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UmsatzsteuerGrundstückserwerber haftet nicht für falsche Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen

Abo-Inhalt20.05.20254 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Matthias Ulbrich, Visselhövede

| Der Erwerb von bereits vermieteten oder verpachteten Grundstücken und Gebäuden verpflichtet zivilrechtlich dazu, in einen bestehenden Mietvertrag einzutreten. Muss der Erwerber in diesem Fall aber auch gegenüber dem FA für eine vom Voreigentümer unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer haften? Der BFH (5.12.24, V R 16/22) hat sich mit dieser Frage befasst. |

1. Grundstücksverpachtung mit Optionsmöglichkeit

Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken sind gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Der Unternehmer kann jedoch auf die Steuerbefreiung verzichten, um Vorsteuerabzüge für damit verbundene Eingangsleistungen zu ermöglichen. Dieser Verzicht ist gemäß § 9 Abs. 1 und 2 UStG nur zulässig, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer erfolgt, der das Grundstück ausschließlich für umsatzsteuerpflichtige Umsätze nutzt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der vermietende Unternehmer muss diese Voraussetzungen nachweisen. Wenn der Mieter zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist die zusätzlich an den Vermieter zu zahlende Umsatzsteuer für ihn im Ergebnis neutral. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine ordnungsgemäße Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG). Als Rechnung ist auch ein Vertrag anzusehen, der die erforderlichen Angaben enthält (vgl. Abschn. 14.1 Abs. 2, Abschn. 14.5 Abs. 17 S. 1 bis 3 UStAE m. w. N.).

Beispiel 1

Der Arzt A vermietet das EG des ihm gehörenden Gebäudes, in dem er seine Praxis führt, an den Apotheker B, der in den Räumen eine Apotheke betreibt, sowie an P zur Ausübung einer Physiotherapiepraxis.
Lösung: A darf auf die Steuerbefreiung für die Vermietung an B verzichten. Die an A gezahlte Umsatzsteuer kann B als Vorsteuer abziehen. Dagegen ist ein Verzicht für die Vermietung an P unzulässig, weil P als Physiotherapeut steuerfreie Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 14 UStG erbringt, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

2. Beurteilung des Grundstückserwerbs

Zivilrechtlich ist festzustellen, dass ein Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, wenn das vermietete Grundstück nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert wird (§§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 1 und 2, 581 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt nach § 57 ZVG für den Meistbietenden in einem Zwangsversteigerungsverfahren.

In Bezug auf die Umsatzsteuer führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird (BFH 12.8.15, XI R 16/14, BStBl II 20, 790, Rz. 26 m. w. N.). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

3. Haftung des Erwerbers für Umsatzsteuer

Hat der Vermieter in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem UStG für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG ebenso den Mehrbetrag. Dies ist u. a. bei Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis für steuerfreie Leistungen der Fall (Abschn. 14c.1 Abs. 1 S. 6 UStAE m. w. N.). Eine nach § 14c UStG vom Rechnungsaussteller geschuldete Umsatzsteuer darf nicht als Vorsteuer abgezogen werden (Abschn. 15.2 Abs. 1 S. 2 UStAE m. w. N.). Fraglich ist, ob das FA den Erwerber eines Grundstücks für einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis in Anspruch nehmen darf.

Beispiel 2

A erwarb das Gebäude von X, der es bis dahin an A, B und P (s. Beispiel 1) vermietete. Allerdings war in diesem Mietvertrag mit dem Physiotherapeuten die monatliche Nettokaltmiete zzgl. Nebenkosten und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz „+ 19 % USt“ benannt, weil X – fälschlicherweise – annahm, auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichten zu dürfen. A beurteilt den Sachverhalt zutreffend und behandelt die Mieten als steuerfrei.

Der BFH (5.12.24, V R 16/22) sieht keine Grundlage für die Haftung des Grundstückserwerbers für einen unrichtigen Steuerausweis in übernommenen Mietverträgen. Für eine Inanspruchnahme muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lauten und die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person muss an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt haben oder ihr muss die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen zuzurechnen sein (BFH 5.12.24, V R 16/22, Rz. 13). Auch der zivilrechtliche Eintritt in die Mietverträge nach o. g. Vorschriften ermöglicht keine Zurechnung. Die Regelung dient dem Schutz des Mieters, damit ihm dadurch die von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleibt. Als Ausnahmevorschrift ist die Regelung nach Auffassung des BGH eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert (BGH 27.10.21, XII ZR 84/20, Rz. 28).

Da aber eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG nicht dem Mieterschutz dient und ein unrichtiger Steuerausweis auch nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten gehört, auf deren Übergang die Vorschrift gerichtet ist, kommt eine Zurechnung eines vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweises auf den Grundstückserwerber nicht in Betracht. Auch aus § 1 Abs. 1a UStG folgt nicht, dass ein unrichtiger Steuerausweis des Veräußerers eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb zulasten des Erwerbers begründet.

AUSGABE: PFB 6/2025, S. 151 · ID: 50363311

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