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Gewerbesteuer/SozialversicherungTätowierer können Künstler sein

Abo-Inhalt20.05.20253990 Min. LesedauerVon StB Christian Herold, Herten

| Ein Tätowierer kann eine künstlerische Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 S. 2 EStG erbringen, die zu freiberuflichen Einkünften führt und die nicht der Gewerbesteuer unterliegt (FG Düsseldorf 18.2.25, 4 K 1875/23 G, AO, Rev. zugelassen). Tätowierer, bei denen der Entwurf des individuellen Motivs und dessen Umsetzung in einem Tattoo als Unikat zu einem Gesamtkunstwerk verwoben sind, dürfen in die Künstlersozialversicherung (BSG 27.6.24, B 3 KS 1/23 R). |

1. Einkünftequalifikation von Tätowierern

Bei künstlerischen Tätigkeiten stellt sich regelmäßig die Frage: Ist das zweckfreie Kunst (freiberuflich) oder Gebrauchskunst (i. d. R. gewerblich)? Bei ersterer bedarf es keiner Feststellung der ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe. Vielmehr reicht es aus, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind. Im Bereich der Gebrauchskunst hingegen liegt eine künstlerische Tätigkeit nur dann vor, wenn die betreffende Person eigenschöpferisch tätig wird, d. h. Leistungen vollbringt, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, und wenn diese Leistungen eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Auf diese Unterscheidung kam es in der FG-Entscheidung an.

Sachverhalt (FG Düsseldorf 18.2.25, 4 K 1875/23 G, AO)

Der Kläger argumentiert gegenüber dem FA, dass er als Tattoodesigner und Tätowierkünstler nicht gewerbesteuerpflichtig sei, da seine Arbeit hauptsächlich schöpferisch und künstlerisch sei. Er betont, dass sein Einkommen aus kreativem Schaffen stammt und nicht aus handwerklichen Fähigkeiten, auch wenn er die Motive selbst tätowiert. Der kreative Entwurf stehe im Mittelpunkt seiner Arbeit. Ein Kundenauftrag beginnt mit einem persönlichen Gespräch, gefolgt von einem Entwurf, der besprochen und angepasst wird, bevor er auf die Haut übertragen und tätowiert wird. Kunden wählen keine vorgefertigten Designs aus einem Katalog.

Doch das FA folgte dem nicht, sondern ging von gewerblichen Einkünften und einer Gewerbesteuerpflicht aus. Trotz der kreativen Komponente sei Tätowieren handwerklich, da der Schwerpunkt auf der manuell-technischen Umsetzung liege. Tattoos seien Gebrauchskunst, da durch die Direktlieferung an die Kundinnen und Kunden – anders als bei Gemälden – unmittelbar ein Gebrauchsvorteil vorliege. Gebrauchskunst zeichne sich durch Auftragsgebundenheit aus.

1.1 Einordnung von Auftragsarbeiten

Das Gericht ordnete die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit dem Bereich der zweckfreien Kunst und nicht der Gebrauchskunst zu. Damit fiel die Tätigkeit unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 S.  2 EStG.

Zwar vertragen sich künstlerische Tätigkeit und Weisungsgebundenheit grundsätzlich nicht; allerdings nur im Bereich der Gebrauchskunst. Dagegen können auch Auftragsarbeiten, etwa im Bereich der Porträtmalerei, durchaus als zweckfreie Kunst einzuordnen sein. Selbst wenn man dies anders sähe und der Auftrags- bzw. Weisungsgebundenheit Bedeutung für die Abgrenzung von zweckfreier Kunst und Gebrauchskunst beimäße, wäre die Tätigkeit im Streitfall als freiberuflich einzuordnen. Der Kläger hat anschaulich dargelegt, dass sich seine Tätigkeit nicht etwa in der Übertragung von durch die Kundinnen und Kunden ausgewählten Motiven auf deren Haut erschöpft.

Zwar nehmen Kundinnen und Kunden erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Motive. Dies ist angesichts dessen, dass Tätowierungen unmittelbar und dauerhaft auf der Haut aufgebracht werden, auch naheliegend. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Motive zunächst unabhängig und lediglich auf der Grundlage stichwortartiger Vorgaben im Anschluss an ein persönliches Erstgespräch entwickelt. Auch bei der späteren Umsetzung der Tätowierung auf der Haut sind vom Kläger (gegebenenfalls freihändig) vorzunehmende Anpassungen etwa hinsichtlich der Kontraste und des Lichteinfalls erforderlich, die diesem einen kreativen Gestaltungsspielraum überlassen, der eigenständig ausgefüllt werden muss.

1.2 Relevanz für die Praxis

Die Abgrenzung zwischen einer gewerblichen und einer freiberuflichen, gerade auch einer künstlerischen Tätigkeit kann manchmal schwierig sein. Das aktuelle Urteil gibt Steuerpflichtigen aber gute Argumente an die Hand, um das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit begründen zu können. Dem Urteilstext lässt sich leider nicht entnehmen, ob der Kläger ein überregional bekannter Tätowierer ist und inwieweit sich seine Tattoos von denen anderer Tätowierer unterscheiden, d. h., inwieweit diese die „schöpferische Höhe“ erreichen. Jedenfalls hat er dies gegenüber dem FG hinreichend darlegen können. So spreche für die künstlerische Tätigkeit, dass der Kläger nach seinen Angaben an verschiedenen Ausstellungen und Messen u. a. zum Thema Tätowierungen teilgenommen hat. Dies wurde durch die hierzu übersandten Plakate und Veranstaltungsankündigungen untermauert.

1.3 Abgrenzung zum Tattoo-Zeichner

Der Fall unterscheidet sich übrigens von demjenigen, der der Entscheidung des Beschlusses (BFH 20.6.11, VII B 258/10) – allerdings zur Umsatzsteuer – zugrunde lag. Der dortige Kläger war als Tattoo-Zeichner unternehmerisch tätig, ohne zugleich selbst Tätowierer zu sein. Er erstellte nach dem Kundenwunsch Tätowiervorlagen. Die Kunden ließen die Tätowierungen dann im Studio der Ehefrau des Klägers vornehmen. Das FG entschied: Im Streitfall sind gewerbliche Zeichnungen anzunehmen, da die Tattoo-Vorlagen dazu bestimmt sind, entsprechende Tattoos anzufertigen. Wenn auch eine andere Verwendung der Vorlagen grundsätzlich möglich ist, so entspricht diese dennoch nicht deren Bestimmung. Vorherrschend und prägend ist somit die Zweckbestimmung der Zeichnungen und nicht deren künstlerischer Gehalt. Auch wenn es sich um individuelle Erzeugnisse handelt, befinden sich die Zeichnungen gleichwohl im Wettbewerb mit standardisierten Tattoo-Motiven (FG Rheinland-Pfalz 23.9.10, 6 K 1433/08). Der BFH hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.

Beachten Sie | Schon zuvor hatte der BFH zur Umsatzsteuer entschieden: Ein Tätowierer führt sonstige Leistungen aus, die mit dem allgemeinen Steuersatz besteuert werden. Eine Einräumung von Nutzungsrechten an einem Urheberrecht, für die nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG der ermäßigte Steuersatz gilt, erfordert eine entsprechende Vereinbarung (BFH 23.7.98, V R 87/97; vgl. auch Abschnitt 12.7 Abs. 17 UStAE).

2. Künstlersozialversicherung

Nun noch ein Blick ins Sozialversicherungsrecht, d. h. ins Recht der Künstlersozialversicherung, da die dort getroffenen Aussagen sinngemäß auch für die steuerliche Einordnung maßgebend sein können. Das BSG hat einer Tätowiererin in einem aktuellen Fall den künstlerischen Status zuerkannt (27.6.24, B 3 KS 1/23 R).

Sachverhalt

Die Klägerin ist diplomierte Designerin und erzielt den überwiegenden Anteil ihrer Einnahmen als selbstständige Tätowiererin. Darüber hinaus ist sie als Illustratorin und Zeichnerin selbstständig tätig. Sie nahm an Ausstellungen teil und gewann hierbei auch Preise. Ihren Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG lehnte die beklagte Künstlersozialkasse ab: Tätowierer seien nach dem BSG nur dann bildende Künstler i. S. v. § 2 S. 1 KSVG, wenn sie mit ihren Arbeiten Aufmerksamkeit und Anerkennung über den eigenen Kundenkreis und über die Szene der Tätowierer hinaus erzielten (jeweils mit Verweis auf BSG vom 28.2.07, B 3 KS 2/07 R).

Doch das BSG sah die Sache im Streitfall anders: Die Klägerin schafft mit ihren Tätowierungen bildende Kunst und ist versicherungspflichtig nach dem KSVG. Damit kann Tätowieren Kunst und Tätowierer können Künstler i. S. d. Künstlersozialversicherung sein. So können Tattoo-Designer, die sich auf das Entwerfen und Zeichnen von Tattoo-Motiven und Vorlagen als Arbeitsmittel für Tattoo-Studios beschränken, Künstler i. S. d. § 2 S. 1 KSVG sein. Dies ist auch dann möglich, wenn Tätowierer mit ihren Werken in Fachkreisen der bildenden Kunst als Künstler anerkannt und behandelt werden. Tätowierern, bei denen der Entwurf des individuellen Motivs und dessen Umsetzung in einem Tattoo als Unikat zu einem Gesamtkunstwerk verwoben sind, ist der Zugang zur Künstlersozialversicherung eröffnet. Erforderlich hierfür ist die Zugehörigkeit zur Gruppe der Tätowierer, die künstlerisch ausgebildet oder als Künstler in anderen Ausübungsformen als dem Tätowieren anerkannt sind.

Hinzu kommen muss, dass sich bei ihnen zwischen Kunst und Handwerk nicht trennen lässt, weil das aus zeichnerisch-entwerfender kreativer Tätigkeit entstandene individuelle Motiv und dessen Umsetzung sowie Fertigstellung auf und in der Haut mit eigenschöpferischem Gestaltungsspielraum bzw. kreativen Freiheiten in einem künstlerischen Vorgang verwoben sind und das Tätowieren nicht die bloße handwerklich-technische Umsetzung einer kreativen Idee ist. Motiv und Tätowierung bilden vielmehr ein Gesamtkunstwerk und bleiben ein Unikat, das nicht weiter produziert und vermarktet wird.

AUSGABE: PFB 6/2025, S. 155 · ID: 50340904

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