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HandaktenMüssen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ihre Handakten herausgeben?

Abo-Inhalt29.04.2024299 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

| Die zu Steuerberatern und Rechtsanwälten ergangene Rechtsprechung betreffend deren Handakte ist auch auf Wirtschaftsprüfer übertragbar. Das hat das OLG Stuttgart entschieden. |

Sachverhalt

Der Kläger (K) macht als Insolvenzverwalter einer AG und einer GmbH im Rahmen der Stufenklage im Wesentlichen zunächst Ansprüche auf Auskunft über den Inhalt von und Einsicht in Handakten aus Mandaten geltend, um etwaige Schadenersatzansprüche vorzubereiten. Die Handakten betrafen u. a. die Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen sowie eine forensische Sonderprüfung. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WPG) war seit 2009 Abschlussprüferin und erteilte bis 2018 uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Nachdem neuerliche Testate versagt wurden, scheiterten Verhandlungen über eine Kreditfazilität, sodass die Finanzierung nicht mehr gewährleistet war, um die Geschäftstätigkeit fortzuführen. Die AG beantragte wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Wenig später stellte auch die GmbH einen Insolvenzantrag. Die WPG ist dem Auskunftsantrag entgegengetreten. Die ehemaligen Mandantinnen hätten einen Großteil der maßgeblichen Unterlagen bereits in Besitz und betrieben unzulässige Ausforschung. Das LG hat den Anträgen stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung der WPG war teilweise erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Der Tenor des Urteils des LG erhält Einschränkungen wie: „Hiervon ausgenommen sind Inhalte der Handakte, die später nicht herauszugeben sind, interne Arbeitspapiere (enge Auslegung, vgl. Urteilsgründe; liegen nicht vor, wenn sie nicht lediglich dem internen Gebrauch dienen, sondern auch zu Dokumentationszwecken im Interesse des Mandanten angelegt wurden), Aufzeichnungen über persönliche Eindrücke des Beraters, Sammlungen vertraulicher Hintergrundinformationen, Briefwechsel zwischen der Beklagten und den Insolvenzschuldnerinnen, Notizen über Gespräche mit den Mandanten, Schriftstücke, die ein Mandant bereits in Urschrift oder Abschrift besitzt“ (OLG Stuttgart 12.12.23, 12 U 216/22, Abruf-Nr. 241031).

Merke | Ansprüche der Insolvenzschuldnerin aus dem jeweiligen Mandatsverhältnis fallen in die Insolvenzmasse und können gem. § 80 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter kann unter den gleichen Voraussetzungen und im selben Umfang Herausgabe oder Einsichtsgewährung bezüglich der Handakte verlangen, wie es die jeweilige Insolvenzschuldnerin ohne die Insolvenz bei anderweitiger Mandatsbeendigung selbst gekonnt hätte (BGH 17.5.18, IX ZR 243/17).

Relevanz für die Praxis

Gegenstand eines Vertrags zwischen einem Wirtschaftsprüfer und einem Mandanten ist i. d. R. eine entgeltliche Geschäftsbesorgung, § 675 BGB. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt sich der Vertrag über die Abschluss- und Konzernabschlussprüfung gem. § 316 Abs.1 S. 1, Abs. 2 S. 1 HGB i. d. S. als Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter dar (BGH 28.4.22, IX ZR 68/21, NZI 22, 554).

Der Umfang der Auskunftspflicht bestimmt sich nach dem Umfang der Herausgabepflicht, die sich gem. § 675 Abs. 1, § 666, § 667 BGB ergibt. Ergänzend sind hierzu berufsrechtliche Vorschriften wie § 51b WPO zu beachten.

Merke | Gem. § 666 BGB muss der beauftragte Berufsträger dem Mandanten die erforderlichen Nachrichten geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft erteilen und, nachdem der Auftrag ausgeführt worden ist, Rechenschaft ablegen. Des Weiteren muss der beauftragte Berufsträger gem. § 667 BGB dem auftraggebenden Mandanten alles herausgeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Dies sind dem Wortlaut nach zunächst solche Unterlagen, die dem Berufsangehörigen von seinem Mandanten ausgehändigt worden sind (§ 667 Alt. 1 BGB) oder die er von Dritten erhalten hat (§ 667 Alt. 2 BGB).

Herauszugeben ist hiernach auch der gesamte drittgerichtete Schriftverkehr, den der Berater für seinen Auftraggeber geführt hat, also die dem Berater zugegangenen Schriftstücke und die Kopien eigener Schreiben. Zu den herauszugebenden Unterlagen gehören auch Notizen über Besprechungen, die der Berater im Rahmen der Besorgung des Geschäfts mit Dritten geführt hat. Sofern diese Notizen die Wiedergabe von Gesprächen enthalten, soll i. d. R. davon auszugehen sein, dass sie nicht nur dem internen Gebrauch des Beraters – etwa als bloße Arbeitshilfe oder Gedächtnisstütze –, sondern auch dem Interesse des Auftraggebers zu dienen bestimmt sind, um den Inhalt der für ihn geführten Verhandlungen zu dokumentieren (OLG Hamburg 29.7.14, 9 U 53/14, Stbg 16, 472; Fiala/Walter, DStR 98, 694, 696).

Darüber hinaus sind auch die vom Beauftragten in Wahrnehmung seiner Geschäftsbesorgungspflichten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien herauszugeben. Dies umfasst – so das OLG – z. B. vom Berufsträger auftragsgemäß erstellte Jahresabschlüsse, Bestätigungsvermerke, Prüfungsberichte, Inventar- und Anlageverzeichnisse, Steuererklärungen, Umbuchungslisten, Hauptabschlussübersichten, Sachkonten und DATEV-Datenbestände (Dohle/Peitscher, DStR 00, 1265).

Merke | Nach § 51b Abs. 1 WPO muss die Handakte regelmäßig eine umfangreiche Dokumentation, einschließlich Arbeitspapieren, enthalten. Bereits aus dem Wortlaut der genannten Norm soll sich ergeben, dass Berufsangehörige dadurch, dass sie Handakten anlegen, ein zutreffendes Bild über die von ihnen entfaltete Tätigkeit geben können müssen. Dies schließt es aus, dass die Handakte eines Abschlussprüfers etwa lediglich den Prüfungsbericht als Arbeitsergebnis enthalten kann, jedoch keinerlei Dokumente, anhand derer sich der Weg zu diesem Arbeitsergebnis nachvollziehen lässt.

Es gibt aber auch Ausnahmen von der Auskunfts- und Herausgabepflicht. Es sind insbesondere berufsspezifische Normen zu beachten. Nach Ansicht des OLG schränkt z. B. § 51b Abs. 4 WPO die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht (§ 666 BGB) ein („Handakten i. S. der Abs. 2 und 3 sind nur solche Schriftstücke, die Berufsangehörige aus Anlass ihrer beruflichen Tätigkeit von ihren Auftraggebern oder für diese erhalten haben, nicht aber die Briefwechsel zwischen den Berufsangehörigen und ihren Auftraggebern, die Schriftstücke, die die Auftraggeber bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten haben, sowie die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere.“). Der ausdrückliche Verweis des Gesetzgebers auf die Aufbewahrungspflicht von Handakten und deren Inhalt (§ 51b Abs. 2 und 4 WPO) dokumentiere, welcher Inhalt für den Mandanten gerade gesichert und ihm auf Dauer auch zugänglich sein soll und welcher nicht. Auch daraus könne der Schluss gezogen werden, auf welchen Inhalt der Mandant überhaupt Zugriff haben soll.

Merke | Interne Arbeitspapiere sind nicht gem. § 667 Alt. 2 BGB herauszugeben. Die vom Auftragnehmer selbst angelegten Akten, Unterlagen und Dateien erfassen nicht solche Arbeitspapiere, die der Auftragnehmer bei seiner Tätigkeit für sich gefertigt hat, um mit ihrer Hilfe seine Vertragspflichten erfüllen zu können (BGH 17.2.88, IVa ZR 262/86, NJW 88, 2607). Diese internen Arbeitspapiere dienen nur dem Interesse des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers. Unter den Wortlaut des § 667 Alt. 2 BGB lassen sie sich nicht fassen. Auch die Branchenüblichkeit und die allgemeine Berufsauffassung sehen keinen Einsichtsanspruch des Mandanten und keine Herausgabepflicht des Wirtschaftsprüfers bezüglich interner Arbeitspapiere vor.

Der Begriff der internen Arbeitspapiere ist allerdings nach Ansicht des OLG eng auszulegen. Er könne nicht ohne Weiteres mit der Definition der Arbeitspapiere im IDW-Prüfungsstandard 460 n. F. gleichgesetzt werden. Über § 51b Abs. 4 WPO dürfe die Dokumentationspflicht der Handakte i. S. v. § 51b Abs. 1 WPO nicht ausgehebelt werden.

Zu den herauszugebenden Unterlagen gehören hiernach auch etwa Notizen über Besprechungen, die der Berufsträger im Rahmen der Besorgung des Geschäfts mit Dritten geführt hat. Sofern diese Notizen die Wiedergabe von Gesprächen enthalten, soll im Regelfall davon auszugehen sein, dass sie nicht lediglich dem internen Gebrauch des Berufsträgers, sondern auch dem Interesse des Auftraggebers zu dienen bestimmt sind (BGH 30.11.89, III ZR 112/88, BGHZ 109, 260). Eine Ausnahme soll insoweit allerdings für solche Unterlagen gelten, die nicht lediglich über das Tun im Rahmen der Vertragserfüllung Aufschluss geben, sondern persönliche Eindrücke wiedergeben, die in den betreffenden Gesprächen gewonnen worden sind.

Fazit | Fährt ein Mandat gegen die Wand, geht der Streit regelmäßig erst richtig los. Davor sind dann auch Berufsträger nicht geschützt. Ordnung in den Handakten ist deshalb ein hohes Gut.

AUSGABE: PStR 6/2024, S. 128 · ID: 49993486

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