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AbgabefristenDer richtige Zeitpunkt und was er bedeutet

Abo-Inhalt22.04.2024516 Min. LesedauerVon Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

| Die Abgabefristen sind sowohl steuerlich als auch steuerstrafrechtlich bedeutsam. Ihre Einhaltung kann in beiden Verfahren über das Wohl und Wehe des Steuerpflichtigen entscheiden. Denn werden sie überschritten, stellt die Rechtsordnung Sanktionen bereit. Dieses Thema ist aufgrund der Coronapandemie aktuell, da der Gesetzgeber die Abgabefristen verändert und sich folglich die Grenze zwischen Gut und Böse verschoben hat. |

1. Die steuerliche Bedeutung der Abgabefristen

Nach § 149 Abs. 2 AO in der seit 2016 geltenden Form sind Steuererklärungen spätestens sieben Monate nach Ablauf des Kalenderjahres abzugeben. Aus § 109 Abs. 1 S. 1 AO folgt aber, dass das FA die Abgabefrist verlängern kann. Für Steuerpflichtige, die von Mitgliedern steuerberatender Berufe vertreten werden, gilt gem. § 149 Abs. 3 AO in den dort abschließend aufgezählten Fällen eine allgemeine Abgabefrist bis Ende Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Das FA kann aber nach Maßgabe des § 149 Abs. 4 AO auch anordnen, dass die Steuererklärung vorab abzugeben ist.

Hält der Steuerpflichtige die jeweilige Abgabefrist nicht ein, kann das FA die Abgabe der Erklärung nach §§ 328 ff. AO erzwingen, sofern nicht ein Fall des § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO vorliegt. Alternativ kann es nach Ablauf der Abgabefrist auch gem. § 162 AO eine Schätzung vornehmen, die allerdings die Abgabepflicht der jeweiligen Erklärung fortbestehen lässt, § 149 Abs. 1 S. 4 AO. Darüber hinaus muss i. d. R. von Amts wegen gem. § 152 Abs. 2 AO auch ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Nur in dem praktisch seltenen Fall, dass § 152 Abs. 2 AO nicht anwendbar ist, liegt die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gem. § 152 Abs. 1 AO im Ermessen der Finanzbehörde.

Merke | Die Abgabefristen für Steuererklärungen wurden durch vier Gesetze zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise z. T. verlängert, um insbesondere den sich aus zusätzlichen Aufgaben für die steuerberatenden Berufe ergebenden Belastungen Rechnung zu tragen, sodass sich die Ablauffristen für die Steuererklärungsabgabe für die Veranlagungszeiträume bis 2025 unter Berücksichtigung von § 108 Abs. 3 AO wie folgt gestalten:

Besteuerungszeitraum
Nicht beratene Steuerpflichtige (§ 149 Abs. 2 S. 1 AO)
Nicht beratene Land-/ Forstwirte (§ 149 Abs. 2 S. 2 AO)
Beratene Steuerpflichtige (§ 149 Abs. 3 AO)
Beratene Land-/ Forstwirte (§ 149 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 S. 2 AO)

2020

1.11.21

2.5.22

31.8.22

31.1.23

2021

1.11.22

2.5.23

31.8.23

31.1.24

2022

2.10.23

2.4.24

31.7.24

31.12.24

2023

2.9.24

28.2.25

2.6.25

3.11.25

2024

31.7.25

2.2.26

30.4.26

30.9.26

2025

31.7.26

1.2.27

1.3.27

2.8.27

Daneben können nach § 109 Abs. 1 AO auch die Abgabefristen während ihres Laufs oder sogar nach ihrem Ablauf verlängert werden. Dies setzt nach h. M. nicht voraus, dass eine Verlängerung bereits vor Fristablauf beantragt wurde. Dies gilt auch, wenn der durch die Verlängerung Begünstigte es schuldhaft versäumt hat, die Verlängerung vor Fristablauf zu beantragen.

Merke | Eine rückwirkende Fristverlängerung beseitigt die durch den Fristablauf eingetretenen steuerlichen Rechtsfolgen und entzieht z. B. einer Schätzung oder der Festsetzung eines Verspätungszuschlags die Grundlage. Der schon festgesetzte Verspätungszuschlag wird wieder aufgehoben, und die Schätzung wird durch die rückwirkende Fristverlängerung unzulässig und damit rechtswidrig. Die Möglichkeit, die Abgabefrist zu verlängern, ist jedoch nach § 109 Abs. 2 AO insbesondere für den Fall stark eingeschränkt, dass nach § 149 Abs. 3 AO steuerberatende Berufe beauftragt sind, für ihre Mandanten die Steuererklärung zu erstellen. Wird eine gesetzliche Frist wie die Abgabefrist versäumt, ist steuerlich auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich, § 110 AO.

2. Die steuerstrafrechtliche Bedeutung der Abgabefristen

Die verlängerten Abgabefristen sind für das Steuerstrafrecht bedeutsam:

a) Versuchsbeginn und Tatvollendung

Verstreicht die Abgabefrist bei Anmeldesteuern fruchtlos, ist die Tat vollendet. Folglich beginnt mit dem Ablauf der Abgabefrist die strafrechtliche Verjährung zu laufen. Bei Veranlagungssteuern beginnt die Verjährung hingegen erst, wenn die Veranlagungsarbeiten des zuständigen Veranlagungsbezirks im Wesentlichen abgeschlossen sind, falls nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist. Bei Veranlagungssteuern liegt jedoch ein unmittelbares Ansetzen i. S. d. § 22 StGB vor, wenn die Abgabefrist verstrichen ist, sodass es sich bei der Nichtabgabe i. d. R. um einen strafbaren Versuch der Steuerhinterziehung handelt.

Merke | Gem. § 109 AO gewährte Verlängerungen der Abgabefrist führen dazu, dass sich der Versuchsbeginn bzw. die Tatvollendung hinausschieben.

Dies gilt aber nicht für nur beantragte oder nur mögliche Fristverlängerungen, die nicht vor Ablauf der Abgabefrist gewährt werden, da die Pflicht, die Erklärung abzugeben, in diesen Fällen nicht suspendiert wird. Auch einer nachträglich gewährten Fristverlängerung kommt keine strafrechtliche Wirkung zu, da die vollendete oder im Versuchsstadium vorliegende Tat dadurch nicht „rückgängig gemacht“ wird. Die Fristverlängerung könnte allenfalls bei der Strafzumessung bedeutsam werden, da der Fiskus als „Geschädigter“ dadurch zu verstehen gibt, dass er es nicht als zwingend notwendig ansieht, dass diese eingehalten wurde.

b) Selbstanzeige

Eine im Hinblick auf die gesetzliche oder rechtzeitig verlängerte Abgabefrist verspätet eingereichte Steuererklärung stellt unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten eine Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO dar, sodass diesbezüglich das Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO zu beachten ist.

Im Hinblick auf die Vollständigkeit einer Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO („… alle Steuerstraftaten einer Steuerart … innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre …“) sind alle strafrechtlich unverjährten Steuerhinterziehungen in der Selbstanzeige zu berücksichtigen, also alle Taten, bei denen noch keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Im Gegensatz zu der Frage der Verjährung ist der Bedeutungsgehalt der Formulierung „innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre“ noch nicht abschließend geklärt. Maßgeblich dafür, welche Zeiträume zu berücksichtigen sind, dürfte insoweit (wohl) der Zeitpunkt der Tatbegehung i. S. d. § 8 StGB sein. Für Fälle der Tatbegehung durch Unterlassen dürfte für den Zeitpunkt der Tatbegehung (wohl) richtigerweise auf den Zeitpunkt abzustellen sein, in dem der Täter hätte handeln müssen, um die Tatbestandsverwirklichung zu verhindern. Folglich kann bei Unterlassungstaten nur darauf abgestellt werden, dass die Abgabefrist der jeweiligen Steuererklärung verstrichen ist.

Dies führt für Fälligkeitssteuern dazu, dass der Begehungszeitpunkt und die Tatvollendung zusammenfallen. Die Verwaltung geht jedoch nicht nur für die Fälligkeits-, sondern auch für die Veranlagungssteuern in Fällen der Tatbegehung durch Unterlassen vom Zeitpunkt der Tatvollendung aus, was bei Veranlagungssteuern zu einem problematischen Bruch zwischen der Begehung durch aktives Tun – maßgeblich ist insoweit der Abgabezeitpunkt der Erklärung – und der Begehung durch Unterlassen – maßgeblich ist der Abschluss der Veranlagungsarbeiten i. S. d. Erreichens der 95-Prozent-Grenze – führt. Der Zeitpunkt der Tatvollendung einer Steuerhinterziehung in Form der Steuerverkürzung sowie deren Begehungszeitpunkt ergibt sich somit wie folgt:

Aktives Tun
Unterlassen

Begehungszeitpunkt

Tatvollendung

Begehungszeitpunkt

Tatvollendung

Veranlagungs-steuer

Abgabe der unzutreffenden Erklärung

Mit Bekanntgabe des die Steuer zu niedrig festsetzenden Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen

Hypothetische Veranlagung, d. h. Abschluss der Veranlagungsarbeiten im Großen und Ganzen

Hypothetische Veranlagung, d. h. Abschluss der Veranlagungsarbeiten im Großen und Ganzen

Fälligkeitssteuer

Abgabe der unzutreffenden Erklärung

Mit Eingang der Anmeldung bzw. Bekanntgabe der Zustimmung, vgl. § 168 AO

Ablauf des Fälligkeitstermins für die Anmeldung

Wie Begehungszeitpunkt

Beachten Sie | Folglich ist für eine vollständige Selbstanzeige bei einer Steuerhinterziehung für eine Veranlagungssteuer durch Unterlassen und einer solchen durch aktives Tun ein abweichender Zeitraum in der Erklärung zu erfassen.

3. Zeitpunkt der Beauftragung des steuerlichen Vertreters

Fraglich ist, wann der steuerliche Vertreter i. S. d. § 149 Abs. 3 AO beauftragt werden muss. Denn für denjenigen, der einen steuerlichen Vertreter damit beauftragt, eine Erklärung i. S. d. § 149 Abs. 3 Nr.  1 bis Nr.  7 AO zu erstellen (also z. B. nicht für die Abgabe von Steueranmeldungen), gilt eine verlängerte Frist. Kommt man unter strafrechtlichen Gesichtspunkten für die in der Norm genannten Fälle auch in den Genuss der verlängerten Abgabefrist, wenn die Beauftragung erst nach Ablauf der „normalen“ Abgabefrist erfolgt?

Der Wortlaut des § 149 Abs. 3 AO spricht eher dafür, dass der steuerliche Vertreter bereits zu einem Zeitpunkt beauftragt worden sein muss, eine Steuererklärung zu erstellen, zu dem ohne dessen Beauftragung die Frist ablaufen würde. Teilweise wird jedoch vertreten, dass auch eine nachträgliche Bevollmächtigung dazu führt, dass sich die Frist verlängert und mithin keine Tatvollendung eintritt. Etwas weniger weitgehend wird ferner die Ansicht vertreten, dass mit Ablauf der regulären Abgabefrist bereits die Absicht, einen steuerlichen Berater zu beauftragen, bestanden haben muss und die Beauftragung auch vor Ablauf der Frist des § 149 Abs. 3 AO noch möglich sein muss.

Die letztgenannten Ansichten überzeugen nicht: In dem Augenblick, in dem die ohne Beauftragung eines steuerlichen Beraters geltende Abgabefrist überschritten wird, hat der Steuerpflichtige dadurch, dass er die Steuererklärung nicht abgegeben hat, objektiv alles insoweit Erforderliche getan, um einen tatbestandlichen Erfolg – zumindest in der Form der nicht rechtzeitigen Festsetzung, § 370 Abs. 4 S. 1 AO – herbeizuführen. Darüber hinaus dürfte es der Steuerpflichtige i. d. R. zumindest für möglich halten, dass die Steuerfestsetzung dadurch verzögert wird. Mithin tritt im Fall einer Anmeldesteuer mit dem Verstreichenlassen der ohne Beauftragung eines steuerlichen Beraters geltenden Abgabefrist Tatvollendung ein bzw. liegt im Fall einer Veranlagungssteuer ein strafbarer Versuch vor. Wurde im konkreten Einzelfall nicht rechtzeitig ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe beauftragt, sind sowohl die Möglichkeit als auch der konkrete Wille, zu beauftragen, unerheblich. Selbst eine nachträgliche – d. h., nach der ohne Beauftragung eines steuerlichen Beraters geltenden Abgabefrist erfolgte – Beauftragung ist strafrechtlich unbedeutend, da durch sie eine vollendete Tat bzw. eine bereits im Versuchsstadium befindliche Tat nicht wieder aus der Strafbarkeit herausfällt. Dies gilt, obwohl verwaltungsrechtlich eine solche Fristverlängerung auch rückwirkend erfolgen kann.

Wird bis zum Ablauf der ohne Beauftragung eines steuerlichen Beraters geltenden Abgabefrist kein Angehöriger der steuerberatenden Berufe mandatiert, wirkt eine nach diesem Zeitpunkt abgegebene Erklärung mithin (lediglich) wie eine Selbstanzeige – unabhängig davon, ob die Erklärung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt wird oder nicht.

Merke | Eine vorzeitige Beendigung des rechtzeitig begründeten steuerlichen Mandatsverhältnisses lässt die Fristverlängerung entfallen, sobald der zugrunde liegende Auftrag nicht mehr besteht. Die Rechtsprechung stellt aber zutreffend auf Folgendes ab: Wenn das Mandat beendet ist, ist dem Steuerpflichtigen eine angemessene Frist einzuräumen, um die Steuererklärung zu erstellen und einzureichen oder um ein neues Mandat zu erteilen.

AUSGABE: PStR 6/2024, S. 138 · ID: 48978914

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