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HonorarZusatzhonorar bei Bauzeitverlängerung (Teil 1): OLG Köln und Naumburg zeigen die Fallstricke
| Bauzeitverlängerungen gehören auf Baustellen zum Alltag. Doch wenn die Bauüberwachung länger dauert als geplant, wird die Honorierung schnell zum Streitfall. Zwei aktuelle Entscheidungen des OLG Köln und des OLG Naumburg zeigen, warum viele Zusatzhonorarforderungen vor Gericht scheitern. Erfahren Sie deshalb in diesem zweiteiligen Beitrag, welche Lehren Sie daraus ziehen sollten, um sich im Falle eines Falles besser zu positionieren. |
Inhaltsverzeichnis
- Grundproblem: Zeitaufwand ohne vertragliche Grundlage
- Der Fall beim OLG Köln: Pauschalhonorar deckt alles ab
- OLG Naumburg: Keine Vergütung ohne Leistungsänderung
- Die Konsequenz: Darlegungs- und Beweislasten erfüllen
- Die häufigsten Fehler in der Praxis
- Praxistipps: So sichern Sie Ihre Ansprüche ab
- Fazit: Vorbereitung schlägt Prozess
Grundproblem: Zeitaufwand ohne vertragliche Grundlage
Verlängerte Bauzeiten führen in fast jedem größeren Projekt zu zusätzlichen Aufwänden für die Objektüberwachung. Mehr Termine, mehr Abstimmungen, mehr Koordination – und das oft Monate oder gar Jahre über die geplante Laufzeit hinaus. Dennoch scheitern viele Büros mit dem Versuch, diesen Mehraufwand gesondert abzurechnen.
Der Grund liegt in der Systematik der HOAI: Sie kennt keine „zeitabhängige Vergütung“, sondern honoriert abgeschlossene Leistungsphasen. Solange die geschuldete Leistung gleichbleibt, löst allein der Umstand, dass sie länger dauert, keinen zusätzlichen Vergütungsanspruch aus.
Eine Mehrvergütung kann nur verlangt (und durchgesetzt) werden, wenn eine vertragliche Regelung vorliegt oder sich die Leistung nachweisbar geändert hat.
Der Fall beim OLG Köln: Pauschalhonorar deckt alles ab
Im Fall, der dem OLG Köln zur Entscheidung vorlag, war ein Ingenieurbüro mit der Bauüberwachung für Fahrbahn- und Ingenieurbauarbeiten beauftragt worden. Der Vertrag sah eine Fertigstellung bis Oktober 2017 vor. Wegen zusätzlicher Bauleistungen wurde 2017 ein Nachtrag vereinbart und die Bauzeit bis Juni 2019 verlängert. Als sich die Arbeiten erneut verzögerten, verlangte das Büro ab Juli 2019 ein Zusatzhonorar für den verlängerten Überwachungszeitraum, ohne dass sich der Leistungsinhalt nochmals geändert hatte. Da der Auftraggeber nicht zahlen wollte, ging es vor Gericht.
Das OLG Köln wies die Klage ab. Das Gericht sah das vereinbarte Pauschalhonorar als abschließend an: Es erfasse sowohl die vereinbarte Leistungsmenge als auch die zugehörige Bauzeit. Eine Verlängerung der Überwachungsphase führe nicht automatisch zu einem höheren Aufwand. Nur wenn der Planer konkret darlegen könne, welche zusätzlichen Tätigkeiten außerhalb des ursprünglich geschuldeten Umfangs angefallen seien, komme eine Nachvergütung in Betracht (OLG Köln, Urteil vom 11.05.2023, Az. 7 U 96/22, Abruf-Nr. 249200; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 16.04.2025, Az. VII ZR 107/23).
Wörtlich heißt es im Urteil |
Aus der Dauer der zusätzlichen Bauzeit kann nicht automatisch auf den Zeitaufwand der zusätzlichen Bauüberwachung geschlossen werden. |
Das Ingenieurbüro hatte keine nachvollziehbare Abgrenzung zwischen den bereits vergüteten und den neu abgerechneten Leistungen vorgenommen. Mangels konkreter bauablaufbezogener Darstellung fehlte es damit an einer schlüssigen Anspruchsgrundlage.
OLG Naumburg: Keine Vergütung ohne Leistungsänderung
Noch deutlicher wurde das OLG Naumburg. Es entschied, dass eine verlängerte Bauzeit allein keinen Anspruch auf zusätzliches Honorar begründet, wenn sich die vertraglich geschuldete Leistung nicht inhaltlich verändert. Nur wenn die Verlängerung zu neuen oder erweiterten Aufgaben führt, etwa zusätzlichen Abstimmungsrunden, Plananpassungen oder Koordinationsleistungen, kann ein Zusatzhonorar verlangt werden (OLG Naumburg, Urteil vom 20.05.2024, Az. 2 U 38/24, Abruf-Nr. 250228).
Einordnung im System der HOAI
Das Gericht nutzte die Gelegenheit, auf einen weiteren zentralen Punkt hinzuweisen: Für die Honorarermittlung nach der HOAI 2013 kommt es auf die Kostenberechnung aus der Entwurfsplanung (§§ 2 Nr. 11, 6 Abs. 1 HOAI 2013) an. Die HOAI wollte das Honorar bewusst von den tatsächlichen Baukosten und damit auch von späteren Projektverzögerungen entkoppeln. Eine Bauzeitverlängerung oder Kostensteigerung ändert daher nichts an der maßgeblichen Honorargrundlage, solange der Leistungsinhalt gleichbleibt.
Konsequenz für die Praxis
Das Honorar ist an die vertraglich definierte Leistung gebunden, nicht an deren Dauer. Erst wenn die verlängerte Bauzeit auch qualitative Mehrleistungen auslöst, kann eine Vergütungserhöhung beansprucht werden. Damit ergänzt das Urteil die Linie des OLG Köln: Entscheidend ist nicht die Zeit, sondern die nachweisbare Leistungsänderung.
Die Konsequenz: Darlegungs- und Beweislasten erfüllen
Sowohl das OLG Köln als auch das OLG Naumburg fordern vom Planer und Objektüberwacher eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung seiner Mehraufwendungen.
Die vier Knackpunkte
Sie müssen im Einzelnen darlegen,
- 1. welche Störungen oder Verzögerungsursachen eingetreten sind,Vier Nachweishürden überspringen
- 2. wann diese aufgetreten sind und wie sie sich auf den Bauablauf ausgewirkt haben,
- 3. welche zusätzlichen Tätigkeiten für Ihr Büro dadurch erforderlich geworden sind und
- 4. welche konkreten Kosten oder Arbeitsstunden Ihnen dadurch entstanden sind.
Wichtig | Fehlt eine dieser Angaben, ist Ihre Honorarklage unschlüssig und wird zurückgewiesen. Ein bloß fortgeschriebener Personaleinsatzplan oder pauschale Stundenaufschreibungen genügen nicht. Die Beweislast liegt bei Ihnen als Anspruchsteller. Ihr Auftraggeber muss nur dann in die Darlegungspflicht eintreten, wenn er behauptet, die Verzögerung sei von Ihnen als Planer selbst verursacht worden.
Warum § 313 BGB selten hilft
Oft wird versucht, den Mehraufwand über den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) zu begründen. Doch diese Hürde ist hoch. Nach der Rechtsprechung des OLG Köln (Beschluss vom 22.12.2021, Az. 16 U 182/20, Abruf-Nr. 240861) ist eine „Ist-Soll-Darstellung“ erforderlich: Jede einzelne Störung, ihre Dauer und ihr Einfluss auf den Bauablauf müssen präzise beschrieben werden.
Bei monokausalen Ereignissen, etwa einem verspäteten Baugrundgutachten, mag das gelingen. In der Praxis führen Bauzeitverlängerungen aber meist auf eine Vielzahl von Ursachen zurück, die sich gegenseitig überlagern. Diese Komplexität macht eine schlüssige Darlegung des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ fast unmöglich.
Die häufigsten Fehler in der Praxis
Die Beratungspraxis lehrt, dass anspruchstellende Büros (mindestens) einen der folgenden vier Fehler machen:
Vier Praxisfelder | |
| Ohne definierte Projektdauer gibt es keine Grundlage, um eine Verlängerung zu messen. |
| Pauschalhonorare erfassen oft mehr als gedacht. Ohne eindeutige Formulierung bleibt unklar, wann ein „Mehr“ vorliegt. |
| Wer erst am Ende der Maßnahme versucht, den Aufwand zu rekonstruieren, verliert vor Gericht. |
| Nachträge, die erst mit der Schlussrechnung geltend gemacht werden, stoßen regelmäßig auf Widerstand. |
Praxistipps: So sichern Sie Ihre Ansprüche ab
Ziehen Sie aus der Rechtsprechung Konsequenzen und sich Ihre Ansprüche bestmöglich ab. Ergreifen Sie folgende Maßnahmen:
Maßnahmen | |
| Definieren Sie eine klare Soll-Bauzeit und, wenn möglich, eine Karenzzeit. Das schafft eine messbare Grundlage für spätere Verzögerungen. |
| Formulieren Sie eine Regelung wie: „Verzögert sich die Bauzeit durch Umstände, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, wesentlich, so ist für die nachweislich erforderlichen Mehraufwendungen eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren.“ |
| Erfassen Sie Stunden, Tätigkeiten und Ursachen fortlaufend. Besonders wichtig sind Protokolle, E-Mails und Zeitnachweise, aus denen sich konkrete Mehraufwendungen ableiten lassen. |
| ... und weitere strategische Maßnehmen ergreifen Melden Sie drohende Mehrleistungen sofort an. Ein transparentes, sachlich begründetes Nachtragsgespräch ist meist erfolgreicher als eine nachträgliche Forderung im Streit. |
| Setzen Sie nicht auf abstrakte Stundensätze, sondern auf nachweislich angefallene Personalkosten plus Zuschlag für Geschäftskosten. Das ist auch gerichtsfest. |
Fazit: Vorbereitung schlägt Prozess
Das OLG Köln und das OLG Naumburg mahnen zur Sorgfalt in der Vertragsgestaltung. Das LG Berlin (Besprechung in Teil 2 dieser Serie) hat gezeigt, dass es auch anders geht: Wer seine Bauzeit, Ursachen und Mehraufwendungen belegt, kann erfolgreich zusätzliche Vergütung durchsetzen.
Für Planungsbüros bedeutet das: Bauzeitverlängerungen gehören aktiv ins Risikomanagement. Wer bereits in der Vertragsphase prüft, ob Fristen realistisch sind, und klare Regelungen zu Verzögerungen trifft, schafft die Grundlage für wirtschaftliche Sicherheit.
Ebenso wichtig ist eine interne Struktur, die die Dokumentation zur Routine macht, etwa über ein digitales Planungstagebuch mit klaren Zuständigkeiten und regelmäßigen Einträgen. Auch die Kommunikation mit dem Auftraggeber spielt eine Rolle. Wer frühzeitig über absehbare Verzögerungen und deren Folgen informiert, stärkt nicht nur die eigene Position, sondern verhindert viele Konflikte, bevor sie entstehen.
Wer Bauzeitverlängerungen früh erkennt, sauber dokumentiert und vertraglich vorsorgt, muss sich später nicht auf § 313 BGB verlassen, sondern kann berechtigte Ansprüche sicher geltend machen. So wird aus dem Streit um Zusatzhonorare ein planbarer, beherrschbarer Bestandteil professioneller Projektsteuerung.
- In der nächsten Ausgabe lesen Sie in Teil 2 der Beitragsserie: „Wie Zusatzhonorare durchsetzbar sind – das LG Berlin als Erfolgsbeispiel“.
AUSGABE: PBP 11/2025, S. 4 · ID: 50595218