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SelbstanzeigeGibt es keine strafbefreiende Selbstanzeige bei laufenden Straf- oder Bußgeldverfahren?

Abo-Inhalt01.01.2024753 Min. LesedauerVon RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur., FAin StR, FAin StrR, Ecovis L+C, Würzburg

| Die Abgabe einer Selbstanzeige verfolgt i. d. R. das Ziel, wegen der darin aufbereiteten Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft zu werden. Straffreiheit tritt jedoch u. a. nicht ein, wenn dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Dieser Sperrgrund muss daher bereits im Rahmen der Vorbereitung der Selbstanzeige beachtet werden. |

»Frage der Steuerberaterin: Wir bereiten seit Wochen für einen Mandanten M eine strafbefreiende Selbstanzeige bezogen auf nicht erklärte Kapitaleinkünfte in den Jahren 2018 bis 2020 vor und wollten diese in Kürze einreichen. Nun wurde dem M schriftlich mitgeteilt, dass gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet wurde, da er die Einkommensteuer (ESt) 2019 verkürzt haben soll. Kann die Selbstanzeige noch mit strafbefreiender Wirkung eingereicht werden?

»Antwort der Strafverteidigerin: Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO schließt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige aus, wenn dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter bekannt gegeben wurde, dass ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist, bevor die Selbstanzeige erstattet wurde. Der Gesetzgeber ist hier davon ausgegangen, dass der vielbemühte Wille des Steuerpflichtigen, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren, und seine Kooperationsbereitschaft mit der Finanzverwaltung in einer solchen Situation nicht mehr aus autonomen Motiven resultieren, soweit der in der Einleitung enthaltene Vorwurf reicht.

Damit der Sperrgrund greift, genügt es mittlerweile, wenn das Verfahren auch nur für eines der nicht verjährten Jahre der Steuerart, für die eine Selbstanzeige geplant war, eingeleitet und dies bekannt gegeben wurde. Dabei muss aber die Verfahrenseinleitung hinreichend konkret werden und Steuerart, Veranlagungszeiträume und Steuerpflichtigen nennen. So genügt z. B. ein schlichter Hinweis auf die Abgabe unrichtiger ESt-Erklärungen i. d. R. nicht, um den Sperrgrund zu aktivieren.

Den Zeitpunkt, um das Strafverfahren einzuleiten, regelt die Legaldefinition des § 397 Abs. 1 AO. Dies ist der Fall, „sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, einer ihrer Hilfsbeamten oder der Strafrichter eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen“.

Merke | Eine bloße Kontrollmitteilung erfüllt diese Voraussetzung nicht. Auch der Hinweis im Schlussbericht einer Außenprüfung, dass die strafrechtliche Beurteilung des Prüfungsergebnisses einem gesonderten Verfahren vorbehalten bleibt, ist noch keine Maßnahme, die ein Strafverfahren einleitet.

Für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit gilt gem. § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO der § 397 Abs. 1 AO entsprechend. Die getroffene Maßnahme muss unter Angabe des Zeitpunkts unverzüglich in den Akten vermerkt werden. Die Einleitung des Strafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens dann mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtigt ist, § 397 Abs. 3 AO.

Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO besteht jedoch aus zwei Elementen. Es reicht allein nicht aus, dass ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Das Verfahren muss auch bekannt gegeben worden sein, dem Betroffenen also amtlich mitgeteilt worden sein. Ein Gerücht oder eine durchgestochene Information, die nicht von einem Erklärungswillen der Behörde getragen werden, genügen diesem Erfordernis nicht. In einem solchen Fall könnte man lediglich darüber nachdenken, dass der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO greift.

Der Sperrgrund ist hier allumfassend zu sehen: Auch wenn die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung nur ein Jahr betreffen sollte, gilt: Eine wirksame Selbstanzeige ist für alle nicht verjährten Straftaten der sich aus der Einleitung ergebenden Steuerart gesperrt. Dies unterscheidet den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO von dem der Nrn. 1a und c (vgl. § 371 Abs. 2 S. 2 AO). Die Bekanntgabe, dass ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist, muss gegenüber dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter erfolgen, um als Sperrgrund zu wirken. Erfasst sind hier nicht mehr nur die Täter, sondern gemäß dem Wortlaut auch die Teilnehmer an einer Steuerstraftat. Bei der Bekanntgabe an den Vertreter wird nicht vorausgesetzt, dass der Vertreter eine Vollmacht besitzt, um Erklärungen entgegenzunehmen. Im schlechtesten Fall wird dem Mandanten mitgeteilt, dass ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist, wenn ihm der ihn betreffende Durchsuchungsbeschluss mitgeteilt wird.

Greift der Sperrgrund ein, kann durch die Selbstanzeige keine Straffreiheit erlangt werden. Dies muss ausführlich mit dem Mandanten erörtert werden. Es sind durchaus Verteidigungssituationen denkbar, in denen dennoch eine Selbstanzeige mit dem Ziel der Strafmilderung eingereicht werden kann.

Merke | Der Sperrgrund entfällt erst, wenn das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO, § 398 AO oder § 153 StPO eingestellt wird und die Einstellungsverfügung zu den Akten gelangt. Um hier sicherzugehen, kann man eine Kopie der Einstellungsverfügung für die eigene Akte anfordern, notwendig ist es allerdings nicht.

Wird das Verfahren hingegen mit einem Urteil, einem Strafbefehl oder mittels § 153a StPO beendet, tritt für die verfahrensgegenständlichen Steuerarten und Veranlagungszeiträume Strafklageverbrauch ein und die Tat ist nicht mehr verfolgbar. Eine Selbstanzeige ist, soweit der Strafklageverbrauch greift, sodann nicht mehr zielführend.

AUSGABE: PStR 1/2024, S. 23 · ID: 49792576

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