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ArchitektenrechtOLG Schleswig: Abnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen – So wichtig ist sie

Abo-Inhalt22.10.2025148 Min. LesedauerVon Dr. iur. Richard Althoff, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Althoff Kierner Rechtsanwälte PmbB, Dresden

| Planer sind engagierte Dienstleister, vernachlässigen aber oft ihre eigenen Interessen. Eines der am häufigsten vernachlässigten Belange ist die Abnahme; und zwar nicht die in den Grundleistungen der Lph 8 vorgesehene Abnahme der Gewerke oder der Bauaufsicht, sondern die der eigenen Planungs- und/oder Überwachungsleistungen. Eine Entscheidung des OLG Schleswig zeigt, dass die Abnahme ein wichtiger Rettungsanker in der Abwehr von Ansprüchen des Bauherrn ist und sie einem trotz Nachlässigkeit auch mal „in den Schoß fallen“ kann. PBP stellt Ihnen das Urteil vor. |

Die rechtliche Bedeutung der Abnahme

Die Abnahme ändert „alles“: Die Erfüllungsphase des Vertrags endet und die Gewährleistungsphase beginnt. Der Auftraggeber (AG) kann Ansprüche verlieren, wenn er sie sich nicht bei der Abnahme vorbehält. Die Leistungsgefahr, also das Risiko unentgeltlicher Wiederholungsleistung bei der Beseitigung von Baumängeln, geht auf den AG über, ebenso wie die Beweislast für Leistungsfehler. Und schließlich: Seit Inkrafttreten der HOAI-Fassung 2013 wird auch bei Architekten und Ingenieuren der Anspruch auf Schlusszahlung erst nach einer Abnahme fällig. Anders ausgedrückt: Eigentlich erst nach Abnahme der eigenen Leistungen darf der Planer eine Schlussrechnung schreiben (vgl. § 15 HOAI). Das Rechtsverhältnis zwischen AG und Auftragnehmer (AN) ändert sich mit der Abnahme somit grundlegend.

In der mit der Abnahme beginnenden, fünf lange Jahre andauernden, Gewährleistungsphase bleiben AG und AN allerdings weiterhin vertraglich miteinander verbunden. Als werkvertraglicher AN haben Sie als Architekt und Ingenieur in dieser Zeit weiter für bislang nicht erkannte Fehler Ihrer Planungs- und/oder Überwachungsleistung einzustehen. Ein eigenes Risikomanagement ist somit geboten. Bedenken Sie, dass nicht jeder Gewährleistungsfall von Ihrer Berufshaftpflichtversicherung gedeckt ist und jede vermiedene Eintrittspflicht Ihrer Versicherung aufgrund der teuren Haftpflichtbeiträge zu konkreten Einsparungen beitragen kann.

Wichtig | Eine wichtige Regel des eigenen Projekt- und Vertragsmanagements lautet: So frühzeitig wie möglich „weg mit der Verantwortlichkeit“. Die Verantwortlichkeit (Gewährleistung) endet taggenau fünf Jahre nach Abnahme der eigenen Leistungen (vgl. § 650q Abs. 1 i. V. m. § 634a Abs. 2 BGB). Je eher also die fünf Jahre beginnen, desto eher sind sie auch vorbei. Damit Sie (und Ihre Versicherung) das Projekt so schnell wie möglich „ad acta“ legen können, ist die Einholung der Abnahme somit geboten, sobald diese vertragsrechtlich verlangt werden kann.

Als Planer bzw. Überwacher müssen Sie sich sich allerdings aktiv kümmern und die Abnahme von Ihrem AG einfordern. Aufgrund ihrer immensen Bedeutung haben Sie als AN einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf die Abnahme Ihrer Leistungen (vgl. § 650q Abs. 1 i. V. m. § 640 BGB).

Doch was passiert, wenn keine Abnahme vorliegt? Kann auch die Zahlung der Schlussrechnung die Abnahme auslösen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das OLG Schleswig aktuell (OLG Schleswig, Urteil vom 25.06.2025, Az. 12 U 67/24, Abruf-Nr. 250509).

Der aktuelle Fall vor dem OLG Schleswig

Ein Bauherr beauftragte einen Architekten im Jahre 2008 mit der Überwachung von Fassadensanierungsarbeiten sowie der Begleitung der Abnahmen der Gewerke. Die Teilleistung g) der Lph 8, sprich die Überwachung der Beseitigung von bei Abnahme vorbehaltenen Mängeln, war hingegen nicht beauftragt. Die Abnahme der Bauleistungen erfolgte am 26.03.2009. Eine ausdrückliche Abnahme der beauftragten Architektenleistungen gab es nicht. Der Architekt übergab am 29.06.2009 seine Schlussrechnung, die der Bauherr am 12.08.2009 ohne Beanstandung vollständig bezahlte.

Am 18.06.2015 zeigte der Bauherr dem Architekten mutmaßliche Feuchtigkeitsmängel der Fassade an und leitete am 09.03.2018 ein sog. selbstständiges Beweisverfahren ein. Der gerichtliche Sachverständige stellte mehrere wesentliche und im Zuge einer Überwachung schon während der Ausführung erkennbare Baufehler fest. Das Beweisverfahren endete im Juni 2022. Da das bauausführende Unternehmen schon seit 2010 nicht mehr existierte, verklagte der Bauherr nun allein den Architekten auf Schadenersatz aufgrund von Überwachungsfehlern in Höhe von rund 740.000 Euro.

Wann die Gewährleistung des Architekten endet

Das OLG wies die Klage des Bauherrn ab, weil der Architekt geltend gemacht hatte, dass die Gewährleistungsansprüche verjährt seien. Dieser argumentierte, dass die fünfjährige Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen war, als der Bauherr im März 2018 das selbstständige Beweisverfahren eingeleitet hatte, was die Verjährung hätte hemmen können. Der Bauherr hatte sich zwar nie zu einer Abnahme der Leistungen des Architekten geäußert. Dieser hatte aber auch nie eine Abnahme von seinem AG verlangt. Gleichwohl verlässt das Vertragsverhältnis irgendwann die Erfüllungsphase und tritt in die Gewährleistungsphase ein. Ab diesem Moment tickt die „Gewährleistungs-Uhr“ – aber eben nur exakt fünf Jahre. Die Frage, die das Gericht zu klären hatte, war also, wann genau dieses Ereignis (Abnahme) stattgefunden hatte. Dazu legte das Gericht das Verhalten der Parteien aus.

Förmliche Abnahme versus konkludente Abnahme

Grundsätzlich ist eine Abnahme eine rechtsgeschäftliche, vertragsgestaltende Willenserklärung. Es handelt sich zudem um eine sog. einseitige Erklärung. Solange die Parteien keine förmliche Abnahme vereinbart haben, also eine Abnahme mit zwei Unterschriften auf einem Protokoll, genügt allein die Erklärung des AG.

Solche Willenserklärungen können aber nicht nur ausdrücklich abgegeben werden, sondern auch durch schlüssiges Verhalten. Die Juristen nennen das „konkludent“. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung erkannte das OLG in diesem Fall in der vollständigen, rügelosen Bezahlung der Schlussrechnung am 12.08.2009 eine konkludente Abnahmeerklärung des Bauherrn zu den Vertragsleistungen des Architekten.

Voraussetzung für eine konkludente Abnahme durch den Bauherrn

Das ist aber keinesfalls ein Automatismus. Es müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu stellte das OLG fest:

  • Überwachungsleistungen können nicht gleichzeitig mit der Abnahme der überwachten Bauleistungen als abgenommen gelten, wie der Architekt im konkreten Fall meinte, da es sich um getrennte Vertragsverhältnisse mit eigenen Leistungskriterien handele.
  • Allerdings lag schon im August 2009 eine objektive Abnahmereife vor, denn die Leistungen des Architekten waren zu diesem Zeitpunkt „im Wesentlichen“ vollständig erbracht.
    • Die zu überwachenden Bauarbeiten waren abgeschlossen,
    • die Abnahme dieser Leistungen war unter Mitwirkung des Architekten erfolgt und
    • weitere nachlaufende Leistungen (Lph 8, g): Überwachung der bei Abnahme vorbehaltenen Mängel) waren gemäß Vertrag nicht geschuldet.
  • Die bei der Abnahme gegenüber dem Bauunternehmen gerügten Mängel waren aufgrund der erfolgten Abnahme unwesentlich. Somit könnten evtl. Überwachungsdefizite des Architekten ebenfalls nur unwesentlich sein und die Abnahme nicht verhindern.
  • Nach Auswertung aller vorgetragenen Sachverhaltsumstände gebe es keinen Anhaltspunkt, weshalb der Bauherr mit der rügelosen, vollständigen Bezahlung der Schlussrechnung etwas anderes habe zum Ausdruck bringen wollen, als dass die Leistungen des Architekten für ihn (jedenfalls) zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen vollständig und ordnungsgemäß erbracht waren und deshalb von ihm entsprechend entgegengenommen und somit rechtlich abgenommen werden sollten.

Konkludente Abnahme August 2009 – Ende Gewährleistungsfrist August 2014

Damit kam das OLG zum Ergebnis, dass die fünfjährige Gewährleistungsverpflichtung des Architekten mit Ablauf des Tages des Zahlungseingangs auf seine Schlussrechnung, also am 13.08.2009, begann und mit Ablauf des entsprechenden Kalendertages fünf Jahre später, mit Ablauf des 12.08.2014, endete. Schon die erste Mangelanzeige des Bauherren im Juni 2015 lag somit deutlich außerhalb der im August 2014 abgelaufenen Gewährleistungszeit.

Das OLG brauchte sich deshalb mit der inhaltlichen Frage, ob es zu den festgestellten Baumängeln tatsächlich auch Überwachungspflichtverletzungen gab, nicht zu befassen. Es wies die Klage wegen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ab. Der Bauherr hatte alle Kosten des Verfahrens zu tragen. Dazu gehören in einem solchen Fall auch die Kosten des vorangegangenen Beweisverfahrens, in dem v. a. die Kosten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen meist enorm zu Buche schlagen.

Wichtige Folgen für Ihre Praxis

Der Architekt hatte Glück, der Bauherr Pech. Um Risiken zu vermeiden, sollten Sie die Abnahme aktiv forcieren. Beachten Sie dazu folgende Punkte:

Fazit | Das Urteil verdeutlicht die immense Bedeutung der Abnahme. Eine konkludente Abnahme (= Beginn der Gewährleistungsfrist) kann zwar durch die vollständige, rügelose Zahlung der Schlussrechnung erfolgen. Planer sollten aber aktiv die Abnahme einfordern, um die Gewährleistungsphase möglichst früh zu starten. Die rechtzeitige Abnahme schützt vor finanziellen Forderungen und spart Zeit und Nerven.

  • Die Abnahme ist der „Gamechanger“ des Werkvertragsrechts. Dass sich die Baufirmen zeitnah und konsequent um eine Abnahme ihrer Leistungen kümmern, weiß jeder Planer. Das hat eben auch seine guten Gründe – und diese gelten ebenso für Ihre Planungs- und Überwachungsverträge.
  • „Weg mit der Verantwortung“: Die Befreiung von der Gewährleistungspflicht dauert zwar fünf Jahre, aber jeder AN kann aktiv dazu beitragen, dass dieser Zeitraum so früh wie möglich beginnt. Das ist um so wichtiger, als erfahrungsgemäß das Risiko in Erscheinung tretender Mängel mit späteren Jahren zunimmt. Ein möglichst frühzeitiges Ende der Gewährleistungspflicht schützt nicht nur vor Zahlungspflichten, sondern auch vor unnötigem Zeit- und Nervenaufwand.
  • Ohne Abnahme keine Fälligkeit des Anspruchs auf Schlusszahlung. Zahlt der AG auf eine Schlussrechnung nicht, gerät er in diesem Fall nicht in Verzug. Es entstehen keine Verzugszinsen. Denn der AG ist noch gar nicht verpflichtet zu zahlen. Er ist noch nicht einmal verpflichtet, die Schlussrechnung zu prüfen. Zahlt er dennoch vollständig und ohne gleichzeitig wesentliche Leistungspflichtverletzungen zu rügen, hat der AN Glück gehabt: Es tritt eine konkludente Abnahme ein. Aber wichtige Zeit ist verloren und häufig geht es um viel zu viel Geld, um nur auf Glück zu vertrauen.
  • Nutzen Sie die Hilfsmittel, die das Gesetz Ihnen als AN zur Verfügung stellt, um zu einer Abnahme zu gelangen. Dazu zählen
    • die fiktive Abnahme in § 640 Abs. 2 BGB (die Aufforderung zur Abnahme ist dabei immer mit einer Frist zu verbinden) sowie
    • die seit 2018 gesetzlich geregelte Teilabnahme in § 650s BGB. Es handelt sich dabei um eine Zwischenabnahme zum Ende der Bauzeit der zu überwachenden Kostengruppen, also noch innerhalb der Lph 8 (vgl. PBP 6/2025, Seite 15 → Abruf-Nr. 50417376).
Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Gibt es eigentlich ein Recht auf Teilabnahmen?“ PBP 6/2025, Seite 15 → Abruf-Nr. 50417376

AUSGABE: PBP 11/2025, S. 12 · ID: 50581350

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