Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage

UnzuverlässigkeitWird ein abgeschlossenes Steuerstrafverfahren verschwiegen, droht die Unzuverlässigkeit

Abo-Inhalt01.01.2024145 Min. Lesedauer

| Verschweigt die im Sicherheitsüberprüfungsverfahren zu überprüfende Person ein Strafverfahren (hier: Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung), resultieren hieraus Zuverlässigkeitszweifel. Das hat das VG Berlin entschieden. |

Sachverhalt

A1 ist Alleingesellschafter der Antragstellerin zu 2 (A2). Er war deren Geschäftsführer. Gegenstand des Unternehmens ist es, Kommunikations- und Antennenanlagen aller Art zu planen, zu konzeptionieren und zu errichten sowie mit elektronischen Geräten zu handeln und diese zu vermitteln. Eigenen Angaben zufolge wird diese Technik u. a. genutzt, um Unterseeboote zu führen. A2 übt sicherheitsempfindliche Tätigkeiten aus. A1 wurde seit 2001 regelmäßig sicherheitsüberprüft; seitdem war er durch die Antragsgegnerin zum Zugang zu Verschlusssachen ermächtigt. Bei einer Wiederholungsüberprüfung kreuzte er im Formular für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung die Frage nach anhängigen Strafverfahren einschließlich Ermittlungsverfahren mit „Nein“ an. Das in die Überprüfung miteinbezogene Bundesamt für Verfassungsschutz teilte dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit, dass A1 mit Urteil aus 2021 wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Nachdem das BMWK dem A1 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, hob es die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen auf und informierte A2 darüber. Es wurde gebeten, A1 keine Staatsgeheimnisse oder Verschlusssachen mehr zugänglich zu machen. Die A haben Klage erhoben (VG 4 K 135/23). Sie haben zudem erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Entscheidungsgründe

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung erlassen, um einen vorläufigen Zustand in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu regeln, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint (VG Berlin 25.7.23, 4 L 163/23, Abruf-Nr. 237258). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO sind die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie die Gründe, die die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung bedingen (Anordnungsgrund).

Merke | Dem Zweck des Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO entsprechend kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen. Begehren Antragsteller – wie hier – die Vorwegnahme der Hauptsache, kommt vorläufiger Rechtsschutz nur in Betracht, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und den Rechtsschutzsuchenden sonst schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (OVG Berlin-Brandenburg 17.10.17, OVG 3 S 84.17).

Hier hat A1 einen Anordnungsanspruch nicht in einer auf die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht.

Relevanz für die Praxis

Die Nebenfolgen steuerstrafrechtlicher Verurteilungen können immens sein, z. T. schlimmer als die eigentliche Sanktion. Nur: Was ist ein „Sicherheitsrisiko“ und folgt dies aus einer Steuerstraftat?

Merke | Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SÜG liegt ein Sicherheitsrisiko u. a. vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen begründen, wenn er eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit wahrnimmt (Nr. 1). Gem. § 14 Abs. 3 S. 1 SÜG entscheidet die zuständige Stelle, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht. Die übermittelten Erkenntnisse werden nach S. 2 der Vorschrift aufgrund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls bewertet, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit.

Aufgrund der im Mittelpunkt des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens stehenden vorbeugenden Risikoeinschätzung ist eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Antragstellers anzustellen, die nicht allein auf vage Vermutungen oder eine abstrakte Besorgnis gestützt werden kann (BVerwG 30.1.14, BVerwG 1 WB 47.13). Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Nach § 14 Abs. 3 S. 3 SÜG hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen; nicht anwendbar ist hingegen der aus dem Strafrecht bekannte Grundsatz „in dubio pro reo“ (BVerwG 21.7.16, 1 WB 35.15).

Auch steuerstrafrechtliche Vorwürfe werden mit berücksichtigt, selbst wenn diese lange zurückliegen, nur zu einer Bewährungsstrafe führten und die Steuerschulden inzwischen auch getilgt sind. Auch eine noch nicht beschiedene Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung könne der verfahrensgegenständlichen Maßnahme nicht entgegengehalten werden.

Merke | Es steht nicht zur Disposition der sicherheitsüberprüften Person, ein strafrechtliches Geschehen selbst zu bewerten (VG Berlin 5.4.23, VG 4 K 280/22; 25.7.23, VG 4 L 163/23).

Bemerkenswert ist, dass es sich bei § 370 AO nicht um eine in der Anlage 19g zum Geheimschutzhandbuch „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ genannte Straftat handelt (ebenso wenig führt § 370 AO – anders als andere Wirtschaftsstraftatbestände – zur Inhabilität nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbH). Das VG weist aber darauf hin, dass gleichwohl allgemein nach Strafverfahren gefragt wird.

Soweit A1 meint, für ihn sprechende Aspekte seien unberücksichtigt geblieben, geht er von einer strafrechtlichen Betrachtungsweise aus, die dem Gefahrenabwehrrecht fremd ist. Liegen aufgrund einer Gesamtwürdigung (§ 14 Abs. 3 S. 2 SÜG) begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SÜG vor, verbleibt kein Raum für gegenläufige Ermessenserwägungen.

AUSGABE: PStR 1/2024, S. 8 · ID: 49776826

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte