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ImmobilienAnpassung der Miete bei Betriebsschließung im Lockdown: Die Folgen für Stiftungsimmobilien
| Stiftungen investieren oft in Immobilien. Denn aus den kontinuierlichen Mieterträgen kann die Stiftung ihre satzungsgemäßen Zwecke bei überschaubarem Aufwand erfüllen. Mit der Pandemie hat sich dies insoweit verändert, als gewerbliche Mieter häufig Mietminderungen einfordern. Hier sorgt der BGH nun für Klarheit: Er hat eine Mietzahlungspflicht bejaht, hält aber eine Vertragsanpassung für möglich. SB stellt Ihnen die BGH-Grundsätze vor und erläutert die Folgen für betroffene Stiftungen. |
Grundsätze des BGH zu pandemiebedingter Mietminderung
Der BGH hat zu einem Fall aus dem Frühjahr 2020 folgende Grundsätze für pandemiebedingte Mietminderungen im gewerblichen Mietrecht aufgestellt.
Regeln zur Gewährleistung und zum Leistungsstörungsrecht gelten fort
Die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und die Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 Abs. 1 BGB zum Wegfall bzw. zur Anpassung der Geschäftsgrundlage, sind auch in Zeiten von Corona anwendbar. Sie sind nicht durch Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen; dadurch werde lediglich die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines coronabedingten Zahlungsverzugs des Mieters ausgesetzt (BGH, Urteil vom 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21, Abruf-Nr. 226898).
Kein Mangel an der Immobilie durch pandemiebedingte Schließung
Die pandemiebedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts (dies wird sinngemäß auch für andere Gewerbeimmobilien gelten) führt nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands i. S. v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten, auch nicht ganz oder teilweise unmöglich, so der BGH.
Anpassung der Miethöhe wegen Störung der Geschäftsgrundlage
Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beruht, kommt ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miethöhe wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Frühjahr 2020 ist die große Geschäftsgrundlage betroffen.
Doch allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Der BGH stellt hier klar: Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache, auch für eine enttäuschte Gewinnerwartung. Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, verwirklicht sich ein allgemeines Lebensrisiko. Das pandemieverursachte Risiko kann keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden.
Kriterien für eine Mietanpassung
Der BGH lehnt eine Vertragsanpassung dahingehend ab, dass die Miete für die Dauer der Geschäftsschließung pauschal um die Hälfte herabgesetzt werden darf. Er verlangt vielmehr eine umfassende und auf den Einzelfall bezogene Abwägung, welche Nachteile dem gewerblichen Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Für ihn relevant sind
- der konkrete Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung, wobei nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist;
- zumutbare Maßnahmen, die der Mieter ergriffen hat oder ergreifen hätte können, um drohende Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern (z. B. bei Restaurants: Umstellung auf Lieferdienst).
Bei der Prüfung sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat; unbeachtlich sind dabei Mittel auf Basis eines Darlehens. Auch die Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsschließungsversicherung des Mieters können zu berücksichtigen sein.
Wichtig | Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters hält der BGH dagegen nicht für erforderlich.
Gefahren eines zu großzügigen Mietverzichts für Stiftung
Stiftungen, die Gewerbeimmobilien vermieten und denen bereits eine Mietminderung angedroht oder diese eingefordert wurde, sollten sich mit dem BGH-Urteil auseinandersetzen. Keinesfalls müssen Stiftungen jede Mietminderung gewerblicher Mieter akzeptieren. Auch die Begründung der pandemiebedingten Schließung alleine genügt nicht. Vielmehr muss der Mieter die Voraussetzungen für eine Anpassung der Miethöhe aufgrund veränderter Geschäftsgrundlage anhand der Kriterien des BGH konkret darlegen und beweisen. Er muss der Stiftung die wirtschaftliche Situation offenlegen.
Verzichten Stiftungen zu bereitwillig auf Teile der Miete, obwohl sie dies nach der Entscheidung des BGH nicht müssten, machen sich die verantwortlichen Organe ggf. haftbar. Gemeinnützigkeitsrechtlich kann darin zudem eine Mittelfehlverwendung i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO liegen.
BGH-Recht-
sprechung weiter
im Blick haben Praxistipp | Beim BGH sind noch weitere Revisionen anhängig. Siftungen sollten diese im Auge behalten, weil es dort um weitere Fragen bzw. spätere Betriebsschließungszeiträume geht. |
AUSGABE: SB 3/2022, S. 58 · ID: 47996133