Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage
SBStiftungsBrief

StiftungsrechtDie Beschlussfassung in den Stiftungsgremien: So lassen sich vorausschauend Fehler vermeiden

Abo-Inhalt31.01.20222171 Min. LesedauerVon RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

| Selbst organisatorisch „gut aufgestellten“ Stiftungen unterlaufen regelmäßig Fehler bei der Beschlussfassung der Stiftungsorgane, die in Folge die Gerichte beschäftigen. Einige dieser Fehler lassen sich durch klare und unmissverständliche Formulierungen in der Satzung vermeiden. SB stellt die häufigsten Fehler und besondere Problembereiche bei der Beschlussfassung vor und bietet Lösungsansätze inklusive Musterformulierungen für die Satzung. |

Interne Willensbildung der Stiftung durch Vorstand

Die interne Willensbildung der Stiftung erfolgt durch den Vorstand. Handelt es sich um eine einzelne Person, gelten keine Besonderheiten gegenüber der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, etwa zu Geschäftsfähigkeit, Irrtum, Täuschung etc. Häufiger besteht der Vorstand dagegen als Kollektivorgan aus mehreren Personen (in diesem Zusammenhang spricht man auch von einem „mehrgliedrigen“ Vorstand). In dem Fall vollzieht sich seine Willensbildung entsprechend dem allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz durch Beschlussfassung (vgl. MüKo-BGB/Weitemeyer, § 86 BGB, Rz. 23).

Für Stiftungen gilt das Beschlussrecht für Vereine

Für die Beschlüsse von Stiftungsorganen verweist § 86 S. 1 BGB über § 28 BGB auf das Beschlussrecht der Mitgliederversammlung des Vereins in den §§ 32, 34 BGB. Beschlüsse des Stiftungsvorstands werden deshalb grundsätzlich in einer Versammlung gefasst, zu der alle Mitglieder des Vorstands unter Bezeichnung der vorgesehenen Beschlussgegenstände ordnungsgemäß zu laden sind, § 86 S. 1, § 28, § 32 Abs. 1 S. 1, 2 BGB (MüKo-BGB/Weitemeyer, a. a. O, § 86 BGB, Rz. 23).

Anwesenheitsquorum für Beschlussfähigkeit

Für die Beschlussfähigkeit im Vorstand bedarf es einer ordnungsgemäß einberufenen Versammlung, die eine Mehrheit bilden kann. Häufig gibt es in der Praxis ein bestimmtes Anwesenheitsquorum für die Mitglieder des Vorstands (Beck-OGK/Jakob/Picht, 01.02.2021, § 86 BGB, Rz. 27), das je nach Umfang des Organs die Hälfte, zwei Drittel oder drei Viertel der regulären bzw. – bei Bandbreiten – Höchstmitgliederzahl vorsieht (vgl. Vertragsformulare Premium, Form. 10.14.16 Anm. 23, beck-online).

Nachfolgend finden Sie ein Muster für ein Anwesenheitsquorum bei einem Stiftungsvorstand, der nach der Satzung aus drei Personen besteht:

Satzungsklausel / Anwesenheitsquorum

Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens zwei seiner Mitglieder anwesend sind.

Anträge zur Tagesordnung

Jedes Vorstandsmitglied hat das Recht, die Tagesordnung der betreffenden Vorstandssitzung und somit den Gegenstand der Versammlung um einen von ihm gewünschten Punkt zu ergänzen, sofern es sich dabei nicht gerade um einen Fall des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs handelt (Beck-OGK/Jakob/Picht, 01.02.2021, § 86 BGB Rz. 27).

Satzungsklausel / Tagesordnung

  • 1. Die Tagesordnung setzt der Vorstand fest.
  • 2. Jedes Vorstandsmitglied kann bis spätestens eine Woche vor der Vorstandssitzung beim Vorstand schriftlich eine Ergänzung der Tagesordnung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorstand.

Umlaufverfahren

Im „Umlaufverfahren“ ist ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig. Der Beschluss kann schriftlich gefasst werden. Voraussetzung ist, dass zuvor alle Vorstandsmitglieder ihre Zustimmung zum Umlaufverfahren erklärt haben; die Satzung kann Erleichterungen bei der Zustimmung vorsehen.

Satzungsklausel / Umlaufverfahren

Der Vorstand kann einen Beschluss auch schriftlich fassen, wenn ... (alle, zwei Drittel der) Vorstandsmitglieder dieser Form der Beschlussfassung schriftlich ihre Zustimmung erteilen (Umlaufverfahren).

Stimmverbote einzelner Gremiumsmitglieder

Interessenkonflikte können dazu führen, dass ein Mitglied des Vorstands im Einzelfall an der Willensbildung nicht teilnehmen darf (Einzelheiten dazu finden Sie in einem Beitrag in einer der nächsten Ausgaben).

Interne Stellvertretung (durch anderes Gremienmitglied)

Ein Stiftungsvorstand kann sich bei der Beschlussfassung innerhalb des Stiftungsvorstands durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten lassen. Dem stehen keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben entgegen (Beck-OGK/Jakob/Picht, § 86 BGB Rz. 27). Auch dazu mehr demnächst in SB.

Protokolle

Über die Beschlüsse im Stiftungsvorstand sollten Protokolle erstellt und während des Bestehens der Stiftung aufbewahrt werden. Denn solche Protokolle sind immer dann sehr hilfreich, wenn man – ggf. Jahre später – die Willensbildung im Stiftungsvorstand nachvollziehen möchte.

Satzungsklausel /  Protokoll

  • 1. Die in den Sitzungen gefassten Beschlüsse des Vorstands sind zu protokollieren.
  • 2. Das Protokoll ist vom Protokollführer sowie vom Vorsitzenden, bei dessen Verhinderung von seinem Stellvertreter sowie einem anderen Mitglied des Vorstands zu unterschreiben.
  • 3. Alle Beschlüsse des Vorstands sind zu sammeln und während des Bestehens der Stiftung aufzubewahren.

Einberufungsrecht, Ladung und Ladungsfrist

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wer zur Sitzung einlädt.

Einberufungsrecht des Vorsitzenden

Nach der Entscheidung des VG Karlsruhe ist der Vorsitzende (im Entscheidungsfall war es der Vorsitzende des Kuratoriums) verpflichtet, nach Bedarf oder auf Wunsch eines Mitglieds der Stiftungsorgane Sitzungen einzuberufen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann eine grobe Pflichtverletzung darstellen, die zur Abberufung des betreffenden Organmitglieds berechtigt (VG Karlsruhe, Beschluss vom 18.01.2018, Az. 7 K 14854/17, Abruf-Nr. 227127).

Im Karlsruher Fall bestand der dringende Bedarf, zeitnah eine Sitzung des Kuratoriums einzuberufen, um eine Kooptation zu ermöglichen. Denn die nach der Satzung vorgesehene Mindestzahl von fünf Kuratoriumsmitgliedern wurde durch das Ausscheiden einiger Kuratoren unterschritten, sodass das Kuratorium nicht mehr satzungsmäßig besetzt war. Dennoch verschleppte das Kuratoriumsmitglied die Einberufung einer Sitzung immer wieder.

Praxistipp | Für die Satzungsgestaltung empfiehlt sich im Hinblick auf die Ladung Folgendes:

  • Die Stiftungssatzung sollte die Person exakt benennen, die zur Einberufung der Sitzung berechtigt ist.
  • Um einen Stillstand des Gremiums zu vermeiden, sollten – unabhängig von der Einberufung aus aktuell wichtigem Grund – ferner feste Zeitintervalle für ein reguläres Zusammentreten der Gremien vorgesehen werden.

Satzungsklausel /  Einberufung der Vorstandssitzung

  • 1. Der Vorstand wird von seinem Vorsitzenden – bei dessen Verhinderung von seinem stellvertretenden Vorsitzenden – schriftlich und unter Angabe der einzelnen Punkte der Tagesordnung mindestens ... (z. B. monatlich/zweimal im Kalenderjahr/vierteljährlich) einberufen.
  • 2. Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen.

Initiativrecht der einzelnen Mitglieder des Stiftungsvorstands

Der Fall vor dem VG Karlsruhe verdeutlicht aber auch, dass es sinnvoll sein kann, ein Initiativrecht der Vorstandsmitglieder für eine Einberufung aus wichtigem Grund in die Stiftungssatzung aufzunehmen. Mit einem solchen Initiativrecht wird nicht nur die Handlungsfähigkeit des Gremiums erhöht, sondern zudem verhindert, dass z. B. der Vorsitzende des Stiftungsvorstands aufgrund einer ihm allein zukommenden Filterfunktion unliebsame Themen unterdrückt und sie von der gemeinsamen Beschlussfassung ausnimmt.

Satzungsklausel /  Einberufung der Vorstandssitzung – Initiativrecht

Der Vorstand ist auch einzuberufen, wenn ein Mitglied des Vorstands es verlangt. In seinem Verlangen muss das Vorstandsmitglied den Beratungspunkt angeben.

Einberufungsrecht des Stiftungsbeirats bei dualistischen Stiftungen

Bei sog. dualistischen Stiftungen, also Stiftungen, die neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Organ des Stiftungsvorstands auch mit einem Stiftungsbeirat als Kontrollorgan ausgestattet sind, empfiehlt sich analog § 111 Abs. 3 AktG ein Einberufungsrecht des Stiftungsbeirats im Hinblick auf den Stiftungsvorstand in der Stiftungssatzung. Dies geschieht rein vorsorglich für den Fall, dass das Wohl der Stiftung eine solche Einberufung erfordert (vgl. Hippeli, ZStV 2018, 167 [169]).

Satzungsklausel /  Einberufung – Recht des Stiftungsbeirats

Der Vorstand ist auch einzuberufen, wenn der Stiftungsbeirat es verlangt. In seinem Verlangen muss der Stiftungsbeirat den Beratungspunkt angeben.

Einberufungsverlangen einzelner Vorstandsmitglieder

Bei der Satzungsgestaltung kann auch darüber nachgedacht werden, ob das Einberufungsrecht einzelner Vorstandsmitglieder nicht zusätzlich verstärkt wird, um gerade solche Fälle wie den des VG Karlsruhe zu vermeiden. Denn wenn z. B. allein der Vorstandsvorsitzende zur Einberufung berechtigt ist, dies aber nicht tut, bliebe den übrigen Mitgliedern nur, entweder den Vorstandsvorsitzenden zivilrechtlich zur Einberufung zu verpflichten oder den Weg über die Stiftungsaufsicht zu gehen.

Im Aktienrecht besteht – allerdings aus Gründen des bei einer Stiftung mangels kapitalistischer Struktur nicht anwendbaren Minderheitenschutzes – eine Ermächtigung durch das Registergericht gemäß § 122 Abs. 3 S. 1 AktG. Nach § 50 Abs. 3 S. 1 GmbHG besteht die Möglichkeit, dass, wenn dem (im Falle einer Stiftung: satzungsgemäßen) Einberufungsverlangen einzelner Vorstandsmitglieder durch den Vorstandsvorsitzenden nicht entsprochen wird, diese die Einberufung selbst bewirken können. Entsprechendes kann in der Stiftungssatzung geregelt werden.

Satzungsklausel /  Einberufung – Einberufungsverlangen Einzelner

Wird dem Einberufungsverlangen eines Mitglieds des Vorstands oder des Stiftungsbeirats nicht entsprochen oder sind die Personen, die nach dieser Satzung zur Einberufung zuständig sind, nicht vorhanden, so können das Mitglied des Vorstands, das die Einberufung verlangt, oder der Stiftungsbeirat unter Mitteilung des Sachverhältnisses die Einberufung selbst bewirken. Der Vorstand beschließt, ob die entstandenen Kosten von der Stiftung zu tragen sind; das Mitglied des Vorstands, bei dem die Kosten entstanden sind, hat insoweit kein Stimmrecht.

Einladung per E-Mail – Hürden in der Praxis

Fraglich ist, was gilt, wenn die Stiftungssatzung – was regelmäßig vorkommt – eine Bestimmung enthält, wonach zu Sitzungen des jeweiligen Gremiums „schriftlich“ einzuladen ist. Darf hier auch per E-Mail eingeladen werden?

BGH: Gewillkürte „einfachere“ Schriftform lässt Telefax-Übermittlung zu

Bereits 1996 entschied der BGH, dass die Austrittserklärung aus einem Verein regelmäßig zu den Rechtsgeschäften gehöre, bei denen dem in der Vereinssatzung vorgesehenen Schriftformerfordernis durch Telefax-Übermittlung genügt werden könne. Obwohl Vereinssatzungen hinsichtlich Auslegung und Revisibilität aus Erwägungen ganz anderer Art ähnlich wie Rechtsnormen behandelt würden, handle es sich bei ihnen um privat-autonome Rechtssetzungen und nicht um gesetzliche. Die in Vereinssatzungen oft für Austrittserklärungen vorgeschriebene Schriftform sei damit grundsätzlich als gewillkürte – „einfachere“ – Schriftform im Sinne des § 127 BGB (das bedeutet telegraphische Übermittlung oder Briefwechsel) zu behandeln und nicht wie eine durch das Gesetz vorgeschriebene – „aufwändigere“ – Schriftform im Sinne des § 126 BGB (eigenhändige Namensunterschrift, bei einem Vertrag Unterzeichnung auf derselben Urkunde erfolgen, notarielle Beurkundung) .

Ein im Vergleich zu anderen rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die ohne weiteres unter Wahrung der vorgesehenen Schriftform auch per Telefax abgegeben werden können, erhöhtes Bedürfnis nach Authentizität der Unterschrift oder die Notwendigkeit der Wahrung eines Schutzzweckes, die der Benutzung dieser Übermittlungsform entgegenstehen könnten, sei im Einklang mit der herrschenden Meinung im verbands- und vereinsrechtlichen Schrifttum nicht anzuerkennen (BGH, Urteil vom 22.04.1996, Az. II ZR 65/95, Rz. 8).

Übertragung des Rechtsgedankens auf die Satzung einer Stiftung

Diesen Gedanken überträgt die Rechtsprechung auf die Satzung einer Stiftung wie auch auf die Einladung zur Stiftungsratssitzung per E-Mail, weshalb bei vorgesehener Schriftform die Einladung per E-Mail genüge (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.09.2018, Az. 5 U 130/18, Abruf-Nr. 226986).

Wichtig | Im Einzelfall kann sich aber ein Beweisproblem ergeben. Das zeigt ein Fall, den das VG Berlin entschieden hat: Der Vorsitzende des Stiftungsrats hatte die Mitglieder per E-Mail zu einer Sitzung des Stiftungsrats für einen Termin in drei Wochen eingeladen. Ein Stiftungsratsmitglied bestritt mit Schreiben drei Tage vor der Sitzung den rechtzeitigen Zugang der Ladung und nahm an der Sitzung nicht teil. Auf dieser Sitzung wurden fünf der bisherigen und ein neues Mitglied des Stiftungsrats gewählt. Über die Wirksamkeit dieser Beschlüsse entbrannte Streit. Das VG stellte dazu (unbeanstandet vom OVG) fest, dass diese Wahl neuer Stiftungsratsmitglieder unwirksam gewesen sei, weil sich eine ordnungsgemäße Ladung zu dieser Sitzung nicht feststellen ließe. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht habe, hätte der Versender eine Lesebestätigung anfordern müssen. Das sei nicht erfolgt (VG Berlin, Urteil vom 27.02.2014, Az. 29 K 67.13, Abruf-Nr. 226985).

Praxistipp | Der Einberufende sollte die Einladungen rein vorsorglich mit einer Lesebestätigung versenden und/oder die Adressaten um eine Bestätigung des Erhalts bitten. Erfolgt keinerlei Reaktion oder lässt sich die Situation nicht einvernehmlich regeln, ist ggfs. erneut für einen späteren Termin und unter Einhaltung der satzungsgemäßen Fristen sowie mit Nachweismöglichkeit (Einwurf-Einschreiben oder persönliche Übergabe unter Zeugen) zu laden. Zwar kann die mit dem Einberufungsmangel behaftete Sitzung dennoch stattfinden, aber darin gefasste Beschlüsse tragen das Risiko der Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit in sich.

AUSGABE: SB 2/2022, S. 23 · ID: 47943831

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte