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MustergestaltungVerkauf einer Freiberufler-Praxis an eine (teilweise eigene) GmbH mit Earn-out

Abo-Inhalt20.03.202513 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

| Der BFH (9.11.23, IV R 9/21) hat sich jüngst zu Earn-out-Klauseln geäußert und entschieden, dass im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern sind. Sie erhöhen den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht. Dies gilt auch für Earn-out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist. Nachfolgend wird dieses Thema am Beispiel des Verkaufs einer Freiberuflerpraxis beleuchtet. |

1. Sachverhalt

Steuerberater A plant den Verkauf seiner Einzelkanzlei an die AB-Steuerberatungs-GmbH, an welcher er selbst mit 50 % beteiligt sein wird. Die anderen 50 % sollen von Steuerberater B gehalten werden. Im Zusammenhang mit dem Verkauf soll vor allem sichergestellt sein, dass die Tarifvergünstigungen nach §§ 16, 34 EStG („halber Steuersatz“) zur Anwendung kommen; denn A will zur Überleitung und auch danach in der GmbH weiterarbeiten. Außerdem erwägen A und B eine umsatzabhängige Kaufpreisgestaltung beim Erwerb durch die GmbH.

2. Steuerliche Würdigung

Für die personenbezogene Steuerbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG ist es erforderlich, dass entweder eine Betriebsveräußerung i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 EStG oder eine Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG vorliegt. Außerdem muss die Einzelkanzlei objektiv als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens erlöschen.

2.1 Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe

In beiden Fällen ist zu bedenken, dass die stillen Reserven sämtlicher funktional und quantitativ wesentlichen Betriebsgrundlagen (einschließlich des etwaigen Sonderbetriebsvermögens) in einem einheitlichen Vorgang aufzudecken sind, wenn der Vorgang begünstigt sein soll. Wesentliche Grundlagen eines Betriebs sind die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für den Betriebsablauf bzw. die Betriebsfortführung besitzen.

2.1.1 Betriebsveräußerung

Die Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) bedingt die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang gegen Entgelt auf einen Erwerber und dass die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Betätigung endet. Die wesentlichen Grundlagen müssen in der Weise auf einen Erwerber übertragen werden, dass der Betrieb als geschäftlicher Organismus fortgeführt werden kann. Die Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit ist dabei als selbstständiges Merkmal der Tatbestandsverwirklichung neben dem Merkmal der Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen zu sehen.

Sollte nur ein Teil der Betriebsgrundlagen veräußert werden, würde ein laufender, nicht begünstigter Gewinn erzielt. Für die Beurteilung, ob sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen entgeltlich übertragen werden, ist die funktional-quantitative Betrachtungsweise maßgeblich. Danach ist von einer wesentlichen Betriebsgrundlage auszugehen, wenn

  • entweder das Wirtschaftsgut in seiner Funktion für den Betrieb wesentlich ist (funktionale Betrachtung)
  • oder in diesen erheblichen stillen Reserven ruhen (quantitative Betrachtung).

2.1.2 Betriebsaufgabe

Auch die Aufgabe des Betriebs (§ 16 Abs. 3 EStG) kann zu der Steuerbegünstigung nach den §§ 16, 34 EStG führen. Eine Betriebsaufgabe erfordert eine Willensentscheidung oder Handlung des Steuerpflichtigen, die darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbstständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen.

Sofern alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt oder teilweise veräußert und teilweise verdeckt in die GmbH eingelegt werden, kann eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG vorliegen. Damit es sich um eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe handelt, müssen alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang an den Erwerber veräußert und die Kanzleiräume in das Privatvermögen überführt werden, wonach der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört.

3. Mitarbeit in der erwerbenden GmbH

Eine Betriebsaufgabe und auch eine Betriebsveräußerung bedingen, dass der Gewerbebetrieb objektiv als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens erlischt. Gemäß der Rechtsprechung zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist von einer Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers ferner auch dann auszugehen, wenn dieser unselbstständig im Auftrag und/oder für Rechnung des Käufers (der GmbH) tätig wird, weil der Käufer trotzdem zivilrechtlich und wirtschaftlich in der Lage ist, die Beziehungen zu den früheren Mandanten des Veräußerers zu verwerten. Diese Rechtsprechung kann auch auf die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG übertragen werden.

Beachten Sie | Bei einer Erwerber-Personengesellschaft darf der Veräußerer nicht mehr selbstständig auf eigene Rechnung im bisherigen Segment tätig werden, sondern nur auf fremde Rechnung. Dies gilt bei einer Erwerber-GmbH nicht in gleicher Weise (Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften). Aus Vorsorgegesichtspunkten sollte aber der Veräußerer keine nennenswerten Tätigkeiten auf eigene Rechnung (also losgelöst von der GmbH) entfalten.

Wenn ein feststehender Kaufpreis vereinbart wird und der Veräußerer nach der Veräußerung als Angestellter der GmbH umsatzabhängig vergütet wird, handelt es sich bei dieser Vergütung nicht um einen Teil des Veräußerungserlöses, sondern um Arbeitslohn. In diesem Fall kommt eine Begünstigung nach den §§ 16, 34 EStG nur für den feststehenden Kaufpreis in Betracht, der als Veräußerungsgewinn behandelt wird. Die §§ 16 und 34 EStG beziehen sich auf den Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils, nicht jedoch auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die umsatzabhängige Vergütung, die der Veräußerer als Angestellter erhält, ist als Arbeitslohn zu versteuern, wenn die Vergütungen eindeutig trennbar sind. Diese Vergütung unterliegt dem regulären Einkommensteuertarif und fällt nicht unter die steuerliche Begünstigung nach § 34 EStG.

Alternative: Einbringung

Eine vorherige Einbringung des Betriebs in den Betrieb des Übernehmers zu gemeinen Werten käme in Betracht, wenn der Übertragende fremdüblich beteiligt wird. Auch in diesem Fall könnte der Gewinn begünstigt versteuert werden. So könnte der Einbringende die gesamten (100 %) stillen Reserven aufdecken und den §§ 16, 34 EStG unterwerfen. Auch insoweit wäre (siehe unter Tz. 4) eine umsatzabhängige Vergütung hinsichtlich der Tätigkeit möglich – allerdings kein umsatzabhängiger Kaufpreis.
Zwischenfazit | Für den Fall der Betriebsveräußerung ist erforderlich, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang fremdüblich veräußert und die stillen Reserven in einem Akt aufgedeckt werden. Soweit der Veräußerer zu 50 % an der erwerbenden GmbH beteiligt sein soll, ist dies für die Tarifbegünstigung unbeachtlich, da eine Parallelvorschrift zu § 16 Abs. 2 S. 3 EStG fehlt. Auch eine Betriebsaufgabe kann dem Grunde nach als begünstigt gestaltet werden. Dass der Veräußerer in der erwerbenden GmbH weiter als Steuerberater tätig ist, hat keinen Einfluss auf die Gewährung der Tarifbegünstigung, selbst dann nicht, wenn die Tätigkeitsvergütung (nicht der Kaufpreis) umsatzabhängig ausgestaltet sein sollte.

4. Besteuerungszeitpunkt

Dem Grunde nach liegt eine nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG begünstigte Veräußerung vor, wenn der gesamte Betrieb veräußert wird. Fraglich ist, ob eine Earn-out-Klausel der Begünstigung nach den §§ 16, 34 EStG entgegensteht.

4.1 Unveränderlicher Kaufpreis: Besteuerung bei Realisation im Veräußerungszeitpunkt

Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d. h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist, unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Veräußerungserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Der Veräußerungsgewinn ist daher regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln (BFH 4.02.20, IX R 7/18; BFH 19.12.18, I R 71/16, BStBl II 19, 493 unter Hinweis auf BFH 19.07.19, GrS 2/92, BStBl II 93, 897). Die punktuelle Ermittlung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebieten es, im Interesse einer sachgerechten, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen.

4.2 Ausnahme: Ereignisse mit steuerlicher Rückwirkung auf den Realisationszeitpunkt

Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr. Anders ist dies nur, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war (BFH 4.2.20, IX R 7/18; BFH 13.10.15, IX R 43/14, BStBl II 16, 212). Dementsprechend kann ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung in folgenden Fällen anzunehmen sein:

  • Wenn die nachträgliche Veränderung des zunächst geschuldeten Kaufpreises auf einem dem Veräußerungsvorgang selbst anhaftenden Mangel, wie z. B. einer Leistungsstörung, beruht (vgl. z. B. BFH 19.4.05, VIII R 68/04, BStBl II 05, 762; BFH 14.06.05, VIII R 14/04, BStBl II 06, 15; BFH 6.12.16, IX R 49/15, BStBl II 17, 673). Dies gilt auch dann, wenn der Kaufpreis infolge Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurückgezahlt werden muss (BFH 28.10.09, IX R 17/09, BStBl II 10, 539).
  • Der erforderliche Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang kann zudem auch dann vorliegen, wenn die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Übertragung einer Beteiligung keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben und dieser erst nachträglich (z. B. im Rahmen eines Vergleichs) klargestellt wird (vgl. z. B. BFH 14.6.05, VIII R 14/04, BStBl II 06, 15).
  • Auch der Eintritt einer auflösenden Bedingung kann ein rückwirkendes Ereignis sein, und zwar unabhängig davon, ob der Kaufpreis bereits (teil-)entrichtet und damit zurückzugewähren ist oder noch in vollem Umfang geschuldet wird (BFH 19.8.03, VIII R 67/02, BStBl II 04, 107).

Ist die nach Erfüllung des Erwerbsgeschäfts geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbstständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Veräußerung steht, wirkt sie nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück (BFH 4.10.16, IX R 8/15, BStBl II 17, 316; BFH 4.2.20, IX R 7/18).

4.3 Gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreis: Besteuerung bei Realisation im Zuflusszeitpunkt

Für den Fall gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisabreden macht die Rechtsprechung eine Ausnahme vom dargestellten Grundsatz der stichtagsbezogenen Betrachtung auf den Veräußerungszeitpunkt und stellt für diesen Sonderfall auf die Realisation des Veräußerungsentgelts im Zeitpunkt des Zuflusses ab (BFH 19.12.18, I R 71/16, BStBl II 19, 493 zu § 8b KStG; BFH 27.10.15, VIII R 47/12, BStBl II 06, 600 mit Hinweis auf BFH 17.7.13, X R 40/10, BStBl 13, 883 und BFH 14.5.02, VIII R 8/01, BStBl II 02, 532). Die Sofortversteuerung in Fällen gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisleistungen stünde nicht nur im Widerspruch zur Systematik der §§ 16, 34 EStG sowie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern wäre auch nicht mit dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS. 2 HGB) vereinbar. Es handelt sich insoweit um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche (vgl. § 158 Abs. 1 BGB), da im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob in den Folgejahren eine Kaufpreisforderung entsteht noch wie hoch diese sein wird. Damit ist eine Gewinnrealisierung nach allgemeinen Grundsätzen davon abhängig, dass die Forderung wirtschaftlich entstanden ist. Dies erfordert wiederum, dass die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt sind und der Kaufmann mit der künftigen Erlangung des zivilrechtlichen Anspruchs fest rechnen kann, mit anderen Worten, dass das Entstehen des Anspruchs so gut wie sicher ist. Hieran und an der für die Annahme der Gewinnrealisierung erforderlichen Bestimmtheit der Kaufpreisforderung fehlt es im Regelfall bereits mit Rücksicht auf die Unwägbarkeiten sowohl der allgemeinen zukünftigen Entwicklung als auch im Hinblick auf die Stellung des einzelnen Unternehmens am Markt (BFH 27.10.15, VIII R 47/12, BStBl II 06, 600; BFH 14.5.02 VIII R 8/01, BStBl II 02, 532).

Als gewinn- bzw. umsatzabhängig hat der BFH u. a. Kaufpreisforderungen angesehen, die

  • auf der Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers (BFH 27.10.15, VIII R 47/12, BStBl II 06, 600),
  • auf der Vereinbarung der Zahlung eines prozentualen Anteils des auf die veräußerte Beteiligung entfallenden Gewinnanteils auf Lebenszeit (BFH 14.5.02, VIII R 8/01, BStBl II 02, 532) oder
  • auf der Vereinbarung eines variablen Kaufpreises, der von der tatsächlich verkauften Anzahl eines Produkts in einem festgelegten Zeitraum abhängig ist (BFH 19.12.18, I R 71/16, BStBl II 19, 493), beruhten.

Diskutiert wird, wie bereits angedeutet, dass die Vereinbarung eines festen Kaufpreises und eine spätere Minderung durch einen „Malus“ (= Nichterreichen von Umsatzzielen) unschädlich sein könnte. Dieser Weg wäre allerdings riskant (dazu unten).

4.4 Folgerungen für die Verwendung von Earn-out-Klauseln

Aus den oben dargestellten Grundsätzen hat der BFH (9.11.23, IV R 9/21) abgeleitet, dass die Grundsätze zur Behandlung von gewinn- und umsatzabhängigen Zahlungen auch bei variablen Earn-out-Klauseln gelten. Dies könnte im Einzelfall die stichtagsbezogene Besteuerung nach den §§ 16, 34 EStG gefährden.

Im Fall des Praxisverkaufs sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Sie erhöhen den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht. Dies gilt, so der BFH, auch für Earn-out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist. Diese Sichtweise dürfte auf die Veräußerung von Betrieben übertragbar sein.

Vertreten wird zwar auch, dass Earn-out-Klauseln aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche sind, die bei Bedingungseintritt und Zahlung rückwirkend nach § 175 AO im Zeitpunkt der Veräußerung zu besteuern sind (z. B. Werner, DStR 12, 1662; Ketteler-Eising, DStR 22, 1633). Allerdings dürfte der BFH dieser Auffassung die praktische (Anwendungs-)Grundlage entzogen haben.

Beachten Sie | Teilweise wird allerdings sogar die Rechtsauffassung vertreten, dass in derartigen Fällen die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG für den gesamten Kaufpreis, also auch für den Teil, der bereits im Zeitpunkt der Veräußerung als Festkaufpreis entstanden ist, mangels Zusammenballung entfallen soll (so auch Müller/Dorn/Schwarz, NWB 17, 2906).

Demgegenüber vertritt Pohl (in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 34 EStG Rz. 13) die Auffassung, dass die Prüfung, ob dem Veräußerungsgewinn ein außerordentlicher Vorgang und eine Zusammenballung von Einnahmen zugrunde liegen, regelmäßig entbehrlich sei, da die Rechtsprechung unter den Begriff der Veräußerungsgewinne nur solche Einkünfte subsumiere, die den Begünstigungszweck des § 34 EStG erfüllten. Demnach könne von einer Zusammenballung von Einkünften auch dann ausgegangen werden, wenn der Aufgabegewinn bei einer Betriebsaufgabe in mehreren Veranlagungszeiträumen anfalle. Auch nach der von Wollweber (GmbH-StB 21, 353) vertretenen Rechtsauffassung sprechen überwiegende Gründe dafür, dass in diesen Fällen das Erfordernis der „Zusammenballung“ entfällt. Zum einen sei im Wortlaut des § 34 EStG das Erfordernis der „Zusammenballung“ nicht unmittelbar angelegt, zum anderen habe der BFH (19.12.18, I R 71/16, BStBl II 19, 493) die entsprechenden Zahlungen ausdrücklich als Teil des Veräußerungsentgelts i. S. d. §§ 16, 17 EStG qualifiziert. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise könne zudem davon ausgegangen werden, dass nicht nur ein auf den Veräußerungszeitpunkt ermittelter Veräußerungspreis, sondern auch später zufließende Earn-out-Zahlungen eine Renditeerwartung abgelten, die auf viele Jahre angelegt ist und auch den Zeitraum umfasst, der von der Earn-out-Klausel abgedeckt werde (Peplowski/Ketteler-Eising, jurisPR-MedizinR 4/24 Anm. 1).

Zwischenfazit | Derzeit ist die Rechtslage nur im Umfang des Tenors der o. g. BFH-Entscheidung abschließend geklärt. Zwar kommt in Betracht, dass nur der variable Teil des Kaufpreises nicht begünstigt ist, während der sofort zu zahlende Kaufpreis begünstigt sein kann (Müller/Dorn/Schwarz, NWB 17, 2912). Wie der BFH einen solchen Sachverhalt entscheidet, ist aber derzeit nicht sicher vorherzusagen. Vorsorglich sollte daher aus steuerlicher Sicht vom Earn-out Abstand genommen werden.

5. Alternative Gestaltungen: Kaufpreisminderung bei Nichterreichen von Umsatz- oder Gewinngrößen

Eine Beteiligung des Veräußerers an dem zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Übernehmers könnte auch erreicht werden, wenn, anstelle der Vereinbarung eines variablen Entgelts, im Falle des Nichterreichens bestimmter Umsatz- oder Gewinngrößen eine Rückzahlung des Entgelts infolge einer Minderung des Veräußerungsentgelts vereinbart wird. Dazu müssten die Gewinne oder Umsätze zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung prognostiziert und die sich daraus ergebende Beteiligung des Veräußerers berechnet werden und bei Nichterreichen eine entsprechende Korrektur der bereits erhaltenen Zahlungen erfolgen. Die Änderung des Kaufpreises aufgrund der eingetretenen Gewinn- oder Umsatzentwicklung dürfte steuerlich als rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 AO zu beurteilen sein, weil sich der Veräußerungserlös der betrieblichen Einheit tatsächlich mindert. Für diese Betrachtung spricht die BFH-Rechtsprechung, nach der der nachträgliche Ausfall einer Kaufpreisforderung auf den Veräußerungszeitpunkt zurückwirkt, weil § 16 Abs. 2 EStG stichtagsbezogen ausgestaltet ist und daher spätere Wertveränderungen des Kaufpreises auf den Veräußerungsstichtag zurückwirken und steuerlich nur der tatsächlich vereinnahmte Kaufpreis zu erfassen ist (vgl. BFH 22.12.10, I R 58/10, BStBI II 15, 668, Rz. 11, sowie ebenfalls zur Rückwirkung von Tatbeständen BFH 20.11.12, IX R 34/12, BStBI II 13 II, 378).

In Betracht kommt auch, einen feststehenden Kaufpreis zu vereinbaren und die Auszahlung (also nicht die Entstehung) des Kaufpreises erfolgsabhängig zu gestalten.

Alternativ kommt zur Vermeidung des Wegfalls der Steuerbegünstigung des § 34 EStG für die Einmalzahlung in Betracht, dass neben dem Veräußerungsentgelt weitere Entgelte vereinbart werden, die jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit der Veräußerung der betrieblichen Einheit stehen (z. B. eine Zahlung für den Verzicht auf die Ausübung bestimmter Tätigkeiten).

Eine Alternative wäre ggf. auch, wenn der Kaufpreis fest vereinbart wird, aber die Tätigkeitsvergütung variabel vereinbart wird. Dies dürfte, soweit die Höhe wirtschaftlich vertretbar ist (also keine versteckte Kaufpreisanpassung darstellt), anzuerkennen sein.

Fazit | Der klassische Earn-out, also eine nachträgliche Bonuszahlung auf den Kaufpreis, ist derzeit risikobehaftet (aktuelle BFH-Rechtsprechung aus 2023). Eine Malus-Zahlung (nachträgliche Kaufpreisminderung) könnte sich anbieten. Allerdings verbleibt ein Restrisiko. Am unproblematischsten dürfte derzeit eine umsatzabhängige Tätigkeitsvergütung sein, wenn die eigentliche Veräußerung mit einem festen Kaufpreis abgegolten wird. In diesem Fall sollte man darauf achten, dass die umsatzabhängige Vergütung tatsächlich auf die Tätigkeit und nicht auf die Veräußerung bezogen erfolgt. Auch eine Einbringung in eine GmbH unter Ansatz der gemeinen Werte wäre denkbar, um die stillen Reserven aufzudecken.

AUSGABE: PFB 4/2025, S. 108 · ID: 50254134

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