Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Feb. 2022 abgeschlossen.
UmsatzsteuerBFH begrenzt Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Zweckbetriebe
| Der BFH hat die Steuerermäßigung für Zweckbetriebe eingegrenzt und damit der stiftungsfreundlicheren Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen. Ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse. |
Die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG legt für alle Leistungen gemeinnütziger Körperschaften den ermäßigten Steuersatz fest, soweit sie nicht im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Begünstigt sind also Umsätze im Zweckbetrieb und der Vermögensverwaltung. Diese Begünstigung wird aber eingeschränkt.
- Der Zweckbetrieb darf nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sein, zusätzliche Einnahmen in solchen Bereichen zu erzielen, in denen sich auch andere Unternehmen bewegen, die dem allgemeinen Steuersatz von 19 Prozent unterliegen (Alternative 1).Kein Wettbewerb mit regelbesteuerten Unternehmen
- Die Körperschaft muss mit diesen Leistungen ihrer in §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen (Alternative 2).Körperschaft muss Leistungen selbst erbringen
Für die umsatzsteuerliche Beurteilung als Zweckbetrieb genügt es also nicht, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ertragsteuerlich als Zweckbetrieb behandelt wird. Es muss zusätzlich eine der beiden oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein.
Finanzverwaltung mit weiter Auffassung zu § 65 AO im UStAE
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die sogenannten allgemeinen Zweckbetriebe nach § 65 AO von diesen Einschränkungen nicht betroffen (Abschn. 12.9 Abs. 9 UStAE). Die Begründung lautet: § 65 AO enthält bereits ein Wettbewerbsverbot. Nämlich: Zweckbetriebe dürfen zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Die Finanzverwaltung geht also davon aus, dass das Wettbewerbsverbot des § 65 AO mit dem des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG identisch ist. Sie folgert daher: Der ermäßigte Steuersatz sei auf Zweckbetriebe nach § 65 AO uneingeschränkt anwendbar (Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 2 UStAE).
BFH sieht es enger
Der BFH folgt der Auffassung der Finanzverwaltung nicht. Er ist der Ansicht, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 Alt. 1 UStG auf alle Zweckbetriebe und damit auch auf Zweckbetriebe nach § 65 AO anwendbar ist (BFH, Urteil vom 26.08.2021, Az. V R 5/19, Abruf-Nr. 226276).
BFH: Keine allgemeine Steuerermäßigung für Zweckbetriebe
Beim BFH ging es um eine gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation, die vergleichende Untersuchungen über Angebote von Versicherungen durchführte. Auf dieser Grundlage erstellte sie für Einzelpersonen mit deren individuellen Daten gegen Entgelt eine individuelle Versicherungsvergleichsanalyse. Der BFH bestätigte, dass diese Leistungen in den Zweckbetrieb fallen. Die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes lehnte er aber ab.
Wichtig | Das Urteil ist deshalb bedeutsam, weil sich die bisherigen BFH-Urteile auf Katalogzweckbetriebe bezogen (zuletzt z. B. BFH, Urteil vom 23.07.2019, Az. XI R 2/17, Abruf-Nr. 212364). Neu ist, dass der BFH nun den ermäßigten Steuersatz auch für einen besonderen Zweckbetrieb ausschließt.
BFH: Für Zweckbetriebszuordnung gibt es keine EU-rechtliche Grundlage
Der BFH hat schon früher festgestellt, dass die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 1 UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Entsprechend hat er die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes z. B. für die Beherbergung und Verpflegung bei Weiterbildungsveranstaltungen ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 08.03.2012, Az. V R 14/11, Abruf-Nr. 121803).
Jetzt hat er erneut klargestellt, dass es für die allgemeine Steuerermäßigung für Zweckbetriebe nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG keine Grundlage im Gemeinschaftsrecht gibt. Die gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Steuerermäßigungen sind in Anhang III der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) aufgelistet. Hier erlaubt Nr. 15 lediglich den ermäßigten Steuersatz für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit. Darunter fielen die Versicherungsvergleichsanalysen aber nicht, weil sie sich nicht ausschließlich an einen bedürftigen Personenkreis richteten.
BFH: Keine allgemeine Steuerermäßigung für besondere Zweckbetriebe
Der Auffassung der Finanzverwaltung, dass der ermäßigte Steuersatz auf Zweckbetriebe nach § 65 AO uneingeschränkt anwendbar ist, widerspricht der BFH ausdrücklich. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 Alt. 1 UStG enthält – ähnlich wie § 65 Nr. 3 AO – zwar ein Wettbewerbskriterium. Für eine unterschiedliche Behandlung von allgemeinen und besonderen Zweckbetrieben gibt es aber keine sachlichen Gründe. Die besonderen umsatzsteuerlichen Anforderungen müssen von sämtlichen Zweckbetrieben erfüllt sein.
Die Wettbewerbsklausel des § 65 Nr. 3 AO spricht von einem zulässigen „unvermeidbaren“ Wettbewerb. Hier ist also – so der BFH – eine Abwägung im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen steuerbelasteten Konkurrenten und gemeinnützigen Körperschaften erforderlich. Die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 Alt. 1 UStG muss dagegen strenger ausgelegt werden. Der ermäßigte Steuersatz ist bereits dann ausgeschlossen, wenn der Zweckbetrieb in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient und dadurch in unmittelbarem Wettbewerb zu Unternehmern tritt, die mit ihren Leistungen dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Der ermäßigte Steuersatz – so der BFH – darf nur angewendet werden, wenn er zu keiner oder nur zu einer geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt.
Wichtig | Das war bei den Versicherungsvergleichen nicht der Fall. Die Verbraucherschutzorganisation trat mit ihren Finanzanalysen über Versicherungen zu Vergleichsportalen, Versicherungsmaklern und insbesondere zu Versicherungsberatern in Wettbewerb. Dass dieser Wettbewerb unvermeidbar war, ist für die Anwendung der Steuerermäßigung ohne Bedeutung. Bei Steuersatzermäßigungen – so der BFH – muss die einfache und korrekte Anwendung des gewählten ermäßigten Satzes gewährleistet sein. Das schließt Abwägungsentscheidungen wie in § 65 AO aus.
Zweckbetriebsschädlich sind „zusätzliche Einnahmen“
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 Alt. 1 UStG schließt die Steuerermäßigung für einen Zweckbetrieb aus, wenn mit ihm in erster Linie zusätzliche Einnahmen erzielt werden.
- Das ist nach Auffassung des BFH bereits dann der Fall, wenn die Einrichtung die Einnahmen im Zusammenhang mit Leistungen erzielt, die für die Verwirklichung ihres steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks nicht unerlässlich sind.... satzungsmäßigen Zweck erfüllen?
- „In erster Linie“ (vorrangig) – so der BFH – erzielt ein Zweckbetrieb diese Einnahmen bereits dann, wenn es sich um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des jeweiligen Zweckbetriebs handelt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Körperschaft aus den zusätzlichen Einnahmen Gewinne erzielt oder dass Einnahmen der Körperschaft verbleiben.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Die Auslegung des BFH wirft mehr Fragen auf, als sie klärt. Zunächst bleibt unklar, in welchen Fällen ein Zweckbetrieb mehrere Tätigkeitsgegenstände haben kann. Ebenso bleibt offen, wann Einnahmen „unerlässlich“ für die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks sind.
Eindeutig ist der BFH nur in folgender Bewertung: Der ermäßigte Steuersatz darf nur angewendet werden, wenn er zu keiner oder nur einer geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt. Hier legt er die Anwendung der Steuerbegünstigung also weit enger aus, als das aus der Wettbewerbsklausel in § 65 AO folgt.
BFH will ermäßigten Steuersatz nur in sehr engem Rahmen gewähren fazit | Nach der gesetzgeberischen Intention des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG sollten sich die umsatz- und ertragsteuerliche Begünstigung von Zweckbetrieben decken. Umsätze des Zweckbetriebs unterlägen danach regelmäßig dem ermäßigten Steuersatz. Die neuere Rechtsprechung des BFH folgt dem leider nicht mehr. Es ist zwar zu erwarten, dass die Finanzverwaltung das BFH-Urteil nicht über den Einzelfall hinaus anwendet. Das folgt schon daraus, dass die Entscheidung nur schwer auf vergleichbare Fälle anzuwenden ist. Trotzdem könnte das Urteil den Finanzämtern eine Grundlage liefern, Stiftungen zumindest die Umsatzsteuerermäßigung zu verweigern, wenn es schon einer ertragsteuerlichen Zuordnung der Einnahmen zum Zweckbetrieb nicht entgegentreten kann. Insgesamt bestätigt das Urteil auch eine seit längerem bestehende Tendenz des BFH, die Steuerermäßigungs- und -befreiungstatbestände sehr restriktiv auszulegen. |
AUSGABE: SB 2/2022, S. 34 · ID: 47903259