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UmsatzsteuerSteuerschuld bei unrichtigem Steuerausweis: EuGH erleichtert Rechnungskorrekturen

Abo-Inhalt08.03.20232827 Min. LesedauerVon Rechts- und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

| Der EuGH hat eine auch für Deutschland wichtige Weichenstellung zur Steuerschuld bei unrichtigem Steuerausweis und bei Korrekturhandlungen des Rechnungsausstellers vollzogen. Nach Auffassung des EuGH schuldet der Rechnungsaussteller zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, wenn sich die Rechnung an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher richtet. SB macht Sie mit dem Urteil vertraut, das auch für den Stiftungs-/Krankenhausbereich relevant ist. |

Streit um Rechnungen mit zu hohem Steuerausweis

Eine GmbH war Betreiberin eines Indoor-Spielplatzes. Ihre Eintrittspreise unterstellte die GmbH der österreichischen Mehrwertsteuer von 20 Prozent, obgleich – korrekt – der ermäßigte Steuersatz von 13 Prozent anzusetzen gewesen wäre. Die GmbH berichtigte ihre Umsatzsteuererklärung und verlangte eine Steuererstattung in Höhe des Differenzbetrags. Dies lehnte das Finanzamt ab mit der Begründung, die GmbH schulde die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, solange sie nicht die Rechnungen korrigiert und den Differenzbetrag an die Kunden erstattet habe. Ansonsten sei die GmbH durch eine Steuererstattung ungerechtfertigt bereichert.

Das oberste österreichische Finanzgericht (Bundesfinanzgericht) legte diesen Fall dem EuGH vor.

Keine Steuerschuld bei zu hohem Ausweis an Endverbraucher

Der EuGH hat entschieden: Nach Art. 203 MwStSystRL wird die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch, wenn jeder tatsächlich steuerpflichtige Umsatz fehlt. Die Vorschrift soll der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich aus dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann. Eine Gefährdung des Steueraufkommens setzt aber voraus, dass der Adressat der in Rede stehenden Rechnung sein Recht auf Vorsteuerabzug überhaupt geltend machen kann.

Daraus folgert der EuGH, dass ein Steuerpflichtiger den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn das Steueraufkommen nicht gefährdet sei. Dies sei der Fall, wenn die Leistung, für die die Rechnung mit dem überhöhten Betrag ausgestellt wurde, ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Denn in dem Fall bestehe kein Risiko, dass der Endverbraucher seinerseits den unrichtigen Mehrbetrag als Vorsteuer abziehe, so der EuGH (Urteil vom 08.12.2022 Rs. C-378/21, Rz. 19, Abruf-Nr. 233527).

Bedeutung für die deutsche Korrektur-Praxis

Die mit Art. 203 MwStSystRL korrespondierende nationale Norm ist § 14c UStG. § 14c UStG sieht Korrekturmöglichkeiten für den Fall des unrichtigen Steuerausweises vor. Die Entscheidung des EuGH wirkt sich auf diese Korrekturvorschriften aus; sie schränkt diese ein.

§ 14c UStG: Korrektur der Rechnung und Rückzahlung

Nach deutschem Verständnis ist die zu hoch ausgewiesene Steuer vom Unternehmer auch dann geschuldet, wenn der Leistungsempfänger nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine Korrektur der Rechnung und die Rückzahlung des Mehrbetrags an den Leistungsempfänger erfolgt (Abschn. 14c Abs. 1 S. 6 UStAE). Erst in diesem Fall kann der Steuerpflichtige den Differenzbetrag von seinem Finanzamt zurückverlangen.

Nach Auffassung des EuGH bedarf es keiner Rechnungskorrektur und auch keiner Erstattung an den Leistungsempfänger, wenn dieser ein Endverbraucher ist. Allein maßgebend ist, ob das Steueraufkommen gefährdet werden kann. Bei Endverbrauchern ist diese Gefahr ausgeschlossen.

BMF zur Rechnungskorrektur bei Lieferung von Fertigarzneimitteln

Die EuGH-Sicht dürfte auch auf die Anforderungen zur Rechnungskorrektur bei Lieferung von Fertigarzneimitteln durch Krankenhäuser durchschlagen. Denn die meisten Krankenhäuser hatten in der Vergangenheit bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln im ambulanten Bereich den vollen Steuersatz abgerechnet. Das BMF dagegen sieht im BMF-Schreiben vom 13.12.2022 (Az. III C 3 – S 7170/20/10001 :001, Abruf-Nr. 232916) die Abgabe in weiten Teilen als umsatzsteuerfrei; ein zivilrechtlicher Vergleich zwischen dem Krankenhaus und der privaten Krankenversicherung (PKV) kann für Umsätze vor dem 01.01.2023 wie eine Rechnungsberichtigung behandelt werden, wenn der Umsatzsteuerdifferenzbetrag gezahlt worden ist, so das BMF.

Nach dem EuGH-Urteil vom 08.12.2022 ist das gar nicht erforderlich: Im PKV-Bereich ist Schuldner und Rechnungsempfänger der Versicherer, nicht die PKV. Rechnungsempfänger ist also ein Endverbraucher. Folglich kann das Krankenhaus eine Korrekturmeldung an das Finanzamt abgeben. Es muss nicht zuvor den Umsatzsteuerdifferenzbetrag an den Versicherten (oder nach Vorgabe des BMF an die PKV) erstattet haben. Dem Vernehmen nach haben Finanzämter Korrekturmeldungen auf Basis der EuGH-Rechtsprechung bereits akzeptiert, ohne dass Rechnungen korrigiert und der Umsatzsteuerdifferenzbetrag erstattet werden mussten. Der Rechnungsaussteller hatte sich unmittelbar auf die EuGH-Entscheidung und das Unionsrecht berufen. Ihm dürften auch Erstattungszinsen nach § 233a AO zustehen.

Wichtig | Offen ist, wie mit der Lieferung von Fertigarzneimitteln bei gesetzlich Versicherten zu verfahren ist. Rechnungsempfänger ist hier die gesetzliche Krankenversicherung. Diese müsste u. E. mit den Endverbrauchern gleichgestellt werden; denn die Gefahr eines Steuerausfalls ist hier ebenso wenig zu erkennen wie bei einem Endverbraucher. Die weiteren Entwicklungen, ggf. auch auf Gesetzesebene, sind hier abzuwarten.

AUSGABE: SB 4/2023, S. 79 · ID: 49190559

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