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SBStiftungsBrief

SatzungLG Paderborn: Maßgeblichkeit der Stiftungssatzung (auch) für unverbesserliche Stiftungsorgane

Top-BeitragAbo-Inhalt30.11.202210180 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Tina Bieniek, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

| Die Regelungen in der Stiftungssatzung geben den Stifterwillen wieder. Sie müssen aus diesem Grund von den Stiftungsorganen immer beachtet werden. Ein jüngst ergangenes Urteil des LG Paderborn erinnert daran, dass selbst dauerhafte Verstöße gegen die Satzung deren Maßgeblichkeit und Bedeutung nicht schmälern. SB wirft einen genauen Blick auf die Entscheidung und zieht die Lehren für die Praxis. |

Streit um wirksame Bestellung eines Kuratoriumsmitglieds

Der vom LG Paderborn entschiedene Fall befasste sich mit der Wirksamkeit der Entsendung eines Mitglieds in das Kuratorium einer Stiftung. Einzelheiten des Sachverhalts wurden zwar mit der Entscheidung des LG nicht veröffentlicht – das Gericht verwies auf den vom AG Paderborn in der Vorinstanz ermittelten Sachverhalt, zu dem es aber kein veröffentlichtes Urteil gibt. Aus der rechtlichen Würdigung ergeben sich aber hinreichende Anknüpfungspunkte, um den Ablauf nachvollziehen zu können.

Verein als Stifter

Eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts (die spätere Beklagte) war 2009 durch einen Verein als Stifter errichtet worden. Er wurde dabei durch seine Erste Vorsitzende vertreten; andere Vereinsorgane waren nicht eingebunden (und mussten es nach der Vereinssatzung auch nicht sein). Im Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung wurde ein Stiftungsvorstand bestellt, dem u. a. die Erste Vorsitzende des stiftenden Vereins angehörte.

Satzung sieht neben Vorstand Kuratorium vor

Die Satzung der Stiftung regelte, dass es außer dem Vorstand ein Kuratorium geben sollte. Es sollte sich aus drei Personen zusammensetzen: Zwei Mitglieder sollten zur Disposition des stiftenden Vereins stehen, ein Mitglied sollte frei gewählt werden. Das Kuratorium sollte grundsätzlich auf sechs Jahre bestellt werden, aber auch nach Ablauf der Amtszeit bis zur Wahl neuer Mitglieder im Amt bleiben.

Die Abberufung eines Kuratoriumsmitglieds vor Ablauf seiner Amtszeit konnte nach der Satzung nur durch das Kuratorium selbst beschlossen werden.

Wunsch auf Rückgängigmachung der Entsendung von K

Ein Kuratorium wurde tatsächlich erst einige Jahre später – im Jahr 2012 – bestellt. Es wurde dabei festgelegt, wer als vom Verein entsandtes und wer als frei gewähltes Mitglied gelten sollte. Als einige Jahre später eines der entsandten Mitglieder verstarb, entsandte der Verein – wieder vertreten durch seine Erste Vorsitzende – im Jahr 2020 mit dem Einverständnis des verbleibenden Kuratoriums ein neues Kuratoriumsmitglied K (die spätere Klägerin).

Schon wenige Monate darauf bereute die Erste Vorsitzende des Vereins diese Entscheidung und versuchte, die Entsendung der K rückgängig zu machen. Sie erklärte u. a. die „Rücknahme der Wahl“ und versuchte, Abberufungsbeschlüsse innerhalb des Kuratoriums herbeizuführen. Eine wirksam einberufene und beschlussfähige Versammlung kam allerdings nie zustande.

K wandte sich daraufhin an das Amtsgericht Paderborn und erhob Klage auf Feststellung, dass sie Kuratoriumsmitglied der Stiftung sei. Zunächst blieb sie mit ihrer Klage allerdings erfolglos; dagegen legte sie Berufung ein. Das LG Paderborn änderte die Entscheidung des AG ab und stellte fest, dass K wirksam Kuratoriumsmitglied der beklagten Stiftung geworden war (LG Paderborn, Urteil vom 14.09.2022, Az. 1 S 100/21, Abruf-Nr. 231844).

LG hält Bestellung des Kuratoriumsmitglieds für wirksam

In seinem Urteil entwirrte das LG nicht nur die auf den ersten Blick undurchdringliche Vielzahl an Erklärungen, Beschlüssen und (Ab-)Berufungsversuchen, sondern rief vor allem in rechtlicher Hinsicht die Maßgeblichkeit der Satzung in Erinnerung.

Satzungsregelung bindend

Das LG stellte insbesondere fest: Wenn es eine Satzungsregelung zur Bestellung von Organmitgliedern gibt, müssen sich die Beteiligten daran festhalten lassen. Konkret bedeutete das:

  • Über die nach der Satzung als Kuratoriumsmitglieder entsandten Personen hatte allein der Verein als Stifter zu entscheiden. Von seinem Entsenderecht hatte er durch Abgabe entsprechender Erklärungen Gebrauch gemacht. Die K war damit Kuratoriumsmitglied für die satzungsmäßige Amtszeit von sechs Jahren geworden. Ob das Kuratorium die Entsendung billigte, war in rechtlicher Hinsicht nicht relevant.
  • Über die Abberufung der K hingegen hätte nach der Satzung allein das Kuratorium entscheiden dürfen. Ein wirksamer Abberufungsbeschluss durch das Kuratorium lag jedoch nicht vor. Die Willensänderung des entsendeberechtigten Vereins bzw. seiner Ersten Vorsitzenden und deren Wunsch, die Entsendung rückgängig zu machen, war unbeachtlich.

Keine Entscheidungen nach eigenem Gutdünken

Weder bei der Bestellung noch bei der Abberufung konnten die Beteiligten damit die Satzungsregelungen durch Entscheidungen nach eigenem Gutdünken überlagern.

Wichtig | Das LG Paderborn stellte klar, dass dieser Grundsatz immer und ohne Einschränkungen gilt – und zwar selbst dann, wenn die Beteiligten die Satzung wiederholt oder auch an anderen Stellen nicht berücksichtigt haben. Anders gesagt: „Gewohnheitsmäßiges Ignorieren“ der Satzung hilft den Stiftungsorganen nicht weiter.

Die Lehren aus dem Urteil des LG Paderborn

Was simpel klingt, ist eine der wesentlichen Schlussfolgerungen aus dem Urteil des LG Paderborn: Stiftungsorgane müssen die Stiftungssatzung beachten. Die Satzung ist kein bloßer Vorschlag oder eine reine Empfehlung, sondern entscheidender Maßstab und Grundlage für das Handeln der Stiftungsorgane. Sie können den in der Satzung zum Ausdruck kommenden Stifterwillen nicht durch ihren eigenen Willen ersetzen.

Vorgaben in der Satzung sind zwingend

Wenn der Stifter in seiner Satzung Vorgaben macht, müssen diese daher von den Stiftungsorganen zwingend berücksichtigt werden. Alles andere ist ein Pflichtverstoß der Organmitglieder. Diese bleiben nicht folgenlos, sondern können – immer abhängig von der Situation im Einzelfall – z. B. die folgenden Sanktionen nach sich ziehen:

  • Abberufung als Stiftungsorgan aus wichtigem Grund
  • (Außerordentliche) Kündigung abgeschlossener Anstellungs- oder Dienstverträge
  • Abmahnungen
  • Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz
  • Ggf. steuerrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen

Notwendigkeit einer ausgewogenen Satzungsgestaltung

Die Maßgeblichkeit des Stifterwillens schließt es nicht aus, dass die Stiftungsorgane Gestaltungsfreiheit haben. Dem Stifter – aber auch nur ihm – steht es frei, ihnen einen eigenen Entscheidungsspielraum zuzubilligen.

In der Praxis sind entsprechende Regelungen weit verbreitet. Sie sind häufig auch sehr sinnvoll, denn der Stifter kann gar nicht alles voraussehen und abschließend regeln. Gerade in den folgenden Bereichen können sich Satzungsregelungen anbieten, die den Stiftungsorganen einen eigenen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum einräumen:

  • Bei Entscheidungen über die Verwaltung des Stiftungsvermögens/Erlass von Anlagerichtlinien
  • Bei Entscheidungen über die Zweckverwirklichung und Mittelvergabe/Erlass von Förderrichtlinien
  • Bei Entscheidungen über die Besetzung von Stiftungsorganen (z. B. das Recht zur Hinzuwahl weiterer Organmitglieder oder zu deren Abberufung) oder deren Rechte und Pflichten (z. B. die Festlegung einer Tätigkeitsvergütung)
  • Bei der Ermächtigung der Stiftungsorgane zum Beschluss von Satzungsänderungen oder sonstigen Strukturmaßnahmen (z. B. Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, Zulegung, Zusammenlegung oder Auflösung der Stiftung)

Sorgfältige Ausgestaltung der Satzungsregelungen ist das A und O

Bei der Gestaltung kommt es entscheidend auf die jeweilige Stiftung an. Nicht jeder Stifter möchte seinen Stiftungsorganen das gleiche Maß an Entscheidungsbefugnissen einräumen. Umgekehrt kann der Stifter jedoch auch nicht alle Entscheidungen den Stiftungsorganen überlassen, sondern muss jedenfalls die Grundlinien vorgeben.

Aus diesem Grund müssen Satzungsregelungen, die den Stiftungsorganen Gestaltungsspielräume gewähren, im Einzelfall sorgfältig ausgestaltet werden. Je mehr die Entscheidungsbefugnisse der Stiftungsorgane in die Grundlagen der Stiftung eingreifen, desto klarere Vorgaben sollte der Stifter machen. Gerade die Ermächtigung der Stiftungsorgane, die Stiftungssatzung zu ändern, sollte sehr detailliert gestaltet sein (das setzt das neue Stiftungsrecht in den §§ 85 ff. BGB n. F. ausdrücklich voraus).

Leitlinien für Stifter

Als Leitlinien kann der Stifter bei seiner Entscheidung über die Satzungsregelungen insbesondere die folgenden Punkte bedenken:

Leitlinien

Regelungsziel

  • Was möchte ich regeln?
  • Wo sind mir verbindliche Vorgaben für die Stiftungsorgane wichtig?
  • Wo sollen die Stiftungsorgane Spielräume haben?

Regelungs-

bedarf

  • Brauche ich eine Satzungsregelung?
  • Ergibt sich das von mir gewünschte Regelungsziel ggf. schon aus dem Gesetz?
  • Möchte ich trotzdem eine klarstellende Satzungsregelung schaffen?

Rahmen- bedingungen

  • Welches Gremium soll für die spätere Entscheidung zuständig sein (Vorstand, Kuratorium, Aufsichtsrat etc.)?
  • Soll es Sonderrechte geben (z. B. Vetorechte, Anhörungsrechte oder Informationsrechte)?
  • Welche Mehrheiten sind erforderlich?
  • Soll die Entscheidungsbefugnis der Stiftungsorgane von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden?

AUSGABE: SB 12/2022, S. 226 · ID: 48739508

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