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RealteilungAnwendung der Körperschaftsklausel bei unechter Realteilung

Abo-Inhalt20.03.20256 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

| Das FG Berlin-Brandenburg (5.11.24, 8 V 8118/24, Beschluss) hat zur Anwendung der Körperschaftsklausel bei unechter Realteilung entschieden. Demnach erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG teleologisch dahin gehend einschränkend auszulegen ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt. |

1. Sachverhalt

Die Antragstellerin war mit einer Hafteinlage als Kommanditistin an der zwischenzeitlich vollbeendeten B-GmbH & Co. KG beteiligt. Gegenstand der B-GmbH & Co. KG war der Erwerb, die Entwicklung, die Erarbeitung von Konzeptionen für den Verkauf und die Verwaltung von Immobilien. Neben der Antragstellerin waren wie die Antragstellerin selbst seit der Gründung der B-GmbH & Co. KG weitere Kommanditisten (Kapitalgesellschaften) mit einer Hafteinlage beteiligt. Die B-GmbH & Co. KG erwarb mit Kaufvertrag ein Grundstücksareal, zu dem eine Vielzahl von Grundstücken gehörte.

Anlässlich der Beendigung erhielten die austretenden Gesellschaften als Sachwertabfindung jeweils ihrem Ergebnisanteil entsprechende Grundstücke. Die Grundstücke wurden zum Buchwert entnommen. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde jedoch festgestellt, dass eine steuerneutrale Übertragung der Grundstücke zu Buchwerten nicht möglich sei, da es sich ausschließlich um Kapitalgesellschaften handele. Es seien daher die stillen Reserven zum Zeitpunkt des Ausscheidens aufzudecken und den Kommanditisten im Rahmen des Gewinnverteilungsschlüssels zuzuweisen. Die Antragstellerin vertrat demgegenüber die Auffassung, die Grundstücke seien nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG im Wege der unechten Realteilung zu Buchwerten auf die ausscheidenden Kommanditistinnen übertragen worden.

Dem Antrag auf AdV gab das FG Berlin-Brandenburg statt. Es erschien dem Gericht nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG teleologisch dahin gehend einschränkend auszulegen sei, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt (vgl. FG Hessen 31.3.22, 8 K 589-590/20; Rev. BFH IV R 15/22 und IV R 16/22).

2. Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg

2.1 Abgrenzung: Echte versus unechte Realteilung

Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden (§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG).

Nach neuerer Rechtsprechung des BFH (16.3.17, IV R 31/14, BStBl II 19, 24) finden die Regelungen über die Realteilung sowohl bei Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch dann Anwendung, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidet („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich also danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird (echte Realteilung) oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet (unechte Realteilung).

Die Voraussetzungen für eine unechte Realteilung sind im Streitfall gegeben. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob die B-GmbH & Co. KG als Grundstückshändlerin einer originär gewerblichen Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 2 EStG nachging. Sie unterhielt jedenfalls einen Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, da ausschließlich die Komplementär-GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und keine Kommanditisten zur Geschäftsführung befugt waren. Die Antragstellerin und weitere sind jeweils unter Mitnahme von Vermögen aus der B-GmbH & Co. KG ausgeschieden. Die B-GmbH & Co. KG bestand insoweit nach deren Ausscheiden fort.

2.2 Teleologische Reduktion der Körperschaftsklausel

Ob der Übertragung zu Buchwerten (§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG) die Regelung des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG entgegensteht, ist ernstlich zweifelhaft.

Nach § 16 Abs. 3 S. 4 EStG ist § 16 Abs. 3 S. 2 EStG bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, nicht anzuwenden, soweit die Wirtschaftsgüter unmittelbar oder mittelbar auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse übertragen werden. In diesem Fall ist bei der Übertragung der gemeine Wert anzusetzen. Nach dem Wortlaut sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG erfüllt, weil es sich bei den in den Streitjahren ausgeschiedenen Kommanditisten um Körperschaften handelte und Wirtschaftsgüter, in diesem Fall Grundstücke, auf diese Körperschaften übertragen wurden. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG teleologisch dahin gehend einschränkend auszulegen ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine teleologische Reduktion von steuerlichen Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung zulässig, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist. Der BFH hat dementsprechend entschieden, dass zumindest § 6 Abs. 5 S. 6 EStG einschränkend im Wege teleologischer Reduktion dahin auszulegen ist, dass ein Sperrfristverstoß ausscheidet, wenn innerhalb der Sperrfrist eine als Mitunternehmerin beteiligte Kapitalgesellschaft, die bereits an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut vermögensmäßig beteiligt war, einen Mitunternehmeranteil an eine andere Kapitalgesellschaft veräußert, da in einem solchen Fall keine im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG im übertragenen Wirtschaftsgut gespeicherten stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime wechseln (BFH 15.7.21, IV R 36/18, BFH/NV 2021, S. 1588). Die Finanzrechtsprechung hat weitergehend entschieden, dass eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG für die Fälle, in denen ein Überspringen stiller Reserven faktisch ausgeschlossen ist, auch auf Fälle des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG erforderlich sei, da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen zwischen beiden Vorschriften käme.

Im Streitfall ist daher ein „Überspringen“ im Sinne eines Wechsels der Besteuerung der stillen Reserven aus dem Regime des Einkommensteuerrechts in das des Körperschaftssteuerrechts ebenfalls ausgeschlossen. Die Übertragung der Grundstücke auf die im Jahr 2010 ausgeschiedenen Kommanditistinnen und die im Jahr 2011 ausgeschiedene Antragstellerin bewirkt keinen Wechsel der stillen Reserven in das Besteuerungsregime des Körperschaftsteuerrechts, da an der B-GmbH & Co. KG ausschließlich Körperschaften beteiligt waren und die Besteuerung der stillen Reserven demnach von Anfang an nach dem Besteuerungsregime des Körperschaftsteuerrechts zu erfolgen hatte.

3. Relevanz für die Praxis

Das FG Hessen (31.3.22, 8 K 589-590/20; Rev. BFH IV R 15/22 und IV R 16/22) hatte entschieden, dass eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG für die Fälle, in denen ein Überspringen stiller Reserven faktisch ausgeschlossen ist, auf Fälle des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG erforderlich ist, da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen zwischen beiden Vorschriften käme. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 14/6882, Seite 34) das Überspringen stiller Reserven auf Körperschaften im Auge gehabt und wollte verhindern, dass sie in den Bereich des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens gelangen. Ein „Überspringen“ im Sinne eines Wechsels der Besteuerung der stillen Reserven aus dem Regime des Einkommensteuerrechts in das des Körperschaftssteuerrechts ist jedoch nicht in jedem Fall zwingend. Wenn wie in dieser Besprechungsentscheidung an der GmbH & Co. KG ausschließlich Körperschaften beteiligt waren und die Besteuerung der stillen Reserven demnach von Anfang an nach dem Besteuerungsregime des Körperschaftsteuerrechts zu erfolgen hatte, dann bewirkt die Übertragung der Grundstücke auf die ausscheidenden Kommanditistinnen eben gerade keinen Wechsel der stillen Reserven in ein anderes Besteuerungsregime. Die FG-Entscheidungen aus Berlin-Brandenburg und Hessen geben (bis zu einer Entscheidung des BFH) jedenfalls ausreichendes Argumentationsmaterial für Einsprüche und AdV-Anträge in ähnlich gelagerten Fällen.

AUSGABE: PFB 4/2025, S. 94 · ID: 50293663

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