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PraxisfortführungBGH setzt Signal zur Fortführungsklausel

Abo-Inhalt20.05.20255 Min. LesedauerVon RA Dr. Niels George, FASteuerR, FAErbR, FAHandelsGesR, Berlin

| Die Fortführungsklausel in Gesellschaftsverträgen einer GbR wirft regelmäßig komplexe Rechtsfragen auf, insbesondere, wenn ein Gesellschafter ausscheidet und Unklarheiten über die Fortsetzung der Gesellschaft oder die Vertretungsmacht der verbleibenden Gesellschafter bestehen. Der BGH (29.10.24, II ZR 222/21) hat richtungsweisende Klarstellungen getroffen. Die Entscheidung beleuchtet nicht nur die Voraussetzungen für eine wirksame Fortführung der Gesellschaft, sondern auch die Auswirkungen auf bestehende Kontovollmachten und Vertretungsbefugnisse. |

1. Sachverhalt

In dem vorliegenden Fall stand die Auslegung einer Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GbR im Mittelpunkt. Zwei Rechtsanwälte hatten im Jahr 2008 eine Sozietät in Form einer GbR gegründet. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Klausel, die die Fortführung der Gesellschaft im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters erlaubte – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mindestens zwei Gesellschafter verbleiben.

Als einer der Partner Ende 2016 seine Kündigung erklärte und zum 31.12.17 ausschied, widerrief er kurz vor seinem Austritt die Alleinverfügungsberechtigung seines verbleibenden Kollegen über die Sozietätskonten. Die Bank reagierte darauf, indem sie die bisherige Einzelverfügungsbefugnis in eine gemeinschaftliche Verfügung umwandelte. Der verbleibende Gesellschafter forderte daraufhin die Bank auf, ihn als Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft einzutragen und ihm alleinigen Zugriff auf die Konten zu gewähren – ein Ansinnen, das die Bank verweigerte.

2. Entscheidung

2.1 Wortlaut und Auslegung der Fortführungsklausel

Die streitgegenständliche Klausel lautete sinngemäß:

Fortführungsklausel

„Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wird die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben.“

Nach Auffassung des BGH war der Wortlaut der Klausel zunächst eindeutig: Eine Fortführung setzt voraus, dass mindestens zwei Gesellschafter weiterhin Teil der Gesellschaft sind. Da nach dem Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter nur noch eine Person verblieb, war eine Fortführung der GbR nach dieser Klausel nicht mehr möglich. Jedoch wies der BGH darauf hin, dass eine Vertragsauslegung nicht allein nach dem Wortlaut erfolgen darf. Entscheidend sei vielmehr, was die Parteien mit der Klausel bezweckten und welche wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen sich daraus ergäben.

2.2 Systematische und teleologische Auslegung der Klausel

Neben dem reinen Wortlaut prüfte der BGH die Klausel im Kontext des gesamten Vertragswerks. Dabei stellte das Gericht fest, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB grundsätzlich auf die Zusammenarbeit mehrerer Personen angelegt ist. Eine Ein-Personen-GbR ist im deutschen Gesellschaftsrecht nicht vorgesehen, sodass eine automatische Fortführung durch eine einzelne Person grundsätzlich nicht dem Leitbild der GbR entspricht. Weiterhin betonte der BGH, dass sich aus der Fortführungsklausel keine stillschweigende Umwandlung in ein Einzelunternehmen ableiten lasse. Eine solche Rechtsfolge müsse ausdrücklich vereinbart werden. Der BGH stellte klar, dass bei fehlender Regelung die Gesellschaft mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aufgelöst wird.

2.3 Berücksichtigung der Parteivereinbarungen und des Parteiwillens

Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die Frage, ob die Parteien möglicherweise eine andere Intention hatten, als es der Wortlaut der Klausel nahelegt. Der BGH stellte fest, dass eine rein sprachliche Betrachtung nicht ausreicht, sondern dass der gesamte Kontext, einschließlich der Vertragsverhandlungen und der wirtschaftlichen Zielsetzungen der Parteien, berücksichtigt werden müsse. Da in den Vorinstanzen hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen wurden, sah der BGH es als notwendig an, den Fall zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses müsse klären, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Gesellschafter ursprünglich eine Fortführung auch durch einen Einzelnen ermöglichen wollten, diese Absicht aber nicht hinreichend klar vertraglich fixiert hatten.

2.4 Auswirkungen auf die Kontovollmacht

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entscheidung betraf die Bankvollmacht des verbleibenden Gesellschafters. Der BGH stellte fest, dass durch die Auflösung der Gesellschaft auch die Vertretungsbefugnisse der Gesellschafter enden. Da die Bank richtigerweise davon ausging, dass die GbR nicht fortgeführt werden konnte, war ihre Entscheidung, die Konten auf gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis umzustellen, nicht zu beanstanden. Der verbleibende Gesellschafter hatte somit keinen Anspruch darauf, als alleiniger Verfügungsberechtigter eingetragen zu werden. Wäre eine Fortführungsklausel zugunsten eines einzelnen Gesellschafters eindeutig geregelt gewesen, hätte dies möglicherweise zu einer anderen Bewertung geführt.

3. Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil ist von erheblicher praktischer Relevanz für die Vertragsgestaltung und das Gesellschaftsrecht. Es verdeutlicht die Risiken unpräziser oder missverständlicher Klauseln in Gesellschaftsverträgen und zeigt, wie existenzielle Fragen zur Fortführung einer Gesellschaft von der Auslegung einzelner Bestimmungen abhängen können:

  • 1. Klare Regelungen zur Fortführung der Gesellschaft:
  • Gesellschafter einer GbR sollten sich bewusst sein, dass eine unklare Fortführungsklausel im Streitfall erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Verliert eine zweigliedrige GbR einen ihrer beiden Gesellschafter, entfällt die notwendige Mehrzahl an Gesellschaftern. Ohne eine vertragliche Fortsetzungsklausel führt dies gemäß § 712a Abs. 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft. In diesem Fall erlischt die GbR automatisch, ohne dass eine Liquidation erforderlich ist. Mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters geht das Gesellschaftsvermögen zum Zeitpunkt seines Ausscheidens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. Eine Fortführung der Gesellschaft durch den verbleibenden Gesellschafter ist jedoch nur dann möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Fortsetzungsklausel vorsieht. Wer sicherstellen möchte, dass die Gesellschaft auch mit nur einem Gesellschafter fortgeführt werden kann, sollte dies ausdrücklich im Vertrag festhalten. Andernfalls droht das Risiko, dass eine unerwartete Auflösung der Gesellschaft eintritt, mit allen damit verbundenen rechtlichen und finanziellen Folgen.
  • 2. Auswirkungen auf Bankvollmachten und Verfügungsbefugnisse:
  • Ein besonders praxisrelevanter Aspekt dieses Urteils betrifft die Auswirkungen auf Kontovollmachten. In vielen Gesellschaften besteht die Notwendigkeit, dass ein einzelner Gesellschafter allein über Bankkonten verfügen kann. Das Urteil zeigt, dass ein Gesellschafter, der ausscheidet, durch einseitige Erklärungen gegenüber der Bank erheblichen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nehmen kann – insbesondere wenn die Vertragslage unklar ist. Unternehmen sollten daher frühzeitig Regelungen treffen, die sicherstellen, dass Kontovollmachten auch im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters eindeutig geregelt bleiben.
  • 3. Bedeutung für Sozietäten und Freiberufler-GbRs:
  • Das Urteil betrifft nicht nur klassische Handelsgesellschaften, sondern insbesondere auch Kanzleien, Ärzte- oder Architektengemeinschaften, die oft in der Rechtsform der GbR organisiert sind. Hier ist es besonders wichtig, frühzeitig Klarheit darüber zu schaffen, ob und unter welchen Bedingungen eine Fortführung möglich ist. Für freiberufliche Sozietäten kann eine unklare Fortführungsklausel schnell existenzbedrohend werden – sei es durch eine unerwartete Liquidation oder durch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten nach dem Ausscheiden eines Partners.
  • 4. Vertragsgestaltung mit Blick auf Auslegungsrisiken:
  • Schließlich unterstreicht die Entscheidung des BGH die Bedeutung einer vorausschauenden Vertragsgestaltung. Der Fall zeigt, dass selbst eine scheinbar eindeutige Formulierung („sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben“) in der Praxis Fragen aufwerfen kann. Wer Rechtsstreitigkeiten vermeiden möchte, sollte nicht nur eine klare und unmissverständliche Sprache wählen, sondern auch ergänzende Regelungen treffen – etwa zur Nachfolge von Gesellschaftern, zu Vollmachten und zur Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in Übergangsphasen.

AUSGABE: PFB 6/2025, S. 160 · ID: 50373931

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