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StipendienVG Köln trifft wichtige Entscheidung zur Gewährung von Stipendienleistungen
| Das VG Köln hat zu einer „Familienstiftung“ des öffentlichen Rechts klargestellt, dass einem „übergangenen“ Bewerber um ein Stipendium kein Rechtsschutz zusteht. Da Stipendienvergaben zu den typischen Leistungen vieler Förderstiftungen zählen, lohnt es sich, einen Blick in die Entscheidung und die damit verbundenen Themen zu werfen. |
Streit um Stipendienleistungen für Abkömmling
Der im Jahr 2007 geborene Schüler verlangte die Gewährung eines Stipendiums aus einer „sogenannten Familienstiftung“, einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts, die von B verwaltet wurde. Die Stifter hatten bestimmt, dass von der Stiftung drei verschiedene Arten von Stipendien jeweils unter denselben Voraussetzungen an Nachkommen der Stifterfamilie vergeben werden sollten.
Der Schüler, ein Nachkomme der Stifterfamilie, bewarb sich auf ein Stipendienangebot, versäumte es jedoch, Bewerbungsunterlagen vollständig vorzulegen. Sein Förderbedarf war vor allem in finanzieller Hinsicht nicht nachgewiesen. Verwalter B lehnte eine Förderung ab. Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Schüler. Er trug im Wesentlichen vor, dass
- die Vergabe der Stipendien aus der Stiftung nicht von einer vorherigen Bedürftigkeitsprüfung abhängig gemacht werden dürfe;
- es keine weiteren Bewerber um das Stipendium gegeben habe, sodass dem Schüler schon mangels Konkurrenz ein Stipendium hätte zuerkannt werden müssen, da er als anerkannter Abkömmling der Stifter auch die weiteren in der Stiftungsurkunde enthaltenen Voraussetzungen erfülle.
B hingegen argumentierte, dass er mit Recht Vergabekriterien erstellte, die unter anderem eine Bedürftigkeit als Voraussetzung einer Stipendiengewährung vorsehen dürften. Im Übrigen habe es durchaus mehrere Bewerber gegeben, deren Anträge positiv hatten beschieden werden können.
VG Köln hält Klage für unzulässig
Das VG Köln ordnete die Klage bereits als unzulässig ein (VG Köln, Urteil vom 10.11.2021, Az. 3 K 2200/18, Abruf-Nr. 227877).
Klage des Schülers fehlt bereits Rechtsschutzinteresse
Der Klage fehlt das allgemeine Rechtsschutzinteresse. Denn der Schüler forderte im Zeitpunkt der Klageerhebung ein, dass ihm eine von insgesamt drei „Stipendienportionen“ zugesprochen werde, obwohl diese bereits an drei andere Destinatäre vergeben waren.
B konnte überdies nachweisen, dass er unter insgesamt sechs Bewerbern eine Auswahlentscheidung um die zur Verteilung anstehenden Stipendien getroffen und auf dieser Grundlage die zur Verfügung stehenden drei Stipendien tatsächlich vergeben hatte. Der Schüler hätte daher eine Anfechtungsklage („Die Auswahl der Stipendiaten ist falsch.“) mit einer Verpflichtungsklage („Mir selbst steht ein Stipendium zu.“) kombinieren müssen, um die Ausschöpfung der Stipendien durch die erfolgreichen Bewerber zu verhindern und seine eigenen Chancen auf Erhalt eines Stipendiums zu erhöhen. Dies hat er jedoch nicht getan. Folglich ist die Zuerkennung der Stipendien an die anderen Bewerber bestandkräftig geworden und spätestens dadurch sein etwa bestehender Anspruch untergegangen.
Keine Klagebefugnis des Schülers
Darüber hinaus war die Klage aber auch deshalb unzulässig, weil dem Schüler die für die Klagebefugnis erforderliche eigenständige Rechtsposition fehlte. Allein aus dessen bloßer Eigenschaft als potenzieller Destinatär der Stiftung folgt diese nicht. Denn allein daraus ergibt sich nicht, ob und in welchem Umfang diese eine ggf. auch gerichtlich durchsetzbare Rechtsposition einräumt, so das VG. Dafür ist auf den in der Stiftungssatzung verbindlich niedergelegten Willen des Stifters abzustellen. Und der legte fest, dass über die Vergabe des Stipendiums eine außerhalb der Familien der Stifter stehende dritte Stelle entscheiden sollte. Eine weitere Überprüfung der Entscheidung sollte nach dem Willen der Stifter ausdrücklich ausgeschlossen sein.
Entscheidung betrifft eine besondere „Familienstiftung“
Im vorliegenden Fall sollte man sich nicht von der Begrifflichkeit verwirren lassen. Eine typische „Familienstiftung“ lag nämlich nicht vor, denn dies würde bekanntlich – trotz fehlender einheitlicher Legaldefinition im Stiftungsrecht und trotz aller Unterschiede in den Definitionen der Steuergesetzgebung – voraussetzen, dass es der Stiftung typischerweise um die finanzielle Unterstützung der Mitglieder einer oder auch mehrerer Familien auf der Basis eines privatrechtlichen Stiftungsgeschäfts geht.
Relevanz der Entscheidung für die Praxis
Relevant dürfte die Entscheidung des VG Köln vor allem für gemeinnützige Stiftungen sein, die Stipendien vergeben. Die Stipendienvergabe stellt eine in der Praxis häufige Art und Weise der Zweckverwirklichung vor allem von fördernden Stiftungen dar. Sie stärkt die Rechtsposition solcher Stiftungen gegenüber „abgelehnten Bewerbern“ nach einem Vergabeverfahren.
Das Urteil liegt auf einer Linie mit der Ansicht des BGH zum Rechtsschutz eines Bewerbers, der bei der Stipendienvergabe nicht berücksichtigt ist (BGH, Urteil vom 15.12.2016, Az. I ZR 63/15, Abruf-Nr. 190789, Uhl, EWiR 2017, 263). Der BGH hatte damals folgende drei Grundsätze aufgestellt:
- Potenzielle Destinatäre haben allenfalls dann einen klagbaren Anspruch auf ein Stipendium, wenn der Stifter dies in Stiftungsurkunde oder Stiftungssatzung ausdrücklich vorgesehen hat. Verbleibt dem Vorstand ein Auswahlrecht, ist hiervon nicht auszugehen.
- Die Ausschreibung eines Stipendiums ist rechtlich weder ein Preisausschreiben noch können im Verhältnis des potenziellen Destinatärs zur Stiftung die Regeln angewendet werden, die für vorvertragliche Schuldverhältnisse gelten.
- Einem „übergangenen“ Bewerber steht kein Anspruch auf eine erneute Entscheidung über die Stipendienvergabe zu, wenn das Stipendium bereits an eine andere Person vergeben wurde, der Förderzeitraum abgelaufen ist und der abgelehnte Bewerber den geförderten Studiengang ohne die Gewährung des Stipendiums bereits absolviert hat.Mit der Vergabe des Stipendiums ist die Tür für andere Bewerber zu
Wichtig | Diese vom BGH aufgestellten Grundsätze stärken die Rechtssicherheit von stipendienvergebenden Förderstiftungen. Sie können – vorbehaltlich von ausdrücklichen Satzungsvorgaben – nach ordnungsgemäßem Ermessen ergangene Vergabeentscheidungen treffen, ohne dabei den abgelehnten Bewerber ausführlich Rechenschaft über die Auswahlentscheidung geben zu müssen.
Vergaberichtlinie bei gemeinnützigen Stiftungen schaffen
Gemeinnützige Stiftungen, die Stipendien vergeben, sollten dies nach gewissen Grundsätzen und Verfahrensweisen (z. B. auf Empfehlung eines Expertengremiums) tun; diese werden idealerweise in einer Stipendienrichtlinie niedergelegt. Dies kann, sofern der Stifter „seiner“ Stiftung eine solche Richtlinie nicht mit auf dem Weg gegeben oder sonst in der Satzung vorgegeben hat, auch durch Beschluss des Stiftungsvorstands geschehen.
Hintergrund dafür bildet das Erfordernis des Gemeinnützigkeitsrechts, die Allgemeinheit zu fördern und nicht spezifische Interessen Einzelner zu bedienen (vgl. § 52 AO). Dieser Aspekt kam auch im Kölner Fall zur Sprache, weil im Verfahren vorgetragen wurde, dass eine Förderung nicht zulässig ist, wenn diese nicht durch fachliche, sachliche oder finanzielle Gesichtspunkte gerechtfertigt sei.
Mit den Stipendienrichtlinien hat die Stiftung gegenüber der Finanzverwaltung ein wichtiges Mittel zur Hand. Damit kann sie nachweisen, dass die Stipendien trotz Förderung eines oder mehrerer einzelner Stipendiaten gerade zum Wohle der Allgemeinheit vergeben wurden, wenn und weil die Förderentscheidung nach objektiven Richtlinien getroffen worden ist und nicht auf dem Gutdünken des jeweiligen Stiftungsvorstands basierte. Die Förderentscheidung muss nachvollziehbar auf der Grundlage der Förderkriterien erfolgen, entschied schon das FG Thüringen (Urteil vom 26.02.2015, Az. 1 K 487/14, Abruf-Nr. 146032, rechtskräftig).
Entscheidung gemäß der Richtlinien treffen und dokumentieren Praxistipp | Stiftungen müssen Stipendienrichtlinien nicht zwingend veröffentlichen (z. B. auf der Homepage der Stiftung). Wesentlich ist, dass sie zumindest stiftungsintern vorgehalten und Förderentscheidungen nach den dort niedergelegten Regeln getroffen werden. Selbstverständlich sollte die Stiftung auch die Förderentscheidungen ausreichend dokumentieren. |
AUSGABE: SB 5/2022, S. 91 · ID: 48078884