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SBStiftungsBrief

GemeinnützigkeitFinanzverwaltung justiert AEAO nach – das sind die für Stiftungen wichtigen Neuerungen

Abo-Inhalt15.02.20222846 Min. LesedauerVon Dr. Matthias Uhl, Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger und Partner, München

| Die Finanzverwaltung hat beim Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) nachjustiert. Sie hat insbesondere bei den Anforderungen, die an steuerbegünstigte Kooperationen im Sinne von § 57 Abs. 3 AO gestellt werden, nachgebessert. Außerdem hat die Finanzverwaltung zahlreiche Entscheidungen des BFH in den AEAO eingearbeitet. SB StiftungsBrief informiert Sie über die für Stiftungen wichtigen Inhalte und Konsequenzen. |

Kooperationen nach § 57 Nr. 3 AO

Eine Stiftung kann ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar verfolgen, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht (§ 57 Abs. 3 AO). Das arbeitsteilige Zusammenwirken gemeinnütziger Stiftungen und anderer Körperschaften wird dadurch maßgeblich erleichtert. Auf diese Weise können Tätigkeiten steuerbegünstigt sein, die es für sich genommen mangels entsprechender Zuordnung zu den steuerbegünstigten Zwecken der §§ 52 bis 54 AO nicht wären.

Beispiel

Eine GmbH ist als Verwaltungs- und Buchhaltungsstelle für eine Reihe von Kindertagesstätten tätig. Da das kein steuerbegünstigter Zweck ist, kann sie nicht gemeinnützig werden. Im Rahmen einer Kooperation nach § 57 Abs. 3 AO kann sie aber steuerbegünstigt sein, wenn in diesem Verbund alle Einrichtungen gemeinnützig sind und die GmbH ihre Leistungen zum überwiegenden Teil an diese Einrichtungen erbringt.

„Doppeltes Satzungserfordernis“ bleibt weiter im AEAO

Das „doppelte Satzungserfordernis“ gilt bei Kooperationen gemäß § 57 Abs. 3 AO weiter, welches die Finanzverwaltung 2021 im AEAO für die Anwendung des § 57 Abs. 3 AO aufgestellt hatte (BMF, Schreiben vom 06.08.2021, Az. IV C 4 – O 1000/19/10474 :004, Abruf-Nr. 223942). In AEAO Nr. 8 zu § 57 Abs. 3 AO heißt es nach wie vor, dass

  • das Zusammenwirken mit anderen Körperschaften zur Verwirklichung des eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecks in der Satzung als Art der Zweckverwirklichung festgehalten sein muss und
  • die Körperschaften, mit denen kooperiert wird und die Art und Weise der Kooperation in den Satzungen der Beteiligten bezeichnet werden müssen.

Wichtig | Die Unsicherheiten rund um die „Bezeichnung“ der Kooperationspartner und die „Bezeichnung“ der „Art und Weise der Kooperation“ bleiben weiter bestehen.

Neue Erleichterung bei Kooperationen innerhalb einer Gruppe

Eine kleine Erleichterung hat die Finanzverwaltung zu Gruppenbezeichnungen geschaffen (BMF, Schreiben vom 12.01.2022, Az. IV A 3 – S 0062/21/10007 :001, Abruf-Nr. 227184). In AEAO Nr. 8 zu § 57 Abs. 3 AO hat sie folgenden neuen Absatz 2 aufgenommen:

AEAO / Nr. 8 zu § 57 Abs. 3 AO – neuer Absatz 2

Bei mehreren Kooperationspartnern genügt es, wenn diese anhand der Satzung konkret nachvollziehbar sind, beispielsweise bei einer Kooperation innerhalb eines Konzern- oder Unternehmensverbundes durch Bezeichnung des Konzerns oder des Unternehmensverbundes. Eine namentliche Benennung der einzelnen Kooperationspartner muss sich dann aus einer Aufstellung ergeben, die der Finanzverwaltung bei Beginn der Kooperation und bei Änderung der Kooperationspartner zusätzlich zur Satzung vorzulegen ist.

Wichtig | Diese Erleichterung für die Bezeichnung bei Kooperationen innerhalb einer Gruppe („Konzern- oder Unternehmensverbund“) dürfte in erster Linie den großen Wohlfahrtsverbänden und gemeinnützigen Krankenhausverbünden zugutekommen. Neu ist jedoch das Erfordernis einer „Aufstellung“, aus der sich die namentliche Benennung der einzelnen Kooperationspartner ergeben muss. Leider bleibt unklar, was der konkrete Inhalt und was die Rechtsnatur eines solchen „Side-Letters“ ist. Da die neue zusätzliche Vorlagepflicht bei jeder „Änderung der Kooperationspartner“ den Verwaltungsaufwand erhöht, dürfte auch diese Verwaltungsvorgabe dem Anliegen des Gesetzgebers nach „Entbürokratisierung“ zuwiderlaufen.

Praxistipp | Stiftungen, die diese Unsicherheiten und bürokratischen Hürden bei § 57 Abs. 3 AO umgehen möchten, sollten prüfen, ob sie den Weg über § 58 Nr. 1 AO (fördernde Zweckverwirklichung), § 58 Nr. 4 AO (Personalüberlassung, § 58 Nr. 5 AO (Raumüberlassung), § 57 Abs. 1 S. 2 AO (Hilfsperson), § 57 Abs. 2 AO (Dachverband) oder § 57 Abs. 4 AO (Holding) gehen. Denn § 57 Abs. 3 AO weist Überschneidungen und Berührungspunkte zum arbeitsteiligen Zusammenwirken auf. Hinzu kommt, dass neu auch Nutzungsüberlassungen, Warenlieferungen und die Erbringung von Dienstleistungen zu den „Mitteln“ einer gemeinnützigen Stiftung zählen und daher vor allem eine fördernde Tätigkeit für Kooperationen in Betracht kommt.

Neue Erleichterung vor Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit

Die Finanzverwaltung schafft eine Erleichterung zur zeitlichen Anwendbarkeit der steuerbegünstigten Kooperationsmöglichkeit in einer neuen Nr. 9 zu § 57 Abs. 3 AO:

AEAO / Nr. 9 zu § 57 Abs. 3 AO

Das planmäßige Zusammenwirken kann bereits vor der zivilrechtlichen Wirksamkeit (in der Regel Registereintragung oder Anerkennung/Genehmigung) bei den kooperierenden Körperschaften erfolgen, wenn darüber ein wirksamer Organbeschluss vorliegt, das Verfahren zum Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit eingeleitet wurde und diese später auch eintritt. Die zivilrechtliche Wirksamkeit muss aber grundsätzlich zumindest bei der Körperschaft vorliegen, die sich auf § 57 Abs. 3 AO beruft. ....

Wichtig | Es muss also ein wirksamer Organbeschluss zu einer entsprechenden Satzungsänderung vorliegen. Das „Verfahren zum Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit“ muss eingeleitet sein. Dies dürfte bei gemeinnützigen Stiftungen der Fall sein, sobald der Antrag auf Genehmigung (bzw. Anerkennung) der Satzungsänderung bei der zuständigen Stiftungsbehörde nachweislich gestellt ist. Darüber hinaus muss die Satzungsänderung später auch zivilrechtlich wirksam werden. Bei der kooperierenden reinen Dienstleistungs- oder Servicegesellschaft muss aber die zivilrechtliche Wirksamkeit von Anfang an bestehen; die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Kooperation müssen also von Anfang an erfüllt sein.

Einarbeitung der Rechtsprechung des BFH

Die Finanzverwaltung hat das BMF-Schreiben vom 12.01.2022 zum Anlass genommen, zahlreiche Entscheidungen des BFH in den AEAO einzuarbeiten und damit die Entscheidungsinhalte über den Einzelfall hinaus für anwendbar zu erklären. Für Stiftungen sind folgende Entscheidungen relevant:

Formelle Satzungsmäßigkeit bei letztwilliger Stiftungserrichtung

Die Finanzverwaltung übernimmt die BFH-Rechtsprechung zur formellen Satzungsmäßigkeit bei letztwilliger Stiftungserrichtung (BFH, Urteil vom 06.06.2019, Az. V R 50/17, Abruf-Nr. 211564): Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht einer Stiftung von Todes wegen beginnt, unabhängig vom Zeitpunkt der zivilrechtlichen Anerkennung, bereits mit dem Tode des Stifters. Die Ausdehnung einer solchen Rückwirkungsfiktion auf die Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO kommt aber nicht in Betracht. Eine Steuerbegünstigung ab dem Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht ist damit nur möglich, falls zum Zeitpunkt des Todes des Stifters eine ordnungsgemäße Satzung vorliegt (AEAO Nr. 6 zu § 51 AO – neuer Absatz 2).

Praxistipp | In Fällen letztwilliger Stiftungserrichtungen ist den Erblassern angeraten, ihren letztwilligen Verfügungen bereits eine Stiftungssatzung beizufügen. Diese muss die Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts an die sog. formelle Satzungsmäßigkeit erfüllen, also insbesondere die Vorgaben der gemeinnützigkeitsrechtlichen Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) einhalten. Diese Anforderung geht über die stiftungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Anerkennungsfähigkeit von Stiftungen von Todes wegen hinaus.

Angemessene Vorstandsvergütungen und Bagatellvorbehalt

In AEAO Nr. 25 zu § 55 AO findet sich nun die BHF-Rechtsprechung zur Angemessenheit von Geschäftsleitervergütungen und in AEAO Nr. 6 zu § 63 AO zum „Bagatellvorbehalt“. Beides geht auf die Entscheidung des BFH vom 12.03.2020 (Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488) zurück. Stiftungsverantwortliche sollten hier Folgendes wissen:

  • Um die Mittelfehlverwendungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO durch überhöhte Vergütungen an den Geschäftsführer einer gemeinnützigen Körperschaft festzustellen, ist ein Fremdvergleich anzustellen. „Unverhältnismäßig“ i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO ist gleichbedeutend mit „unangemessen“ im Bereich einer verdeckten Gewinnausschüttung.
  • Zur Feststellung einer unverhältnismäßig hohen Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers kann die Vergütung entweder mit den Entgelten verglichen werden, die Geschäftsführer oder Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens beziehen (interner Fremdvergleich) oder mit den Entgelten, die unter gleichen Bedingungen an Fremdgeschäftsführer anderer Unternehmen gezahlt werden (externer Fremdvergleich). Maßstab des externen Fremdvergleichs können dabei auch Vergütungen sein, die Wirtschaftsunternehmen für vergleichbare Tätigkeiten gewähren.
  • Der Bereich des Angemessenen erstreckt sich auf eine gewisse Bandbreite; unangemessen sind nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen. Ein „krasses Missverhältnis“ der Gesamtvergütung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Angemessenheitsgrenze um mehr als 20 Prozent überschritten wird (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488).
  • Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der ihm innewohnende Bagatellvorbehalt bilden ein unverzichtbares Korrektiv, um in Einzelfällen die einschneidende Rechtsfolge des Verlusts der Gemeinnützigkeit auszuschließen (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488). Geringfügige Verstöße, z. B. gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO, rechtfertigen daher nicht den Entzug der Gemeinnützigkeit.

Gemeinnützigkeit des Trägers einer Privatschule

In AEAO zu § 52 wird unter Nr. 5 ein neuer Absatz 1 eingefügt, der die BFH-Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit des Trägers einer Privatschule übernimmt (BFH, Beschluss vom 26.05.2021, Az. V R 31/19, Abruf-Nr. 224725): Der Träger einer Privatschule fördert mit dem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

Zulässigkeit eines „politischen Engagements“ gemeinnütziger Stiftungen

Was die politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften angeht, übernimmt der AEAO die langjährige (Attac-)Rechtsprechung des BFH. Folgende fünf Aussagen aus dem AEAO sind für das politische Engagement gemeinnütziger Stiftungen relevant:

  • Aus dem Begriff der politischen Bildung von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO (Förderung der Volksbildung) und Nr. 24 AO (allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens) ergibt sich kein eigenständiger steuerbegünstigter Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung in beliebigen Politikbereichen im Sinne eines „allgemeinpolitischen Mandats“ (AEAO Nr. 9 zu § 52 AO).
  • Eine steuerbegünstigte allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens nach § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO ist nur gegeben, wenn sich die Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt (BFH, Beschluss vom 18.08.2021, Az. V B 25/21, Abruf-Nr. 225542, AEAO Nr. 9 zu § 52 AO).
  • Politische Bildung ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, z. B. durch einseitige Agitation oder unkritische Indoktrination (AEAO Nr. 9 zu § 52 AO).
  • Politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungs- und Willensbildung, Gestaltung der öffentlichen Meinung oder Förderung politischer Parteien) zählen nicht zu den gemeinnützigen Zwecken i. S. v. § 52 AO (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO).
  • Parteipolitische Betätigung ist immer unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO).

Neben diesen Grundaussagen trifft der AEAO auch konkrete Klarstellungen was die politische Betätigung steuerbegünstigter Stiftungen angeht, insbesondere was sie konkret dürfen (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO).

Politische Betätigung als Mittel zur Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke

Es ist einer steuerbegünstigten Körperschaft gestattet, auf die politische Meinungs- und Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss zu nehmen, wenn dies der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke dient und parteipolitisch neutral bleibt.

Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Zwecke und deren Verwirklichung erfordert. Zur Förderung der Allgemeinheit gehört die kritische öffentliche Information und Diskussion dann, wenn ein nach § 52 Abs. 2 AO begünstigtes Anliegen der Öffentlichkeit und auch Politikern nahegebracht werden soll.

Wichtig | Unschädlich sind folglich nach Einschätzung der Finanzverwaltung etwa die Einbringung von Fachwissen auf Aufforderung in parlamentarischen Verfahren oder gelegentliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen im Rahmen der steuerbegünstigten Satzungszwecke. Eine derart dienende und damit ergänzende Einwirkung muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Bei Verfolgung der eigenen satzungsmäßigen Zwecke darf die Tagespolitik nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO).

Politische Betätigung außerhalb satzungsmäßiger Zwecke

Die Finanzverwaltung stellt außerdem klar, es nicht zu beanstanden, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO). Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (AEAO Nr. 6 zu § 63).

Beispiel

Eine Stiftung mit dem Stiftungszweck Förderung von Kunst und Kultur ruft gelegentlich zu Klimaschutz auf.

AUSGABE: SB 3/2022, S. 50 · ID: 47980340

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