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GestaltungsempfehlungDoppelte Nutzung der Kleinunternehmer- regelung bei Ehegatten
| Unternehmer, die gewisse Umsatzgrößen nicht überschreiten, können die Kleinunternehmerregelung nutzen. Sie ist dann vorteilhaft, wenn keine nennenswerten Anschaffungen erforderlich sind oder Dienstleistungen eingekauft werden müssen und sich der Unternehmer zudem mit seinen eigenen Leistungen überwiegend an Endkunden oder an andere, nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer wendet. Im Falle von Eheleuten könnte man da auf den Gedanken kommen, zwei Gewerbe bzw. Unternehmen zu gründen, um die Kleinunternehmerregelung zweimal in Anspruch zu nehmen. |

1. Allgemeines zur Kleinunternehmerregelung
Bislang konnten Unternehmer die Kleinunternehmerregelung anwenden, wenn ihr Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr nicht höher als 22.000 EUR war und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht höher als 50.000 EUR sein wird. Ab 2025 wurden die Schwellenwerte angehoben: Die Kleinunternehmerregelung kann genutzt werden, wenn der Jahresumsatz im Vorjahr nicht höher als 25.000 EUR war und im laufenden Jahr nicht höher als 100.000 EUR ist.
Die neue – inländische – Umsatzobergrenze für das laufende Kalenderjahr von 100.000 EUR ist als ein Grenzbetrag zu verstehen, bis zu dessen Erreichung die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für dieses Kalenderjahr zulässig ist, aber ab Überschreiten kommt eine weitere Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nicht mehr in Betracht. Sobald im laufenden Jahr die 100.000 EUR überschritten werden, entfällt die Kleinunternehmerschaft und es muss Umsatzsteuer in den Rechnungen ausgewiesen und abgeführt werden – vorausgesetzt natürlich, die Umsätze sind nicht nach anderen Vorschriften steuerfrei. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind indes steuerfrei.
Im Jahr der Aufnahme der Tätigkeit ist die Grenze von 25.000 EUR und nicht die Grenze von 100.000 EUR maßgebend (§ 19 Abs. 1 UStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2024; vgl. zu Einzelheiten Herold, Die wichtigsten Neuregelungen für Freiberufler (PFB 25, 80) sowie das Schreiben des BMF 18.3.25, III C 3 - S 7360/00027/044/105, BStBl I 25, S. 742).
Gegenüber der bisherigen Regelung ist der Gesamtumsatz ohne Hinzurechnung der Umsatzsteuer maßgebend. Während also die bisherigen Grenzen Bruttosummen waren, sind die neuen Grenzen Nettosummen.
2. Vervielfachung der Kleinunternehmerregelung
Eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung führt zu ihrer Versagung beim leistenden Unternehmer. Bei der Beurteilung, ob die Inanspruchnahme zweckwidrig ist, ist aber auch zu beachten, dass ein Steuerpflichtiger das Recht hat, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält. Dementsprechend macht allein das Bestreben, Steuern zu sparen, eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen, solange die gewählte Gestaltung zumindest auch von beachtlichen außersteuerlichen Gründen bestimmt gewesen ist. So kann auch eine umsatzsteuerrechtlich vorteilhafte Aufspaltung in verschiedene Unternehmen wirtschaftlich und unternehmerisch durchaus Sinn ergeben (BFH 11.4.13, V R 28/12).
2.1 Zweckwidrige Inanspruchnahme durch Aufspaltung
Demnach liegt eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nur dann vor, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich zwischen Unternehmen mit dem Ziel verlagert werden, die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten.
Auch wenn § 19 UStG vom allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG ausgeht und es keine typischen Kleinunternehmer gibt, da die Beurteilung ausschließlich von der Umsatzhöhe und nicht von einer bestimmten Rechtsform oder Tätigkeit abhängt, liegt der Regelung doch das Bild einer „kleinen“ unternehmerischen Einheit zugrunde, die sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch der Verwaltung keinen Verwaltungsaufwand rechtfertigt. So hat der EuGH festgestellt, dass die Gewährung von Steuerfreiheit nur Kleinunternehmer fördern solle, nicht aber solche, die durch Aufsplittung ihrer Tätigkeit auf verschiedene Mitgliedstaaten quasi „unter dem Deckmantel“ der jeweils geltenden Kleinunternehmerregelung tätig seien, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden. Entsprechend soll die Kleinunternehmerregelung nur denjenigen Unternehmen zugutekommen, die auch tatsächlich in geringem Umfang wirtschaftlich tätig sind (EuGH 26.10.10, C-97/09, Rs. Schmelz).
Beispiele für eine künstliche Aufspaltung |
Planmäßige Aufspaltung und Aufteilung auf Tochter-Personengesellschaften Die Grenze zu einer zweckwidrigen Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ist, wie erwähnt, dann überschritten, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich Unternehmen verlagert werden – wie z. B. in dem Fall, der dem Urteil des BFH (11.7.18 (XI R 26/17) zugrunde lag. Hier hatte eine Steuerberatungsgesellschaft sechs KG gegründet, an denen sie jeweils als Kommanditistin beteiligt war. Die KG erbrachten ihre Leistungen auf Grundlage von im eigenen Namen geschlossenen Verträgen ausschließlich gegenüber Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, weil sie steuerfreie Leistungen erbrachten (insbesondere bei Heilberufen) oder Kleinunternehmer waren. Die Umsätze der einzelnen KG blieben jeweils unterhalb der Kleinunternehmergrenze. |
Aufspaltung im Falle eines Gastronomiebetriebs In dem Fall des Urteils des EuGH (4.10.24, C-171/23) ging es um einen Gastronomiebetrieb, dessen Umsätze offenbar planmäßig aufgespalten worden sind und bei dem daher wohl ebenfalls die (hier: kroatische) Kleinunternehmerregelung zu versagen war. |
Abgrenzung zum Anwendungsbereich von § 42 AO Praxistipp | Die Versagung der Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ist nicht dasselbe wie eine Versagung auf Grundlage von § 42 AO. In Fällen, wie den beschriebenen, hat das Gericht die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Wege der teleologischen Reduktion auf Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung versagt, sodass trotz formaler Einhaltung der Umsatzgrenzen die Berufung auf § 19 UStG verwehrt ist. Der Anwendungsbereich des § 42 AO war in diesen Fällen – entgegen der Annahme der Vorinstanzen – schon nicht eröffnet. Die Unterscheidung zwischen der Versagung der Kleinunternehmerregelung aus EU-Gründen oder aus § 42 AO heraus dürfte allerdings für den Praktiker rein materiell-rechtlich kaum Relevanz haben. |
2.2 Künstliche Aufspaltung unter Eheleuten
Eine Besonderheit bieten Fälle, in denen Eheleute „mehr oder weniger“ derselben Tätigkeit nachgehen. Hier stellt sich die Frage, ob das FA die wirtschaftlichen Tätigkeiten nur wegen des Umstands, dass sie verheiratet sind, so ohne Weiteres zusammenfassen darf.
2.2.1 Eheleute sind gesellschaftsrechtlich verbunden
In diesem Zusammenhang ist zunächst auf das Urteil des BFH (11.7.18, XI R 36/17) hinzuweisen. In diesem Sachverhalt wurde eine künstliche Aufspaltung von Tätigkeiten gesehen.
Sachverhalt (BFH 11.7.18, XI R 36/17) |
GbR mit Ehemann und daneben selbstständig tätig Die Klägerin, eine freie Theologin, führt Hochzeiten, Taufen und Trauerfeiern durch. 2006 gründete sie mit ihrem Ehemann eine GbR, die solche Zeremonien organisiert. Die Klägerin war die alleinige Geschäftsführerin, während ihr Ehemann hauptsächlich für organisatorische Aufgaben zuständig war. Die Gewinne der GbR wurden fast vollständig der Klägerin zugerechnet. In der Praxis entschied sie, ob Aufträge über ihr Einzelunternehmen oder die GbR abgewickelt wurden, um die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung zu nutzen. Das FA und das FG werteten dies als Gestaltungsmissbrauch, da alle Umsätze letztlich dem Einzelunternehmen zugeschrieben wurden, wodurch die Umsatzgrenzen nicht eingehalten wurden. |
Die Revision der Klägerin war erfolglos, aber das Urteil der Vorinstanz wurde dennoch vom BFH aufgehoben, jedoch aus anderen Gründen als von der Klägerin vorgebracht. Der BFH stellte fest, dass § 42 AO in diesem Fall nicht anwendbar ist. Trotzdem wurde das Vorgehen der Klägerin als missbräuchliche Nutzung der Kleinunternehmerregelung betrachtet. Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen zwischen der Klägerin und der Gesellschaft mit dem Ziel, so die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, wird der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen. Eine durch Aufspaltung erzielte mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmervergünstigung stellt zudem eine Verletzung des Neutralitätsprinzips dar (BFH 11.7.18, XI R 26/17, Rz. 62 f.).
Ausgehend davon hat das FG im Streitfall zu Recht eine missbräuchliche mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung bejaht. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG erfolgte die Verlagerung von Umsätzen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen allein zu dem Zweck, jeweils die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen, und war nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt (vgl. dazu auch BFH 11.7.18, XI R 26/17, Rz. 62 f.).
Da die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung durch die Klägerin (und die Gesellschaft) folglich zweckwidrig und missbräuchlich wäre, war sie in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben zu versagen und die Umsatzsteuer – unter Außerachtlassung des § 19 UStG – auf die Umsätze zu erheben. Eine Zurechnung der Umsätze der Gesellschaft zur Klägerin kam dagegen nicht in Betracht.
2.2.2 Eheleute agieren als Einzelunternehmer
Kürzlich hat das FG Münster entschieden, dass die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung von Eheleuten mit zwei gleichartigen Unternehmen – hier im Bereich der Grabpflege – nicht missbräuchlich ist, wenn außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung dargelegt werden können (FG Münster 8.4.25, 15 K 2500/22 U).
Sachverhalt (FG Münster 8.4.25, 15 K 2500/22 U) |
Beide Eheleute als Minijobber tätig Die Ehegatten sind beide im Rahmen eines Minijobs bei einer Kirchengemeinde tätig. Im Februar 2016 meldete die Klägerin ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ als Einzelunternehmerin an. Der Kläger meldete im September 2016 ebenfalls ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ an. Beide Ehegatten beantragten jeweils beim FA, ab Beginn ihrer Tätigkeit die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG anzuwenden. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann erzielten mit ihren Gewerben jeweils Umsätze unterhalb der Kleinunternehmergrenze. Bei einer Addition der Umsätze wäre die Grenze überschritten worden. Das FA war der Auffassung, dass die Gewerbe bzw. die Unternehmen künstlich aufgespalten worden seien und versagte daraufhin für die Streitjahre die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Tatsächlich ließen einige Indizien darauf schließen, dass die Gewerbe nicht vollständig voneinander getrennt waren. So fanden sich zum Beispiel in der Buchführung des Ehemanns Eingangsrechnungen, die auf die Ehefrau ausgestellt waren. Die Kläger hingegen sahen keine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung. Unter anderem trugen sie vor, dass die Grabpflege von der Ehefrau, die Grabgestaltung aber vom Ehemann geleistet worden sei. Zwar habe die Klägerin im Rahmen der Grabpflege auch einmal ein Grab abgeräumt und neu bepflanzt. Im Gegensatz hierzu würden die Arbeiten des Ehemanns aber größere Erdbewegungen und das Versetzen von Grab- bzw. Randsteinen umfassen. |
Nach Ansicht des FG Münster aber waren die Eheleute nicht verpflichtet, jeweils selbstständige Tätigkeiten in einem Unternehmen zu bündeln und sie „aus einer Hand“ anzubieten. Sie dürfen auch getrennte Unternehmen führen, und zwar auch dann, wenn sie (nur) hierdurch aufgrund der Höhe ihrer erzielten Umsätze in den Anwendungsbereich der Kleinunternehmerregelung fallen. Ohne Bedeutung ist demnach, wenn sich die Leistungsangebote von Eheleuten ergänzen und teilweise überschneiden und sie teilweise auch identische Kunden haben. Denn hierbei handelt es sich um marktübliche Vorgänge, die im täglichen Wirtschaftsleben ständig vorkommen.
Sofern die Sichtweise vertreten wird, dass die Eheleute die Leistungen „aus einer Hand“ anbieten müssten, würde dies die Eheleute rein faktisch allein aufgrund ihrer Ehe benachteiligen. Hierin würde auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegen. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung, was insbesondere bedeutet, dass es Organen der staatlichen Hoheitsgewalt untersagt ist, rechtliche Nachteile gerade an Ehe und Familie zu knüpfen.
Es müssen aber außersteuerliche Gründe vorliegen. Zudem muss für die Kunden erkennbar sein, dass sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann eigenständig nach außen auftreten.
Im Urteilsfall lagen außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung vor. So hatte die Ehefrau ausgeführt, dass sie aufgrund der Behinderungen ihrer Kinder den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten hatte und mit dem Zuverdienst zum Familieneinkommen beitragen wollte. Zum anderen hatte sie dargelegt, dass sie körperlich nicht in der Lage war, Grabsteine zu bewegen und dass diese Tätigkeit – infolge zunehmender Nachfrage – daher von ihrem Ehemann angeboten wurde, während sie sich auf Leistungen der Grabpflege konzentriert hat.
3. Gestaltungsempfehlung
Sofern Ehegatten auf eigene Rechnung arbeiten, unabhängig voneinander auftreten und unterschiedliche Leistungen anbieten, dürfte die doppelte Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung möglich sein – vorausgesetzt bei der Auftragsannahme und -abwicklung begehen sie keine schwerwiegenden steuerlichen Fehler. Wichtig sind beispielsweise:
- Eigene Gewerbeanmeldung bzw. bei Freiberuflern entsprechende Mitteilung an das FA
- Leistungserbringung unter eigenem Namen und in eigener Verantwortung
- Abrechnung mit jeweils eigener Steuernummer und eigenem Briefkopf
- Eigene Rechnungs- und Kundennummern
- Getrennte Buchführung
- Getrennte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung („Berufshaftpflicht“)
Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, man würde als GbR auftreten oder die Kunden würden beliebig einmal dem Ehemann und ein anderes Mal der Ehefrau „zugewiesen“.
AUSGABE: PFB 9/2025, S. 247 · ID: 50456024