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ProzessrechtDas sind die Anforderungen an eine Klage gegen einen Lohnsteuerhaftungsbescheid
| Zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens in Bezug auf einen Haftungsbescheid reicht es regelmäßig nicht aus, den angefochtenen Verwaltungsakt zu benennen und die Aufhebung dieses Verwaltungsakts zu beantragen. Erforderlich ist eine zumindest schlagwortartige Grobbegründung, aus der sich im Gesamtzusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit die maßgeblichen Streitpunkte ermitteln lassen. Das hat das FG Berlin-Brandenburg entschieden. |
Sachverhalt
Das FA nahm den Kläger (K) wegen rückständiger Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlägen i. H. v. mehr als 167.000 EUR persönlich in Haftung. Zur Begründung wurde u. a. auf einen „Steuerlichen Bericht“ der Steuerfahndung Bezug genommen. Gegen den Haftungsbescheid legte K fristgerecht Einspruch ein und erhob später Klage. Ein Klagebegründungsschriftsatz folgte nicht, woraufhin der Berichterstatter des Senats die Prozessbevollmächtigten unter Fristsetzung aufforderte, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Nach dem bisherigen Vortrag sei das Gericht nicht in der Lage, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen. Die Fristsetzung habe ausschließende Wirkung, d. h., bei Versäumung der Frist sei die Klage endgültig unzulässig, wenn nicht wegen unverschuldeter Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werde. Außerdem setzte der Berichterstatter eine zweite Ausschlussfrist, innerhalb derer diejenigen Tatsachen anzugeben seien, durch deren (Nicht-)Berücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich K beschwert fühle.
Der Prozessbevollmächtigte bemängelte daraufhin die Versagung der begehrten Akteneinsicht durch das klagende FA und machte außerdem geltend, dass der angefochtene Haftungsbescheid rechtswidrig sei. Eine umfangreichere Klagebegründung werde erfolgen, sobald ihm die Akteneinsicht ermöglicht worden sei. Daraufhin verlängerte das Gericht die Ausschlussfristen und forderte beim FA die entsprechenden Akten an. Nachdem diese im Gericht eingegangen waren, wurde das Büro des Prozessbevollmächtigten informiert und mitgeteilt, dass Akteneinsicht „am Gerichtssitz“ kein Problem sei. Es meldete sich niemand mehr. Erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung ging ein Schriftsatz ein, mittels dessen die Klage unter gleichzeitiger Benennung mehrerer Zeugen dahin gehend begründet wurde, dass K keine Schwarzarbeiter beschäftigt, sondern stattdessen mehrere Subunternehmen zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitsaufträge verpflichtet habe. Aus diesem Grund habe das Strafgericht das gegen K gerichtete Ermittlungsverfahren eingestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig (FG Berlin-Brandenburg 6.7.23, 9 K 9135/22, Abruf-Nr. 248572).
K hat den Gegenstand des Klagebegehrens i. S. v. § 65 FGO bis zum Ablauf der Frist nicht ausreichend bezeichnet. Zur Bezeichnung dieses Gegenstands in Bezug auf einen Haftungsbescheid reicht es i. d. R. nicht aus, den angefochtenen Verwaltungsakt zu benennen und die Aufhebung dieses Verwaltungsakts zu beantragen (BFH 31.3.10, VII B 233/09, BFH/NV 10, 1464). Ebenso wenig reicht es nach Sinn und Zweck des § 65 Abs. 1 S. 1 FGO aus, den angefochtenen Haftungsbescheid nur mit einem Wort als „rechtswidrig“ zu kennzeichnen, wie es die Prozessbevollmächtigten des K in ihrem weiteren Schriftsatz vom 6.12.23 betreffend den Antrag auf Akteneinsicht getan haben.
Relevanz für die Praxis
So einfach wie vorliegend sollte man es einem FG nicht machen (und zwar unabhängig davon, ob denn nun die in der Entscheidung geäußerte Sichtweise des Gerichts zutreffend ist oder nicht). Für den Kläger sollte stets eine zumindest schlagwortartige Grobbegründung, aus der sich für das Gericht im Gesamtzusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit die maßgeblichen Streitpunkte ermitteln lassen (vgl. BFH 12.3.14, III B 65/13, BFH/NV 14,1059), zur Akte gereicht werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um eine Lohnsteuerhaftung des Klägers für mehrere Streitjahre und für mehrere Arbeitnehmer geht. Wenigstens sollte ausgeführt werden, dass der Bescheid bereits dem Grunde nach – etwa durch Verneinung der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen – angefochten werden soll.
Knüpft der Haftungsbescheid an ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren an, können z. B. auch die Stellungnahmen aus diesem an das FG übersendet oder die Beiziehung der entsprechenden Verfahrensakten beantragt werden, um die eigene Position zu verdeutlichen.
Insbesondere, wenn das Strafverfahren eingestellt worden ist, sollten dem FG genügend Anknüpfungspunkte für eine streitige mündliche Verhandlung vorliegen, der es sich nicht über Zulässigkeitserwägungen entziehen kann.
Dies gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des BFH pauschale Bezugnahmen auf Berichte der Steuerfahndung unzulässig sind und die Beweislast in Haftungsverfahren die Finanzbehörde trifft.
Merke | Sach- und Rechtsvortrag kurz vor dem mündlichen Termin mag geschickt sein, um dem „Behördenkosmos“ so die Möglichkeit zu nehmen, notwendige inhaltliche Abstimmungen zwischen dem Sitzungsvertreter und dem zuständigen Sachbearbeiter (aus der Strafsachenstelle) vorzunehmen; dies darf aber nicht dazu führen, der Klage die allgemeine Zulässigkeit zu nehmen. |
AUSGABE: PStR 8/2025, S. 177 · ID: 49992982
