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Cum-ExZivilrechtlich geht es nun um den Gesamtschuldnerausgleich bei Cum-Ex-Transaktionen
| Cum-Ex-Transaktionen führen nicht nur zu Streit von Straf- und Finanzgerichten. Die an solchen Strukturen beteiligten natürlichen und juristischen Personen geraten sich bei der finanziellen Endabwicklung auch zivilrechtlich „in die Haare“. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen stellen sich schwierige Rechtsfragen, wie der Fall des LG Hamburg zeigt. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Die Klägerin zu 2) (K2) ist ein CRR-Kreditinstitut, die Klägerin zu 1) (K1) ist eine Beteiligungsgesellschaft, Inhaberin sämtlicher Aktien an K2 und hat mit K2 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Seit dem Veranlagungszeitraum 2007 bilden K1 und K2 eine körperschaftsteuerliche Organschaft. Die Klägerin zu 3) (K3) ist eine Kapitalverwaltungsgesellschaft i. S. d. Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB).
Die Beklagte zu 1) (B1) ist ein Unternehmen der T-Gruppe, eines der größten Interdealer-Broker weltweit, die Transaktionen zwischen professionellen Marktteilnehmern vermitteln. Die Beklagte zu 2) (B2) gehört auch zur T-Gruppe. Die Klage gegen die Beklagte zu 3) (B3), einem CRR-Kreditinstitut (größte deutsche Bank), wurde nach einem Vergleich zurückgenommen. Der Beklagte zu 4) (B4), ein deutscher Anwalt und Steuerberater, wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt, ist inhaftiert und lebt in der Schweiz. Der Beklagte zu 5) (B5), ein deutscher Anwalt, arbeitete mit B4 zusammen und ist auch verurteilt worden.
In den hier streitgegenständlichen Jahren 2007 bis 2011 kam es zu Cum-Ex-Transaktionen unter Beteiligung der Klägerinnen. K2 führte – nach ihrer Behauptung auf Vorschlag der B4 und B5 – als Käuferin Cum-Ex-Transaktionen durch. 2009 und 2010 legte K3 – nach der Behauptung der Klägerinnen ebenfalls auf Vorschlag von B4 und B5 und auf Basis der von diesen vorgelegten Gutachten – zwei Investmentfonds auf, die als Anlagestrategie Cum-Ex-Transaktionen hatten. Die Steuerbehörden forderten zu Unrecht angerechnete Kapitalertragsteuer zurück. K1 zahlte 185.929.049,65 EUR. Nach Einspruch gegen die geänderten Bescheide wies das FG Hamburg die Klage ab (9.11.23, 6 K 228/20). Der BFH hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden (VIII B 17/24). Mit Haftungsbescheid vom 4.11.20 nahm das Bundeszentralamt für Steuern u. a. K3 als Haftungsschuldnerin nach §§ 69, 35 AO für die an B3 erstattete Kapitalertragsteuer i. H. v. 60.856.488,12 EUR in Anspruch. Der Betrag ist beglichen worden.
Die Klägerinnen verlangen von den Beklagten Zahlungen aufgrund an die Steuerbehörden geleisteter Beträge. Ursprünglich stützten sie die Klage auf § 826 BGB mit der Behauptung, von Leerverkäufen nichts gewusst zu haben und von einem Ausgleich für Steuerausländer ausgegangen zu sein. Nun nehmen sie die Beklagten nur noch im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs in Anspruch.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise unzulässig. Sie ist dem Grunde nach – soweit sie zulässig ist – nur gegenüber B1 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet (LG Hamburg 5.3.25, 330 O 3/21, Abruf-Nr. 249937).
Merke | Ein Grundurteil darf gem. § 304 Abs. 1 ZPO nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (LG Düsseldorf 7.8.20, 6 O 317/15 unter Verweis auf BGH 25.10.13, V ZR 230/12 und OLG Hamm 8.2.18, 21 U 95/15). Weitere Voraussetzung ist zudem, dass der Erlass eines Grundurteils zweckmäßig ist.
Vorliegend hält die Kammer in Bezug auf B1 Ansprüche dem Grunde nach für gegeben. Es sei auch wahrscheinlich, dass Ansprüche der K1 und K3 in irgendeiner Höhe – zumindest in der Höhe, in der B1 von den streitgegenständlichen Transaktionen durch Provisionen profitiert hat – bestehen. Dies gelte auch insoweit, wie Gesamtschuldnerausgleichsansprüche durch die als Steuerschuldnerin in Anspruch genommene K1 geltend gemacht werden. Im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bestehe keine vorrangige Haftung des Steuerschuldners im Verhältnis zum Haftungsschuldner (s. auch BGH 22.10.92, IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50).
In welcher Höhe B1 von den Transaktionen im Einzelnen ggf. sogar als Leerverkäuferin profitiert hat, werde weiter aufzuklären sein und bleibe ggf. dem Betragsverfahren vorbehalten. Die Kammer rechnet mit einem erheblichen Aufklärungsaufwand und hält vor diesem Hintergrund den Erlass eines Grundurteils für zweckmäßig.
Relevanz für die Praxis
Die Bezeichnung Cum-Ex-Geschäft beschreibt – so das LG Hamburg – den Handel mit Aktien rund um den Dividendenstichtag, wobei die betreffenden Aktien schuldrechtlich noch mit („cum“) Dividendenanspruch veräußert werden, die sachenrechtliche Übertragung der veräußerten Aktien jedoch erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Dividendenkupon bereits getrennt („ex“) ist. Tatsächlich erfolge die Kupontrennung beim Sammelverwahrer regelmäßig mit Ablauf des Tages, an dem die Hauptversammlung der betreffenden Gesellschaft den die Gewinnverteilung (und damit den die Dividendenzahlung) betreffenden Beschluss gefasst hat. Ab diesem Moment, also ab dem Tag nach der Hauptversammlung (auch: „Ex-Tag“), könnten Aktien unabhängig von den schuldrechtlichen Vereinbarungen der Vertragspartner sachenrechtlich nur noch ohne Kupon und damit nur noch ohne Anspruch auf Zahlung der Dividende übertragen werden.
Merke | Grundsätzlich sind Cum-Ex-Geschäfte in zeitlicher Nähe zum Hauptversammlungstag – worauf das LG Hamburg zutreffend hinweist – zunächst nichts Ungewöhnliches. Da über die Börse abgeschlossene Aktienkäufe nach den dort geltenden Bedingungen regelmäßig erst zwei Börsenarbeitstage nach dem Vertragsschluss („t+2“) sachenrechtlich beliefert werden, kommt es immer dann, wenn an der Börse ein Aktienkaufgeschäft am Tag vor oder am Tag der Hauptversammlung der betreffenden Gesellschaft selbst abgeschlossen wird, zu einer Cum-Ex-Konstellation. Bei der Lieferpflicht des Verkäufers handelt es sich um eine Gattungsschuld i. S. d. § 243 Abs. 1 BGB.
Der konkrete Inhalt der Lieferpflicht bestimmt sich nach den Verhältnissen am Tag des Geschäftsabschlusses. Zu liefern und zu bezahlen sind Aktien mit („cum“) Dividendenanspruch. Der Erwerber erhält in solchen Fällen allerdings regelmäßig „mangelhafte“ Aktien, weil er tatsächlich Aktien ohne („ex“) Dividendenanspruch übertragen bekommt. Die ihm übertragenen Aktien haben – unabhängig von der Kursentwicklung in der Zwischenzeit – mithin einen geringeren wirtschaftlichen Wert, der Minderwert entspricht der Höhe der Bruttodividende. Zum Ausgleich erhält der Erwerber dafür eine Zahlung.
Hat der Veräußerer die verkauften Aktien tatsächlich in seinem Bestand, handelt es sich um einen sog. Inhaberverkauf. In einem solchen Fall leitet eine in Frankfurt a. M. ansässige AG, die in Deutschland im Wesentlichen die Sammelverwahrung von Wertpapieren und auch die Abwicklung von Wertpapiergeschäften („settlement“) wahrnimmt, regelmäßig bereits die Nettodividende an den Erwerber weiter. Die Kompensation besteht in diesen Fällen also aus der „Original-Nettodividende“.
Möglich sind daneben aber auch – wie das LG Hamburg zutreffend ausführt – Cum-Ex-Geschäfte, bei denen der Veräußerer bei Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts die veräußerten Aktien selbst gar nicht in seinem Bestand hat (sog. Leerverkäufe). Hier muss er sich die zur Erfüllung seiner Lieferpflicht erforderlichen Stücke innerhalb der mit seinem Abnehmer vereinbarten Lieferfrist selbst noch besorgen. Regelmäßig geschieht dies durch ein Eindeckungsgeschäft, bei dem eine kürzere Lieferfrist vereinbart wird. Hat der Leerverkäufer mit dem Leerkäufer z. B. die Lieferfrist t+2 vereinbart, muss er sich selbst mit einer Lieferfrist kleiner/gleich t+2 eindecken. Der Leerkäufer erhält Ex-Aktien ohne Dividendenanspruch. Die ihm auch in Cum-Ex-Leerverkaufsfällen zustehende Kompensation dafür, dass die ihm gelieferten Stücke keinen Dividendenanspruch mehr enthalten, erhält der Leerkäufer in Gestalt einer Dividendenkompensationszahlung (auch: „manufactured dividend“), die wirtschaftlich der in der Cum-Aktie noch enthaltenen Bruttodividende entsprechen muss.
Merke | Auch solche Geschäfte sind nicht per se steuerrechtlich problematisch, solange auch von der Dividendenkompensationszahlung Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag abgeführt wurde.
Bis 2007 gab es im Hinblick auf die Frage, ob auch Dividendenkompensationszahlungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören und mithin Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag abgeführt werden muss, keine eindeutige gesetzliche Regelung. Dies wurde, wie Strafverfahren in den zurückliegenden Jahren immer wieder gezeigt haben, für missbräuchliche Gestaltungen ausgenutzt. So wurde massenhafter Cum-Ex-Handel von Leerverkäufern betrieben, die dabei bei der Dividendenkompensationszahlung keine Steuern einbehalten, aber eine Steuerbescheinigung ausgestellt haben. Mit der Bescheinigung haben die Leerkäufer erfolgreich die Erstattung oder Anrechnung von vermeintlich gezahlter Kapitalertragsteuer geltend gemacht. Über Absicherungsgeschäfte waren die Transaktionen so ausgestaltet, dass sie im Hinblick auf Marktrisiken neutral waren. Der Gewinn durch die Erstattung nicht gezahlter Steuern wurde zwischen den verschiedenen Akteuren über die Bepreisung der Absicherungsgeschäfte verteilt. Dabei lag der Anteil, den der Leerkäufer erhielt, deutlich über dem Betrag, der im Rahmen eines legalen Dividendenstrippings erzielt werden konnte. Es wurde ausgenutzt, dass ausgeschüttete Dividenden bei Steuerinländern anders besteuert werden als bei Steuerausländern.
Merke | In den Jahren zwischen 2007 und 2011 betrug der Anteil, den ein Steuerinländer als Aktienerwerber bei einem solchen Geschäft erhielt, zwischen 2 und 3 % der Bruttodividende = Dividendenlevel von 97-98 %.
Ab dem Jahr 2007 wurden durch den Gesetzgeber verschiedene Versuche unternommen, missbräuchliche Cum-Ex-Gestaltungen zu unterbinden:
Merke | Die Bescheinigung musste von einem zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugten Berufsträger i. S. d. §§ 3, 3a StBerG oder von einer behördlich anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle ausgestellt sein und bestätigen, dass keine Absprachen festgestellt werden konnten, die die „Steuerpflichtigen im Hinblick auf den über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb der Aktien i. S. d. Steuerbescheinigung sowie entsprechende Leerverkäufe, bei denen § 44 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG keine Anwendung gefunden hat“, getroffen haben könnten.
- Durch das Jahressteuergesetz 2007 wurde § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG eingeführt, mit dem klargestellt wurde, dass auch Dividendenkompensationszahlungen mit Wirkung ab dem 1.1.07 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören und der Steuerpflicht unterfallen, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG [VZ 2007-2011].Seit 2007 sind Dividendenkompensationszahlungen steuerpflichtig
- Nach dem am 5.5.09 veröffentlichten Schreiben des BMF mussten die Leerkäufer, die eine Anrechnung bzw. eine Erstattung begehrten, den FÄ jeweils eine Bescheinigung darüber vorlegen, dass den betreffenden Geschäften keine Absprachen zugrunde lagen (sog. Berufsträgerbescheinigung).Seit Mai 09 sind Berufsträger-bescheinigungen erforderlich
Trotz dieser Regelungen wurden in der Praxis immer wieder Wege gefunden, Kapitalertragsteueranrechnungen bzw. -erstattungen zu erhalten, ohne zuvor Steuern abgeführt zu haben. Diese Aktivitäten führen nun zu zahlreichen Streitverfahren vor Finanz-, Straf- und – wie das vorliegende Verfahren zeigt – auch vor Zivilgerichten.
Zuständigkeit in internationalen Sachverhalten
In Bezug auf B4 und B5 mangelt es nach Ansicht des LG an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bzw. jedenfalls an der örtlichen Zuständigkeit in Hamburg. B5 hat seinen Wohnsitz seit geraumer Zeit in der Schweiz.
Merke | Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich insoweit nach den Regelungen des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30.10.07 (LugÜ - ABl. EU 2009 Nr. L 147, S. 5).
Nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ kann eine Person – als Ausnahme vom grundsätzlichen Beklagtenwohnsitzprinzip in Art. 2 LugÜ –, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden. Danach ist eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet, wenn der Kläger die erforderlichen Tatsachen für eine im Inland begangene unerlaubte oder dieser gleichgestellten Handlung des Beklagten i. S. d. autonom auszulegenden Art. 5 Nr. 3 LugÜ schlüssig behauptet (BGH 18.10.16, VI ZR 618/15, VersR 17, 570).
Dies ist hier nicht der Fall. Denn es werden keine originär deliktsrechtlichen Ansprüche, sondern Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB bzw. § 426 Abs. 2 BGB i. V. m. mit §§ 44, 71 AO als Gesamtschuldnerausgleich geltend gemacht.
Merke | Die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 3 LugÜ ist allerdings auch auf den Gesamtschuldnerausgleich schon bejaht worden (s. OLG Celle 22.3.90, 5 U 129/88). Voraussetzung ist aber, dass der Innenregress wegen einer ursprünglich deliktischen oder deliktsähnlichen Außenhaftung erfolgen soll (OLG Frankfurt 2.7.20, 1 U 111/18). Denn Art. 5 Nr. 3 LugÜ erfasst nur Ansprüche aus Schadenshaftung.
Eine solche deliktische oder deliktsähnliche Außenhaftung ist vorliegend – so das LG Hamburg – nicht gegeben. Hintergrund des Gesamtschuldnerausgleichs sei die steuerliche Gesamtschuld aus der Heranziehung von Personen als Steuer- oder Haftungsschuldner. Eine Steuerhinterziehung als solche begründe jedoch keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Soweit die Klägerinnen vorgetragen haben, eine Steuerhinterziehung erfülle zugleich den Tatbestand des Betrugs und § 263 StGB sei wiederum ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB, dessen Verletzung die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ begründe, ergebe sich daraus vorliegend nichts anderes. Denn solche Ansprüche würden ausdrücklich nicht den Gegenstand des Verfahrens bilden.
Straf- und haftungsrechtliche Verantwortlichkeiten
Jenseits dieser formellen bzw. prozessualen Hinweise sind die Ausführungen des LG Hamburg aber ganz allgemein von steuerstrafrechtlichem bzw. steuerhaftungsrechtlichem Interesse.
Die Kammer hält sich für befugt, die steuerrechtliche Frage, ob es sich bei B1 um einen Haftungsschuldner handelt, zu beantworten. Nach der BGH-Rechtsprechung seien die steuerrechtlichen Vorfragen von den Zivilgerichten selbstständig zu beantworten. Die angerufenen Gerichte müssten den Streitgegenstand i. d. R. einheitlich und endgültig entscheiden und die sich hierbei stellenden Vorfragen unabhängig davon klären, welchem Rechtsgebiet diese zuzuordnen sind (vgl. BGH 2.11.01, V ZR 224/00). Dies sei hier auch ohne Weiteres möglich, da letztlich nur die Frage einer Haftung nach § 70 AO zu beantworten ist.
Merke | Nach § 70 Abs. 1 AO haftet ein Vertretener, soweit er nicht Steuerschuldner ist, wenn einer seiner Vertretungs- oder Verfügungsberechtigten i. S. d. §§ 34, 35 AO bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht oder an einer Steuerhinterziehung teilnimmt und hierdurch Steuerschuldner oder Haftender wird, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.
Dies war hier – so das LG – der Fall. Es führt zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 AO, § 27 StGB) aus: Hilfeleistung i. d. S. ist jede Handlung, die die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. BGH 1.8.00, 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109). Unter Zugrundelegung dieses weiten Maßstabs stelle sich auch die Ermöglichung der streitgegenständlichen Transaktion im Zusammenhang mit dem Fonds B3 als Hilfeleisten dar. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Durchführung von Transaktionen für sich genommen berufstypisch ist. Zwar sei anerkannt, dass nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedürfe es in Fällen, die sog. neutrale Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall (vgl. BGH 8.3.01, 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22). Diese erfolge jedoch auf Ebene des subjektiven Tatbestands.
Merke | Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern, wobei er Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen braucht. Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder lieber ihn vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß.
Bei sog. neutralen Handlungen kommt es zudem darauf an, ob das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Hilfeleistende dies weiß. In diesem Fall ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten, denn sein Tun verliert den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (BGH 21.12.16, 1 StR 112/16, NStZ 17, 337, 338; 1.8.00, 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Ausführung der Trades bzw. deren Genehmigung nach Ansicht der Kammer keine rein neutrale Handlung.
AUSGABE: PStR 10/2025, S. 220 · ID: 50514519