbstlosigkeit und der Ausschließlichkeit dar, so der BFH (Urteil vom 21.01.1998, Az. II R 16/95, BStBl 1998 II, 758). Das Ehepaar könnte daher im Beispielsfall nach dem BFH den Nießbrauchsvorbehalt einräumen, ohne dass der Stiftung die Gemeinnützigkeit aberkannt würde.
Die nicht konsistente Ansicht des BMF
Die Finanzverwaltung hat jedoch bereits im November 1998 einen Nichtanwendungserlass zu dem BFH-Urteil herausgegeben. Das Urteil weiche von den Verwaltungsanweisungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 55 ab. Danach dürfe eine Stiftung insgesamt höchstens ein Drittel des Einkommens für die Erfüllung von Ansprüchen verwenden, die durch die Übertragung von belastetem Vermögen begründet sind (BMF, Schreiben vom 06.11.1998, Az. IV C 6 – S 0177-6/98, BStBl 1998 I, 1446).
Der aktuelle AEAO zu § 55 greift in Tz. 13 die Aussage des BFH-Urteils auf. Dort heißt es: „Ist einer Körperschaft zugewendetes Vermögen mit vor der Übertragung wirksam begründeten Ansprüchen (z. B. Nießbrauch, …) belastet, deren Erfüllung durch die Körperschaft keine nach wirtschaftlichen Grundsätzen abgewogene Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens darstellt, mindern die Ansprüche das übertragene Vermögen bereits im Zeitpunkt des Übergangs. …. Die Erfüllung der Ansprüche aus dem zugewendeten Vermögen ist deshalb keine Zuwendung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.“
Weiter heißt es in Tz. 14: „Soweit die vorhandenen flüssigen Vermögensmittel nicht für die Erfüllung der Ansprüche ausreichen, darf die Körperschaft dafür auch Erträge verwenden. Ihr müssen jedoch ausreichende Mittel für die Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke verbleiben. Diese Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen, wenn für die Erfüllung der Verbindlichkeiten höchstens 1/3 des Einkommens der Körperschaft verwendet wird.“
In Tz. 15 schließlich lautet es: „… eine Stiftung höchstens ein Drittel ihres Einkommens …. für die Erfüllung von anderen durch die Übertragung von belastetem Vermögen begründeten Ansprüchen verwenden darf. Das dem entgegenstehende BFH-Urteil vom 21.01.1998, Az. II R 16/95, BStBl II 1998, 758 ist insoweit über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.“
Bemerkenswert ist, dass dieser letzte Satz in AEAO zu § 55, Tz. 15 – also die Nichtanwendungsvorschrift zum vorgenannten BFH-Urteil – erst durch BMF-Schreiben vom 12.01.2022 (Az. IV A 3 – S 0062/21/10007 :001, Abruf-Nr. 227184) in die Formulierung aufgenommen wurde. Tz. 13 und 15 widersprechen sich.
Wichtig | Zurück zum Beispielsfall: Die Einräumung eines Quotennießbrauchs von höchstens einem Drittel zugunsten einer nahestehenden Person – wie hier dem überlebenden Ehegatten – kann m. E. in keinem Fall zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der satzungsmäßigen Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO führen.
Bei Rentenverpflichtungen umfasst die Ein-Drittel-Grenze nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht nur die über den Barwert hinausgehenden, sondern die gesamten Zahlungen (AEAO zu § 55, Tz. 14). Dies lässt m. E. darauf schließen, dass auch die anteiligen Tilgungsleistungen für evtl. Bankverbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem übertragenen Grundbesitz nach Sicht der Finanzverwaltung aus einem Drittel der Erträge des übertragenen Vermögens abgedeckt werden müssen (so wohl auch Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 4. A., § 9, Rz. 117). Nach der Regelung der Lastentragung in § 1047 BGB hat dagegen Tilgungsbeträge nicht der Nießbraucher zu leisten.
Empfehlungen für den Notarvertrag Praxistipp | Im notariellen Vertrag sollte § 1047 BGB abbedungen werden. Es sollte geregelt werden, dass der überlebende Ehegatte (Nießbraucher) die Tilgungsleistungen für den übertragenen Grundbesitz zu tragen hat. |
Das Gesetz enthält eine solche Ein-Drittel-Grenze (nur) in § 58 Nr. 6 AO. Nach dieser Vorschrift darf eine Stiftung höchstens ein Drittel ihres Einkommens dazu verwenden, um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten. Nach Ansicht der Finanzverwaltung gewährt § 58 Nr. 6 AO eine Ausnahmeregelung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO für Stiftungen:
- Diese ist nur anzuwenden, wenn eine Stiftung Leistungen erbringt, die dem Grunde nach gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO verstoßen; wenn die Stiftung also z. B. freiwillige Zuwendungen an den in § 58 Nr. 6 AO genannten Personenkreis leistet oder für die Erfüllung von Ansprüchen dieses Personenkreises aus der Übertragung von Vermögen nicht das belastete oder anderes zulässiges Vermögen, sondern Erträge einsetzt (so ausdrücklich AEAO zu § 55, Tz. 15, S. 1, 2).
- Die Regelung des § 58 Nr. 6 AO ist daher von vornherein nicht anwendbar, wenn die Leistungen – wie im Falle des Nießbrauchsvorbehalts – aus Mitteln erfolgen, die dem Begünstigten und nicht der Stiftung als steuerliches Einkommen zugerechnet werden (BFH, Urteil vom 21.01.1998, a. a. O.; so auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Auflage, Rz. 4.25).... im Fall des Nießbrauchsvorbehalts weder direkt ...
Wichtig | Sollte die Finanzverwaltung dies anders sehen, ist der Vorbehalt eines Quotennießbrauchs in Höhe von einem Drittel dennoch zulässig. Denn er kann schon der Höhe nach keinen Verstoß gegen § 58 Nr. 6 AO darstellen.
Fraglich ist jedoch, ob die Regelung des § 58 Nr. 6 AO analog anwendbar sein soll. Aus der Formulierung des AEAO zu § 55, Tz. 15 (s.o.) ist die analoge Anwendung explizit nicht zu entnehmen. M. E. ist sie abzulehnen, da schon – wie ausgeführt – § 58 Nr. 6 AO dem Grunde nach im Falle des Nießbrauchsvorbehalts nicht einschlägig ist. Ebenso ist die analoge Anwendung der engen Fassung des gemeinnützigkeitsrechtlichen Begriffs der „nächsten Angehörigen“ abzulehnen, die nach der Finanzverwaltung noch nicht einmal den Angehörigenbegriff des § 15 AO umfasst (AEAO zu § 58, Tz. 12). Denn das Gemeinnützigkeitsrecht und insbesondere die abschließende Definition der Finanzverwaltung begrenzen für § 58 Nr. 6 AO die nächsten Angehörigen auf Ehegatten, Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel, Geschwister, Pflegekinder und Pflegeeltern. Bereits die Urenkelgeneration kann nicht mehr am Vermögen des Stifters partizipieren. Auch die Angemessenheit des Unterhaltsniveaus im Sinne des § 58 Nr. 6 AO sollte vorliegend keine Rolle spielen.
Praxistipps |
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Auswirkung auf Erbschaftsteuer bzw. Grunderwerbsteuer
Neben den gemeinnützigkeitsrechtlichen Fragestellungen ergeben sich bei der vorliegenden Gestaltung auch solche zur Erbschaft- bzw. Grunderwerbsteuer. Hier gilt:
Umdenken bei Finanzverwaltung ist gefragt Fazit | Der BFH hat zwar 1998 entschieden, dass die Gemeinnützigkeit einer Stiftung durch die Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht berührt wird, insbesondere die Erfüllung von derartigen Nießbrauchansprüchen keinen Verstoß gegen die Gebote der Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit darstellt.. Dennoch hält die Finanzverwaltung daran fest, dass eine Stiftung höchstens ein Drittel ihres Einkommens für die Erfüllung von Ansprüchen verwenden darf, die durch die Übertragung belasteten Vermögens begründet sind. Dies hat sie 2022 nochmals bekräftigt. Wünschenswert wäre es aber, wenn die Finanzverwaltung ihre restriktive Rechtsauffassung überdenkt und damit den Weg für die erleichterte Vermögensausstattung von gemeinnützigen Stiftungen ebnet. Dann müssten Betroffene – wie hier die Eheleute – ihren Weg nicht über eine verbindliche Auskunft absichern. |
- Erbschaftsteuer: Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG ist die Vermögensübertragung auf die Stiftung von der Erbschaftsteuer befreit, falls die Zehn-Jahresfrist des S. 2 der Vorschrift beachtet wird. Das Nießbrauchsvermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten unterliegt dagegen bei diesem der Erbschaftsteuer und ist mit dem sich aus §§ 13 ff. BewG ergebenden Kapitalwert anzusetzen. Das ist im vorliegenden Beispiel zu beachten.
- Grunderwerbsteuer: Ist – wie im Beispielsfall – der Vermächtnisgegenstand ein Nachlassgrundstück, so ist der mit dem Tod des Erblassers erfolgende Eigentumsübergang auf den Erben von der Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG). Die Eigentumsübertragung vom Erben auf den Vermächtnisnehmer in Erfüllung des Vermächtnisses ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zwar steuerbar, aber auch nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG steuerbefreit. Das gilt auch, soweit das Grundstück mit einer Grundschuld oder einem Nießbrauch belastet ist (vgl. Viskorf, GrEStG, 20. A., § 3 Rz. 163, 167). Sprich: Im vorliegenden Beispiel fällt keine Grunderwerbsteuer an.
AUSGABE: SB 7/2024, S. 137 · ID: 50025114