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Cum-CumCum-Cum-Sachverhalte: So wirken sich jüngste Entscheidungen auf Nacherklärungspflichten aus

Abo-Inhalt08.09.202558 Min. LesedauerVon RA Dr. Andreas Weitzell und RA Dr. Jochen Feldle, FA StR, beide Ufer Scharf Rechtsanwälte, München

| Es ist Bewegung im Markt: Mit Beschluss vom 10.12.24 ließ das OLG Frankfurt (3 Ws 231/24) eine Anklage wegen Cum-Cum-Geschäften zu. Zuvor hatte sich das BMF mit Schreiben vom 9.7.21 für eine Meldepflicht entsprechender Sachverhalte ausgesprochen. Am 13.11.24 stellte der BFH (I R 3/21) fest, dass es bei der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nicht darauf ankomme, ob der Inhaber übertragene Rechte subjektiv wahrnehmen möchte. Der Beitrag erläutert, wie sich diese Entwicklungen auf eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 AO auswirken. |

1. Cum-Ex vs. Cum-Cum

Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäfte werden regelmäßig in einem Atemzug genannt. Letztere sollen gar der „große Bruder“ jener rechtswidrigen Deals sein, mit denen Banken einen Steuerschaden in Milliardenhöhe verursachten. Umso bemerkenswerter: Zwar sind zentrale Aspekte beider Konstruktionen, namentlich die Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer und eine gewisse Nähe zum Dividendenstichtag, vergleichbar, doch damit enden die mutmaßlichen Gemeinsamkeiten bereits.

Während die Profite bei Cum-Ex durch die Mehrfacherstattung nur einmal gezahlter Steuern „generiert“ wurden (sog. double dip), handelt es sich bei Cum-Cum um eine Gestaltung, um Steuern zu vermeiden. Das Motiv, Steuern zu sparen, ist jedoch weder unrecht noch verwerflich. Der Steuerpflichtige darf, so der BFH (12.6.18, VIII R 32/16), seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen.

War ein Geldinstitut in der Vergangenheit mutmaßlich an Cum-Cum-Transaktionen beteiligt, stehen insbesondere die Frage des Gestaltungsmissbrauchs und die Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 1 S. 1 AO im (Prüfungs-)Fokus.

2. Cum-Cum als Gestaltungsmissbrauch?

Vorweg ist festzuhalten, dass mit der Entscheidung des OLG Frankfurt noch keine Weichen für den Gesamtkomplex Cum-Cum gestellt sind. Die Attraktivität von Cum-Cum-Geschäften resultiert aus der unterschiedlichen Besteuerung von Dividenden bei beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen. Damit ist ein Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO durch oder gar eine Strafbarkeit von Cum-Cum keinesfalls offenkundig. Der BFH (30.11.22, VIII R 15/19) hat bereits entschieden, dass Vorteile aufgrund unterschiedlicher Steuertarife der Schedulenbesteuerung immanent seien und die Nutzung dieser Möglichkeiten keinen generellen Gestaltungsmissbrauch darstelle. So rückt etwa auch die Vorsitzende Richterin am BFH, Prof. Dr. Jachmann-Michel, die Ausnutzung unterschiedlicher Kapitalertragsteuer-Belastungen in Cum-Cum-Fällen jedenfalls in die Nähe dieser Rechtsprechung, ohne jedoch die Frage einer Übertragbarkeit zu beantworten (DB 24, 817, 830).

Cum-Cum-Gestaltungen wird regelmäßig vorgeworfen, dass sie allein steuerlich getrieben seien, was sicherlich nicht von der Hand zu weisen ist. Die Geschäfte sind allein wegen der Steuerersparnis lukrativ, ein darüber hinausgehender wirtschaftlicher Antrieb besteht (meistens) nicht. Ob es sich bei Cum-Cum um eine unangemessene Steuergestaltung i. S. v. § 42 AO handelt, hat der BFH, 13.11.24, I R 3/21 offengelassen. Für den zweiten Rechtsgang regte der Senat jedoch an zu prüfen, ob die Übertragung der ausländischen Aktien auch außersteuerliche Gründe gehabt habe. Wenn eine Gestaltung überhaupt keinen über die Verschaffung eines Steuervorteils hinausgehenden eigenen Zweck verfolge, sei dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass eine missbräuchliche Gestaltung vorliege.

Zur vollständigen Einordnung gehört jedoch auch, dass zahlreiche steuerliche Regelungen oder Gestaltungen dem geneigten Betrachter abwegig, etwaige Ergebnisse gar willkürlich vorkommen können. Dies betrifft etwa solche Gestaltungen, die allein darauf gerichtet sind, Steuern zu sparen, die von der Rechtsprechung jedoch als vollkommen legal angesehen werden.

Bei einer Güterstandsschaukel z. B. wechseln die Ehegatten vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung – nur um wenig später wieder zurückzuwechseln. Da der Zugewinnausgleich steuerfrei ist, kann Vermögen auf diese Weise steueroptimiert umverteilt werden, da keine Schenkungsteuer anfällt. Sicherlich umständlich, kompliziert und gekünstelt (BFH 19.8.99, I R 77-96) und dennoch vollkommen legal.

Heinrich zählt ähnliche Beispiele auf, wie die Pendlerpauschale nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die jeder Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft in Anspruch nehmen kann, obwohl nur einer die Kosten trägt (BB 25, 151, 154).

Merke | Allein eine steueroptimierte Gestaltung lässt als solche noch keinen Rückschluss auf deren Steuerrechtswidrigkeit zu, geschweige denn, dass deren Umsetzung strafbar wäre.

3. Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit i. S. v. § 153 Abs. 1 S. 1 AO

Insofern ist für aktuelle Führungspersonen potenziell betroffener Geldinstitute fraglich, ob eine Berichtigung gegenüber den Finanzbehörden notwendig ist. Die Berichtigungspflicht des § 153 AO transportiert die „Altlast“ Cum-Cum in die Gegenwart. Wer die gesetzlich geforderte Berichtigung nicht vornimmt, macht sich u. U. wegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.

§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass eine steuerliche Erklärung unrichtig ist. Eine Erklärung ist unrichtig, wenn die für die Besteuerung relevanten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse unzutreffend dargestellt sind, und unvollständig, wenn sie nicht alle für die Besteuerung erforderlichen Angaben enthält. Die Mangelhaftigkeit der Erklärungen könnte sich insbesondere aus der Nichterklärung der Begleitumstände der jeweiligen Transaktion ergeben. So scheint es jedenfalls das OLG Frankfurt a. M. (10.12.24, 3 Ws 231/24) zu sehen, das diesbezüglich ausführt: „Hier enthalten die Steuererklärungen und der zugehörige Wirtschaftsprüfbericht nur sehr spärliche Angaben zu den als Sicherheiten hereingenommenen Aktien erzielten Dividenden. Die Einbettung in eine umfassende vertragliche Gestaltung i. S. e. Modells zur Steuervermeidung wird nicht einmal erwähnt, geschweige denn dessen nähere Ausgestaltung dargestellt; […]“.

Das BMF hat seine Rechtsauffassung im Schreiben vom 9.7.21 bereits unmissverständlich dokumentiert: „Bei Vorliegen von Cum-Cum-Sachverhalten besteht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass er diese Sachverhalte in seiner Steuererklärung objektiv unrichtig oder unvollständig erklärt hat und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist.“

Beachten Sie | Was zunächst als kaum mehr als die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts anmutet, ist als klare Handlungsaufforderung an betroffene Steuerpflichtige zu verstehen: Wer an Cum-Cum beteiligt war, der muss berichtigen.

Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den einleitenden Hinweisen zur materiell-rechtlichen Ausgangssituation. Die daraus gezogenen Schlüsse fasst das BMF in Rn. 18 des Schreibens zusammen. Der Empfänger von Aktien aus einer Cum-Cum-Gestaltung sei nicht der steuerliche Anteilseigner nach § 20 Abs. 5 EStG und deshalb auch nicht zur Anrechnung der auf die Dividendenzahlung abgeführten Kapitalertragsteuer berechtigt noch sei diese erstattungsfähig. Die auf die Dividendenzahlung abgeführte Steuer sei auf die Steuerschuld des Empfängers der Aktien nicht anzurechnen oder an diesen zu erstatten. Wurde dennoch ein Kapitalertragsteuerabzug vorgenommen oder die einbehaltene Steuer erstattet, ist diese nachzuzahlen.

Die Unrichtigkeit muss nach h. M. im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe vorgelegen haben. Eine spätere Änderung der Rechtsprechung oder von Verwaltungsvorschriften macht die Erklärung nicht nachträglich unrichtig (Rosenke, in: BeckOK-AO, § 153 Rn. 86). Eine solche Änderung der Rechtsprechung könnte im Urteil des BFH vom 18.8.15 (I R 88/13) gesehen werden. Bezüglich Cum-Cum-Geschäften äußerte das Gericht, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sog. Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben kann, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Entleiher nur eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte.

Damit rückt die Frage in den Fokus, ob es sich bei der Entscheidung des BFH um die Abkehr von einer bereits etablierten Rechtsprechung handelte oder ob diese nicht vielmehr in ein „Entscheidungsvakuum“ hinein getroffen bzw. eine ohnehin bereits bekannte Sichtweise lediglich verschriftlicht wurde (ausführlich zu der Problematik Hölters, NZWiSt 24, 396).

Merke | Auch spätere Entscheidungen können für die Abkehr von einer möglicherweise zuvor vertretenen Rechtsauffassung herangezogen werden, so z. B. BFH 29.9.21 (I R 40/17). Das Gericht zeigte auf, unter welchen Voraussetzungen das wirtschaftliche Eigentum überlassener Wertpapiere beim Darlehensgeber verbleiben kann. Gleiches gilt für den Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 10.12.24 (3 Ws 231/24), mit dem das Gericht die Cum-Cum-Anklage der Staatsanwaltschaft Wiesbaden zuließ.

Als Bezugsrechtsprechung kommt das Urteil des BFH 15.12.99 (I R 29-97) in Betracht. Der Entscheidung lag ein Modell zugrunde, bei dem kurz vor dem Dividendenstichtag von ausländischen Inhabern gehaltene Aktien mit Dividendenberechtigung angekauft wurden, nur um diese kurz nach dem Dividendenstichtag mit entsprechendem Kursabschlag wieder an den Veräußerer zurück zu verkaufen. Die Finanzverwaltung qualifizierte den Vorgang als missbräuchliche Gestaltung. Das FG urteilte, dass der Erwerber aufgrund der gleichzeitig eingegangenen gegenläufigen schuldrechtlichen Rückübertragungspflicht nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden sei und eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer deshalb ausscheide. Der BFH vertrat jedoch die Meinung, dass das wirtschaftliche Eigentum trotz der Bedenken des FG auf den Erwerber übergegangen war. Die Finanzverwaltung wertete die Entscheidung als Einzelfall und reagierte mit einem Nichtanwendungserlass (BMF Schreiben 6.10.00, IV C 6 - 2189 - 11–00).

Nach hier vertretener Ansicht kann eine nachträgliche Rechtsprechungsänderung nach Abgabe der Erklärung diese jedoch nicht unrichtig machen (u. a. Schindler, in: Gosch, § 153 AO Rn. 19; Haselmann, in: Koenig, § 153 AO Rn. 8; Rätke, in: Klein, § 153 AO Rn. 3; Rosenke, in: BeckOK-AO, § 153 AO Rn. 87). Unter den Erklärungsansätzen ist die am Wortlaut orientierte Argumentation Sternbergs (in: H/H/Sp, § 153 AO Rn. 14) die überzeugendste. Demnach besteht die § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zugrunde liegende Garantenstellung nur aufgrund vorangegangenen Tuns. Denn nur ein solches Fehlverhalten in der Vergangenheit kann nachträglich „erkannt“ werden. Auch eine Anknüpfung an das Rückwirkungsverbot im Rahmen der Gesetzgebung wird angeführt (Hölters, a. a. O., 396, 400, der dies jedoch für nicht überzeugend erachtet).

Das LG Wiesbaden hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass zum potenziellen Tatzeitpunkt noch ein anderer Rechtsmaßstab hinsichtlich der Frage des wirtschaftlichen Eigentums in Cum-Cum-Sachverhalten gegolten habe. Dem widersprach das OLG Frankfurt a. M. im Beschluss vom 10.12.24 (3 Ws 231/24) entschieden. Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung zu §§ 39 und 42 AO klargestellt, dass es auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankomme bzw. die gesamten Umstände des Einzelfalls maßgebend seien. Auch der BGH habe in seinem Urteil vom 10.11.99 (5 StR 221/99) dargelegt, dass eine Offenlegungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente bestehe, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft sind. Zugleich habe er entschieden, dass der Gesamtsachverhalt offenzulegen sei und es dem Steuerpflichtigen nicht freistehe, nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und andere Einzelheiten, die für die steuerliche Beurteilung eines Vorgangs bedeutsam sein können, zu verschweigen.

Die oben angestellten Überlegungen sind durch diesen Richterspruch nicht obsolet geworden. Aus Sicht der Verfasser sprechen gute Argumente für eine Rechtsprechungsänderung und damit die Sichtweise des LG Wiesbaden. Allerdings scheint dies jedenfalls für nach dem Urteil des BFH vom 18.8.15 (I R 88/13) verwirklichte Sachverhalte nicht in gleicher Weise vertretbar. Die Entscheidung stellt eine Zäsur dar, die die Tür für etwaige Berichtigungspflichten weit aufgestoßen hat, sollten nur ausgewählte Umstände eines Cum-Cum-Sachverhalts in einer Steuererklärung dargestellt worden sein.

4. Gibt es eine (strafbewehrte) Pflicht zur aktiven Aufklärung?

Für die zuständigen Organe betroffener Banken ist fraglich, ob diese – eine unrichtige bzw. unvollständige Erklärung für Cum-Cum-Transaktionen ab dem 18.8.15 unterstellt – einer Nachforschungspflicht unterliegen und sich ggf. einem persönlichen Strafbarkeitsrisiko wegen der Verletzung von § 153 Abs. 1 S. 1 AO ausgesetzt sehen. Hierfür könnte insbesondere das BMF-Schreiben vom 9.7.21 sprechen: Bei Cum-Cum-Sachverhalten besteht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass er diese Sachverhalte in seiner Steuererklärung objektiv unrichtig oder unvollständig erklärt hat und dadurch Steuern verkürzt worden sind oder verkürzt werden können.

Fraglich ist daher, wann von einem „Erkennen“ i. S. v. § 153 Abs. 1 S. 1 AO auszugehen ist:

  • Einzelne finanzgerichtliche Entscheidungen lassen sich zwar dahingehend interpretieren, dass bereits die Möglichkeit des Erkennens für die Annahme einer Berichtigungspflicht genüge (etwa FG Berlin 27.1.99, 2 K 2138/97; es sei für die Steuerpflichtige „erkennbar“ gewesen, dass die von ihr praktizierte Ermittlung der Bemessungsgrundlage „unrichtig sein konnte“).
  • Der Gesetzeswortlaut erscheint insofern jedoch eindeutig: „Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich […], dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist […], so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.“

Die Mitwirkungspflicht setzt mithin nach hier vertretener Auffassung positive Kenntnis voraus. Ein Erkennenkönnen reicht ebenso wenig aus wie ein Erkennenmüssen. I. d. S. hatte sich auch der 1. Strafsenat des BGH bereits zu dem Problemkreis positioniert (17.3.09 (1 StR 479/08): „Die Pflichten aus § 153 AO entstehen damit erst in dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit tatsächlich erkennt. Die bloße Möglichkeit, die Unrichtigkeit zu erkennen, genügt angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes nicht.“

Merke | Konsequenterweise besteht somit auch keine Pflicht zur aktiven Nachforschung oder einer verdachtsunabhängigen Nachkontrolle (Werder/Rudolf, BB 15, 665, 669). Denn so würde die klare gesetzliche Forderung des Erkennens erneut in ein Erkennenkönnen umgedeutet.

Wie der Vorsatz ist auch die Kenntnis eine innere Tatsache, die allein indizienbasiert aufgrund der äußeren Umstände festgestellt werden kann. Der Steuerpflichtige hat Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit, wenn er den Sachverhalt vollständig erfasst und daraus den Schluss einer Steuerverkürzung zieht, wobei eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ ausreicht (Heuermann, in: H/H/Sp, AO/FGO, 3/2025, § 153 Rn. 13b m. w. N.).

5. Wen trifft eine etwaige (strafbewehrte) Pflicht?

Die nach §§ 34, 35 AO für die Steuerpflichtige handelnden Personen sind gem. § 153 Abs. 1 S. 2 AO ausdrücklich in die Berichtigungspflicht einbezogen. Gibt z. B. eine GmbH als Steuerpflichtige durch einen Geschäftsführer eine unrichtige Erklärung ab, ist zunächst die GmbH selbst verpflichtet, die Berichtigung vorzunehmen. Gem. § 153 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 34 Abs. 1 S. 1 AO trifft diese Verpflichtung jedoch auch den Geschäftsführer, durch den die unrichtige Erklärung abgegeben wurde, wie auch das später bestellte Organ, sofern dieser die Unrichtigkeit nachträglich „erkennt“ (BFH 7.3.07, I B 99/06).

Dies gilt im Übrigen auch, wenn der frühere Geschäftsführer und damit aufgrund der erfolgenden Wissenszurechnung auch die Gesellschaft im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe von deren Unrichtigkeit wussten. Grundsätzlich setzt § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO voraus, dass die Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nachträglich eintritt. Laut BFH (7.3.07, I B 99/06) kann es für eine solche anfängliche Kenntnis jedoch sinnvollerweise nur auf den jeweils Berichtigungspflichtigen ankommen. Daher besteht diese für den später bestellten Geschäftsführer selbst dann, wenn die Gesellschaft durch den Vorgänger bereits bösgläubig gemacht wurde.

6. Fazit

Schlussendlich handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Anhand des Grads der Beteiligung an Cum-Cum-Geschäften des jeweiligen Instituts, insbesondere für den Zeitraum ab dem 18.8.15, sollten die gegenwärtigen Leitungspersonen ausgehend von ihrem gegenwärtigen Kenntnisstand prüfen (lassen), ob sie die Pflicht gem. § 153 Abs. 1 S. 1 AO trifft.

Hierbei dürften insbesondere die objektive Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der in Rede stehenden Erklärungen noch nicht festsetzungsverjährter Veranlagungszeiträume sowie im Falle einer zu bejahenden Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit die Kenntnis hiervon im Mittelpunkt der steuer(straf-)rechtlichen Prüfung stehen.

Wenn sich indizienbasierte, äußere Umstände jedenfalls für einen objektiven Dritten zu Gewissheit verdichten, wird man zu einer entsprechenden Erklärung gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 AO raten müssen. Eine generelle Nachforschungspflicht besteht hingegen nicht.

Weiterführender Hinweis
  • Roth, BFH klärt wirtschaftliches Eigentum und Missbrauch bei Cum-Cum PStR 25, 148 ff.

AUSGABE: PStR 10/2025, S. 226 · ID: 50458239

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