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Betriebswirtschaft trifft Zahnmedizin Veränderungen im aktuellen Marktumfeld

Abo-Inhalt21.08.2025939 Min. LesedauerVon StB Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff, Köln

| Der Beitrag beschäftigt sich inhaltlich mit Veränderungen im Marktumfeld von Zahnarztpraxen. Warum verändert sich der Markt für Zahnärzte und Zahnärztinnen so stark? Dominieren heute schon zMVZ und große BAGs? Was reizt Investierende an deutschen Zahnarztpraxen? Warum ist eine „normale“ Praxis für Investoren meist uninteressant? Warum gehen aktuell Käufe von Investoren zurück? Was ist eine Praxis überhaupt wert? Laut neuster KZBV‑Statistik sind 80 % der Zahnarztpraxen Einzelpraxen. Sehr viele Praxen haben nur einen zahnärztlichen Behandelnden. Zahnarztpraxen sind also heute (noch) freiberuflich dominiert. Und mit freiberuflichen Strukturen ist das Gesundheitssystem in Deutschland sehr lange sehr gut versorgt worden. |

1. Konzentration in der zahnärztlichen Versorgung

Der Trend zu Mehrbehandlerpraxen ist unschwer erkennbar – zumindest in Ballungsräumen. Diese bieten Vorteile. Investitionen in teure Technik können auf mehr Behandler aufgeteilt werden. Durch Schichtbetrieb können Mehrbehandler‑Praxen Patienten auch außerhalb der üblichen Behandlungszeiten annehmen – zum Vorteil der Patienten, aber auch der Praxis, die Ressourcen dadurch besser nutzen kann. Und vor allem erlaubt diese Form mehr selbstbestimmte Arbeitszeiten für Mitarbeitende. Andererseits ist zu beobachten, dass mit zunehmender Praxisgröße die Verwaltung oft überproportional wächst. Trotzdem ist die Zahl der BAG mit 16,5 % statistisch noch nicht dominierend.

Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer war die Übernahme einer Einzelpraxis 2023 die häufigste Form der zahnärztlichen Existenzgründung. 63 % entschieden sich für diesen Weg in die Selbstständigkeit. Das Investitionsvolumen einer Einzelpraxisübernahme belief sich auf 463.000 EUR, was einer einer Zunahme gegenüber 2019 um 31 % entspricht. Rund 29 % der zahnärztlichen Existenzgründenden wählten die BAG. Das Investitionsvolumen für die Übernahme einer BAG betrug 388.000 EUR je Inhaber oder Inhaberin.

Ein weiterer Trend ist, dass eine immer größere Zahl an Zahnmedizinern und Zahnmedizinerinnen eine Anstellung dem Schritt in die Selbständigkeit vorzieht. Besonders die Zahl der in MVZ und Großpraxen angestellten Zahnärzte und Zahnärztinnen wächst kontinuierlich: Per 30.6.23 waren rund 4.388 allein in MVZs angestellt.

Der Anteil der MVZ ist hingegen zahlenmäßig noch gering. Zum 30.6.23 gab es 1.455 MVZ in ganz Deutschland – vorwiegend in Ballungsgebieten. Hinter diesen MVZ stehen als Träger zahnärztliche BAG und GmbH, die durch Zahnärzte und Zahnärztinnen betrieben wurden, aber auch Krankenhäuser, die nach § 95 SGB V ausdrücklich als mögliche Betreiber vorgesehen sind.

2. Investoren als Betreiber

Investoren dürfen Krankenhäuser betreiben. Über zwischengeschaltete Krankenhäuser haben diese zum Teil schon eine erhebliche Zahl an Praxen aufgekauft und zu Praxisketten verknüpft. Besonders Großpraxen standen im Fokus. Denn für Investoren waren in der Niedrigzinsphase die Kaufpreise im Verhältnis zu den erwarteten Erträgen günstig. Und: Zahnärzte und Zahnärztinnen, die hochrentable große Praxen abgeben wollten, fanden Kaufwillige, die Kaufpreise zahlen konnten, die von Berufseinsteigenden niemals hätten finanziert werden können. Das löste in der Niedrigzinsphase einen regelrechten Übertragungsboom bei großen Praxen aus. Nicht alle Erwartungen haben sich erfüllt. Der Zinsanstieg führte zu niedrigeren Bewertungen von Unternehmen und Praxen. Insofern gingen nicht alle Pläne von Investoren auf. Und jeder „Hype“ fördert auch weniger seriöse Praktiken. Berufsvertretende warnten die Politik vor unerwünschten Entwicklungen durch die „iMVZ“. Inzwischen ist es stiller geworden um Investoren und die Verkäufe an Investoren.

3. Investoren rechnen anders

Aber diese Entwicklung hat zu einem anderen Verständnis von Wirtschaftlichkeit in der Zahnmedizin geführt. Im Berufsstand hat sich immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, wie entscheidend die Rentabilität für den Wert einer Praxis ist. Lang praktizierte Bewertungsverfahren, die auf die Besonderheiten der Freiberuflichkeit abstellen – wie die sog. Bundesärztekammer-Methode –, waren lange in den Köpfen der Abgebenden und Übernehmenden kaufpreisbildend – trotz aller betriebswirtschaftlichen Kritik. Demnach ist der Wert einer Praxis abhängig vom Zeitwert der Einrichtung und dem „Goodwill“ der Praxis. Ein Beispiel soll diese Methode veranschaulichen:

Beispiel: Bundesärztekammer-Methode
  • Übertragbare Praxiseinnahmen p. a.

650 TEUR

  • – Übertragbare „Praxiskosten“ p. a.

– 450 TEUR

  • = Übertragbarer Gewinn

200 TEUR

  • – Oberarztgehalt in Klinik (fiktives Gehalt für Praxisinhabende)

– 90 TEUR

  • Erzielbarer Gewinn der Praxis p. a.

110 TEUR

  • × Prognosefaktor (für Einzelpraxis)

× 2

  • Immaterieller Wert vor Korrekturen

220 TEUR

  • ± Wertbeeinflussende Faktoren

– 20 TEUR

  • Immaterieller Praxiswert

200 TEUR

  • Materieller Wert der Einrichtung, Geräte und des Materialbestands

70 TEUR

  • Wert der Praxis

270 TEUR

Erhöht sich der übertragbare Gewinn z. B. um 10 TEUR p. a., so führt dies bei einer Einzelpraxis zu einem um 20 TEUR höheren Wert.

Investoren ermitteln den Wert von Praxen methodisch anders. Dies führt dazu, dass der Kaufpreis viel stärker von bereinigten Gewinnen (EBITDA) abhängig ist. So berechnen vereinfacht Investoren den Wert von Praxen:

Beispiel: Investorenrechnung
  • Übertragbare Praxiseinnahmen p. a.

1.500 TEUR

  • – Übertragbare „Praxiskosten“ p. a. (ohne AfA und Zinsen)

– 800 TEUR

  • – Personalkosten eines ZA, der das MVZ leitet

– 250 TEUR

  • – Personalkosten eines 2. ZA (bereits in den Kosten enthalten)

– 0 TEUR

  • Übertragbarer Gewinn vor Steuern, Abschreibungen, Zinsen (EBITDA)

450 TEUR

  • Multiple (meist 4 bis 8)

× 5

  • Praxiswert

2.250 TEUR

Dies erklärt, warum Marktpreise für hochrentable Großpraxen für Investoren in der Niedrigzinsphase besonders attraktiv waren. Umgekehrt konnten Abgabewillige Preise erzielen, die weit über den Erwartungen lagen. Nicht alle übernommenen Praxen haben die Erwartungen der Investoren erfüllt. Einige mussten sich aus dem Markt verabschieden. Und nicht alle, die ihre Praxis abgegeben haben, wurden mit ihrem Verkauf glücklich. Heute steht für solche Verkäufe die Tür nicht mehr so weit offen wie noch vor zwei Jahren. Der Markt konsolidiert sich. Es wird sich zeigen, ob iMVZ in der Zahnmedizin eine Randerscheinung bleiben oder ob sich Praxisketten und Großpraxen weiter aufbauen – mit Zahnärzten bzw. Zahnärztinnen oder mit Investoren als wirtschaftliche Eigentümer bzw. Eigentümerinnen. Es wird sich noch herausstellen, ob freiberufliche Zahnarztpraxen weiterhin die Zahnmedizin dominieren oder in einigen Jahren nur noch in Nischen zu finden sein werden, wie es teilweise im Ausland beobachtet werden kann.

AUSGABE: PFB 9/2025, S. 264 · ID: 50497655

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