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ArchitektenrechtAußergerichtliche Streitbeilegung (Teil 2): Mediation, Schlichtung und Dispute Boards

Abo-Inhalt29.10.2025322 Min. LesedauerVon Rosina Th. Sperling, Geschäftsführerin BVM Bauvertragsmanagement GmbH, München; Vorständin der DGA-Bau, Streitlöserin und Ausbilderin

| Bereits bei Abschluss des Planungsvertrags ist absehbar, dass gestritten wird. Die Frage ist nur, wie der Streit ausgetragen wird. Daher ist es sinnvoll, dass sich Auftraggeber und -nehmer auf ein Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung einigen, um von vornherein im Streitfall für eine schnelle, kostengünstige Lösung gerüstet zu sein. Nachdem in Teil 1 das Schiedsgutachen vorgestellt wurde, fokussiert dieser Beitrag auf die Methoden der Mediation, die Schlichtung und den sog. Dispute Boards. |

Mediations- oder Schlichtungsverfahren

In Deutschland wird bei Planerstreitigkeiten häufig das Schiedsgutachten in ein kombiniertes Verfahren der alternativen Streitbeilegung eingebunden. Insbesondere bei Streitigkeiten über Planungsqualität, Mängelbewertungen oder Nachtragsforderungen dient den Parteien das Schiedsgutachten als sachverständige Entscheidungsgrundlage innerhalb eines anschließenden Mediations- oder Schlichtungsverfahrens.

Grundsätzlich obliegt es den Parteien selbst, die Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen des Schiedsgutachtens zu ziehen. Für das Planungsbüro stellt sich in der Praxis dabei die Frage, wie der Weg der außergerichtlichen Streitbeilegung fortgesetzt werden kann, wenn eine einvernehmliche Streitlösung aus den Tatsachenfeststellungen des Schiedsgutachtens durch die Parteien eigenverantwortlich nicht gezogen werden kann.

Dies gilt umso mehr, wenn das Vertrauensverhältnis der Parteien des Planervertrags bereits erheblich zerrüttet ist und die am Bauvorhaben Beteiligten nicht in der Lage sind, die zeitnahe, interessensgerechte Einigung auf der Grundlage des Schiedsgutachtens zu verhandeln. Hier können Streitlöser als neutrale Vermittler mit ihrer Fachkompetenz den richtigen Weg für die notwendigen Lösungsschritte aufzeigen.

In Planungsstreitigkeiten stellen die Mediation und Schlichtung die am besten geeigneten Streitlösungsverfahren dar. Häufig werden sie als hybride Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung beauftragt. Hierbei bietet die mediative Schlichtung die Vorteile einer Baumediation und erlaubt dem Streitlöser zusätzlich das Einbringen seines Sachverstands auf Grundlage des Schiedsgutachtens.

In diesem Fall arbeitet der Streitlöser

  • vorwiegend auf der Beziehungsebene,
  • ergebnisoffen,
  • vertraulich, neutral und allparteilich und
  • unterstützt die Vertragsparteien bei der passenden Lösung des Konflikts.

Anwendung mediativer Arbeitsweisen in hybriden Verfahren

Schiedsgutachter können ihre Streitlöserkompetenzen erfolgreich einsetzen, wenn sie

  • einen wertschätzenden Umgang pflegen,
  • Kommunikationsregeln einführen und einhalten,
  • die Vorgehensweise mit allen Beteiligten abstimmen,
  • Fragetechniken zur Konkretisierung der Themen anwenden,
  • Sachverhalte spiegeln und reframen oder
  • im Sinne der Verfahrensbeteiligten „übersetzend“ in mediativer Sprache tätig sind.

Im klassischen Mediationsverfahren erarbeiten die Parteien selbstbestimmt eine Konfliktlösung. Der Mediator ist für die Struktur und den Ablauf des Verfahrens verantwortlich. Die Charakteristika sind eindeutig im Mediationsgesetz (MediationsG) verankert. Die Parteien können von gesetzlichen Regelungen abweichen. Sie müssen zur mediativen Schlichtung als Mischform ihr Einverständnis wegen der zulässigen Abweichung von den Regelungen des MediationsG erklären.

In der mediativen Schlichtung nutzt der Streitlöser die Vorteile der Mediation und unterbreitet als Schiedsgutachter und Sachverständiger aufgrund seiner Fachkompetenz zusätzlich Vorschläge zur einvernehmlichen Lösung des Streites. Er kann als neutraler Dritter im Einzelfall auch auf die Tatsachenfeststellungen des Schiedsgutachtens zugreifen und richtig interpretieren und Verhandlungen zur Konfliktlösung mit den Parteien führen.

Die Streitparteien können den Lösungsvorschlag als Schlichterspruch annehmen oder ablehnen. Die Begleitung durch den Sachverständigen gibt den Parteien in der Regel Sicherheit beim Abschluss ihrer Abschlussvereinbarung und stärkt die Revisionssicherheit beim öffentlichen Auftraggeber.

Wichtig ist, dass das Planungsbüro und die weiteren Konfliktparteien bei einer mediativen „Zusatz-Beauftragung“ des Streitlösers und/oder Schiedsgutachters die Art und den Umfang des Streitlöserauftrags eindeutig klären und vereinbaren. Hierzu gehören insbesondere folgende Punkte:

  • Die Verfahrenswahl und ihre Charakteristika sowie die Zielsetzung des Verfahrens, verbunden mit der Definition der zu klärenden Streitfrage.
  • Die Klarstellung der Tatsachen, die den Interessen der Konfliktparteien zugrunde liegen.
  • Die Bewertung der widerstreitenden Interessen und deren Gewichtung.
  • Die Festlegung der Verhandlungs- und Entscheidungskompetenz des Streitlösers.

Das Schiedsgutachten als Grundlage für ein Schiedsgerichtsverfahren

In schwierigen Fällen, insbesondere wenn sich die Konfliktparteien für eine konsensuale Abschlussregelung außer Stande sehen oder das Mediations- oder Schlichtungsverfahren scheitert, kann das Schiedsgutachtenverfahren in ein anschließendes Schiedsgerichtsverfahren eingebettet werden.

Wichtig | Das Schiedsgericht ist ein vertraglich vereinbarter Spruchkörper. Die Schiedsrichter werden von den Parteien frei ausgewählt. Sie treffen bindende, sachgerechte und abschließende Entscheidungen zur Beilegung des Planungsstreits. Die Entscheidungen des Schiedsgerichts entsprechen in ihrer Rechtsbindung einem rechtskräftigen staatlichen Urteil. Der Schiedsspruch stellt einen vollstreckbaren Titel dar, der nahezu weltweit vollstreckt werden kann.

ö. b. u. v. Sachverständige: Schiedsgutachten versus Gerichtsgutachten

Für die ö. b. u. v. Sachverständigen ist die Tätigkeit als Gerichtsgutachter oft deshalb unbefriedigend, weil die Fragen an den Gutachter bereits durch den Richter oder die Rechtsanwälte definiert sind. Nicht selten stellen die Sachverständigen im Rahmen der gerichtlichen Beauftragung fest, dass die für die Konfliktklärung relevanten Beweisfragen und die geforderten Bewertungen aus Sicht der Parteien keine befriedigenden Antworten liefern.

Häufig steht der zeitliche und monetäre Aufwand für die Erstellung des Sachverständigengutachtens in keinem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis des Rechtsstreits. Aufgrund einer mangelhaften Dokumentationslage können weder der Planungsverlauf noch die tatsächlichen Gegebenheiten rechtssicher nachgewiesen werden, sodass Ansprüchen des Planungsbüros aufgrund der Vorschriften der Zivilprozessordnung in dem gerichtlichen Verfahren aufgrund fehlender Beweismittel nicht zugesprochen werden können.

Wegen erkennbarer Prozessrisiken stimmen Planer häufig einem gerichtlichen Vergleich zu, weil die Sachverhalte nach Aktenlage durch den Gutachter nur unzureichend oder mit überproportional hohem Aufwand geklärt werden können. Gelegentlich verweisen Richter auf die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung.

Das Gericht erteilt in solchen Fällen den dringenden Hinweis, dass mithilfe eines qualifizierten Bausachverständigen als Schiedsgutachter oder als mediativem Schlichter die Streitigkeiten aus Planerverträgen ressourcenschonender, zügiger und kostensparender gelöst werden. Das gilt umso mehr, wenn das Planungsbüro auch in der Zukunft mit den Konfliktparteien zusammenarbeiten soll. Das Gericht erklärt in solchen Planungsstreitigkeiten „das Ruhen des Verfahrens“, bis die Streitparteien im Falle der Nichteinigung das streitige Verfahren fortsetzen wollen.

Streitlösergremium – das Dispute Board

Häufig werden Sachverständige oder Juristen als Schiedsgutachter von den Bauvertragsparteien auch als planungs- und baubegleitende Konfliktberater in einem Streitlösergremium eingebunden. Das wird als Dispute Board bezeichnet. Da die Mitglieder dieses Streitlösergremiums vom Fach sind und die Baustelle von Anfang an kennen, beugen sie durch die zeitnahe Klärung einzelner Fragen aufkeimenden Konflikten wirksam vor.

Die Stärken des Sachverständigengremiums (Dispute Boards) liegen in der freien Vertragsgestaltung. Die Streitlösertätigkeit des Schiedsgutachters kann im Falle der Konflikteskalation vertraglich so gestaltet werden, dass seine Entscheidungsbefugnisse wie bei einem Adjudikationsverfahren gelten. Das bedeutet, dass die Planer- und Bauvertragsparteien die getroffenen Feststellungen während der Bauzeit als bindend anerkennen und erst nach der Abnahme des Bauwerks einem Nachverfahren bei Gericht unterzogen werden können.

Kosten der Konfliktbearbeitung

Bei größeren Bauprojekten (etwa 50 Mio. Euro Herstellungskosten) ist das Streitlösergremium, bestehend aus einem Baujuristen und einem Bausachverständigen, nicht nur aus Effizienzgründen, sondern auch im Kostenpunkt eine zu präferierende Lösung. Schiedsgutachter können bereits im Anfangsstadium bei Jour-Fixes und Baustellenbesprechungen anbahnende Konflikte erkennen und lösen. Sie bieten sachdienliche Stellungnahmen, bevor kosten- und zeitintensive Streitigkeiten entstehen, die den Planungs- und Bauablauf empfindlich stören und die rechtzeitige Baufertigstellung gefährden. Der größte Kostentreiber bei Planungsstreitigkeiten vor Gericht sind im Allgemeinen nicht die Honorare der Sachverständigen und Juristen.

Der größte Teil des Bearbeitungsaufwands umfasst die Opportunitätskosten, die entstehen, weil die Baubeteiligten am anderweitigen Erwerb ihrer Arbeitskraft bei anderen Bauprojekten gehindert sind. Die hohen prozessualen Anforderungen vor Gericht binden viel Zeit. Die Ermittlung des Sachverhalts und seine gerichtstaugliche Aufbereitung gegenüber den Prozessanwälten zur Darstellung und Dokumentation der geltend zu machenden bzw. abzuwehrenden Ansprüche bei Gericht ist enorm aufwändig, insbesondere wenn die zu bearbeitenden Vorgänge jahrelang zurückliegen und Beteiligte nicht mehr im Unternehmen zur Befragung zur Verfügung stehen.

Zeitfresser sind die wiederholten Einarbeitungen in den Prozessstoff, besonders bei Zeugenbefragungen. Wenn Konflikte in Echtzeit befriedet werden, entfallen diese internen Kosten zum größten Teil, weil zahlreiche Beweisfragen bereits vor Ort geklärt werden können.

Honorarvereinbarung mit dem Schiedsgutachter

Wer als Planer eine Entscheidungsgrundlage benötigt, ob ein Gerichtsverfahren oder ein Schiedsgutachten vorzugswürdig erscheint, braucht auch einen Überblick über die anfallenden Kosten. Grundsätzlich gilt: Je höher der Streitwert, umso vorteilhafter sind die anfallenden Honorare und Gebühren eines Schiedsgutachtens im Verhältnis zum ordentlichen Gericht.

Die Vertragsparteien können das Honorar für die Beauftragung des Schiedsgutachtens frei und eigenverantwortlich vereinbaren. Je nach Einzelfall und seiner Bedeutung für die Parteien werden die Stunden- und Tagessätze sowie die Reisekosten, teilweise mit regionalen Abweichungen, markt- und leistungsgemäß (juristische oder technisch/bauwirtschaftliche Sachverständige) zu Grunde gelegt. Nach aktueller Recherche liegen die Honorarempfehlungen zwischen 180 bis 450 Euro. Orientierungshilfen dazu können bei der DGA-Bau e.V., SOBau oder SL Bau erfragt werden. Von der Vereinbarung von Erfolgshonoraren wird aus Sicht der Autorin eher abgeraten, da die Interessen der Konfliktparteien eine unabhängige und ausgewogene, faire und sachlich fundierte Entscheidung durch den Schiedsgutachter erwarten dürfen. Die Verpflichtung des Schiedsgutachters bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für ein Erfolgshonorar. Denkbar sind allenfalls Schiedsgutachterklauseln, die ein zusätzliches Honorar vorsehen, wenn der Sachverständige neben der Begutachtung auch eine außergerichtliche Einigung der Parteien im Verhandlungsweg bewerkstelligen kann.

Als Planungsbüro sind Sie gut beraten, wenn Sie im Vorfeld bei den Überlegungen zur richtigen Verfahrenswahl eine fundierte Kosten- und Risikoanalyse anstellen. Zahlreiche Institutionen bieten zum Konfliktscreening und zur passenden Verfahrenswahl Unterstützung an. Sie stellen Mustervereinbarungen zu den gängigsten außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zur Verfügung.

Zu erwähnen sind unter Honorargesichtspunkten auch die Schlichtungsstellen bei Architektenkammern. Sie bieten ein Streitlösergremium als eine Alternative zu den kostenintensiven und langwierigen Gerichtsverfahren bei Streitigkeiten zwischen Architekten und ihren Auftraggebern oder zwischen Architekten untereinander an. Das Streitösergremium besteht aus Planern und Juristen, sodass fachlich fundierte Entscheidungen für die Konfliktparteien erwartbar sind.

FAZIT | Grundsätzlich gilt: Der Gang zum Gericht sollte in Planungssachen immer die Ultima Ratio sein. Wenn die ö. b. u. v. Sachverständigen als Streitlöser gut ausgebildet sind, kommt ihnen bei Streitigkeiten eines Planungsbüros eine wesentliche Rolle zu. Für die Tätigkeit als Schiedsgutachter sind sie bestens geeignet. Durch die „Gewährung des rechtlichen Gehörs“ können sie den Sachverhalt umfassend aufklären und die Interessen der Parteien nachvollziehen, damit praxistaugliche und zeitsparende Konfliktlösungen auf Grundlage der Schiedsgutachten mit den Parteien vereinbart werden können. Wenn Schiedsgutachter zusätzlich die mediativen Arbeitsmethoden anwenden, erweitern sie ihr Spektrum zur passenden Konfliktlösung durch hybride Streitbeilegungsverfahren zum Wohle der Streitparteien. Sachverständige und Baujuristen müssen als Spezialisten die Charakteristika der unterschiedlichen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren kennen. Besonders beim Planen und Bauen mangelt es an Fachleuten, die über eine fundierte Ausbildung zum Streitlöser und Schiedsgutachter mit mediativen Kompetenzen verfügen. Es besteht ein erheblicher Weiterbildungsbedarf auch für Planungsbüros.

Weiterführende HinweisE
  • Beitrag: „Außergerichtliche Streitbeilegung (Teil 1): Wie funktioniert eigentlich ein Schiedsgutachten?“, Ausgabe 10/2025, Seite 19 → Abruf-Nr. 50477126
  • Rosina Sperling ist Geschäftsführerin der BVM BauVertragsManagement GmbH, Vorständin der DGA-Bau Deutsche Gesellschaft für außergerichtliche Streitbeilegung, Streitlöserin und Ausbilderin Wirtschaftsmediation (Schwerpunkt Bauwirtschaft). Interssieren Sie sich für eine Fortbildung in außergerichtlicher Streitbeilegung, dann informieren Sie sich auf: https://bvm-seminare.de/streitloeser/

AUSGABE: PBP 11/2025, S. 16 · ID: 50569351

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