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AuftragsbeschaffungIntegrierte Projektabwicklung (IPA): Schnickschnack für Megaprojekte oder alltagstauglich?

Abo-Inhalt11.09.20241845 Min. LesedauerVon RAin Carla Witte, Weimer & Partner Rechtsanwälte PartG mbB

| Das Interesse an IPA nimmt kontinuierlich zu. Einige IPA-Projekte sind bereits abgeschlossen, weitere in Planung oder Ausführung. Tiefere Einblicke ins IPA-Thema lieferte die 6. IPA-Konferenz am 04.06.2024 in Berlin. Die bisherigen offiziellen IPA-Projekte sind zumeist Großprojekte. IPA ist aber auch für kleinere Projekte sowie kleinere und mittelgroße Planungsbüros relevant. Erfahren Sie, warum und wie Sie sich dem Thema nähern können. |

Diese Charakteristika zeichnen IPA-Projekte aus

IPA zeichnet sich durch acht Charakteristika aus, die sich allesamt auf das „Wie“ der Zielerreichung beziehen:

  • 1. Etablierung eines Mehrparteiensystems
  • 2. Frühzeitige Einbindung der Schlüsselbeteiligten mittels Kompetenzwettbewerb
  • 3. Gemeinsames Risikomanagement
  • 4. Gemeinsame Entscheidungen
  • 5. Anreizsystem im Rahmen eines Vergütungsmodells
  • 6. Einsatz kollaborativer Arbeitsmethoden
  • 7. Lösungsorientierte Konfliktbearbeitung
  • 8. Kooperative Haltung der Beteiligten

Das unterscheidet IPA von gängigen Abwicklungsmethoden

Konventionelle und die meisten bisherigen partnerschaftlichen Projektabwicklungsmodelle lassen sich prinzipiell gegeneinander austauschen. Der Business Case des Projekts ist mehr oder weniger definiert und will auf die eine oder andere Weise umgesetzt werden. Das ist bei IPA anders.

Projektbeteiligte werden viel früher ins Boot geholt

Die Beteiligten eines IPA-Projekts werden zu einem viel früheren Zeitpunkt in das Projekt involviert bzw. integriert. Dadurch haben sie viel mehr Einfluss auf das Gesamtprojekt. Projekte profitieren von der vernetzten Summe der Kompetenz der Projektbeteiligten sowie transparenter und direkter Kommunikation. So werden Missverständnisse, unnötige Wiederholungen und Schnittstellenverluste vermieden und eine reibungslose Zusammenarbeit ermöglicht.

Projektbeteiligte schließen einen einzigen Mehrparteienvertrag

Die Projektbeteiligten schließen sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Projekts über einen Mehrparteienvertrag zu einer Allianz zusammen, anstatt über verschiedene bilaterale Verträge mit dem Bauherrn einzelne vordefinierte Teilaufgaben zu übernehmen und primär diese als Projekt zu begreifen. Auf diese Weise profitiert das Projekt vom spezifischen Fachwissen und der Erfahrung aller Beteiligten, die in die Gesamtgestaltung einfließen.

Auch das Vergütungsmodell fördert ein anderes Miteinander im Projekt

Neben der Bildung einer Projektallianz und der deutlich früheren Einbindung der Beteiligten bedeutet IPA ein anderes Miteinander im Projekt. Das beginnt bereits mit der Definition als gemeinsames Gesamtprojekt. Die Beteiligten sind gemeinsam für den Projekterfolg verantwortlich. Konkret bedeutet das ein anreizbasiertes Vergütungsmodell mit Vergütung aller direkten Kosten, eine gemeinsame Risikotragung und -absicherung über eine Projektversicherung sowie einen weitgehenden gegenseitigen Haftungsverzicht.

Möglich ist eine solche Form der projektbezogenen engen Zusammenarbeit nur auf einer Basis aus Vertrauen, Offenheit und enger Zusammenarbeit.

IPA eignet sich auch für kleinere und private Projekte

Auch wenn die vorgenannten Aspekte jedem Projekt guttun, galt IPA bislang als Projektabwicklungsmethode für „komplexe Großprojekte“. Das hatte zur Konsequenz, dass sich viele Planungsbüros und Bauunternehmen nicht mit IPA auseinandergesetzt haben. Dabei eignet sich IPA auch für kleinere und private Projekte. Aus folgenden Gründen:

Know-how als essenzieller Faktor für Wertschöpfung

Essenzieller Faktor für Wertschöpfung ist Know-how. Über Know-how, also Erfahrung und Spezialwissen, verfügen nicht nur große Planungsbüros. Dennoch bedarf es neben dem Know-how auch „Manpower“. Naturgemäß verfügen kleine Büros über weniger Manpower. Das muss aber nicht dazu führen, dass IPA-Projekte nicht vom Know-how kleinerer Büros profitieren (s. unten).

IPA bedeutet Kulturwandel

Entscheidende Weiche für die erfolgreiche Mitwirkung an einem IPA-Projekt ist die Haltung (das „Mindset“). Architekten und Ingenieure, die offen für IPA sind, müssen sich zunächst damit auseinandersetzen, welche Unterschiede im Vergleich zur „klassischen“ Projektabwicklung auf sie zukommen.

Es genügt nicht, wenn sich das Management mit IPA auseinandersetzt. IPA muss auf allen Ebenen verstanden und verinnerlicht werden. Denn IPA lebt – und steht und fällt – auf Projektebene. Besagter Kulturwandel geht einher mit einer anderen Form der Zusammenarbeit im Projekt: Während Zusammenarbeit in konfrontativen Vertragsabwicklungsformen primär als Platzhalter dafür verstanden wurde, sein eigenes Vertragssoll irgendwie zu erbringen, bedeutet Zusammenarbeit im IPA-Projekt echte Kollaboration aller Projektbeteiligten – kein Nebeneinander bei der Zielerreichung, sondern ein wirkliches Miteinander im Interesse des Projekts.

Projektbeteiligte arbeiten vor Ort in gemeinsamer „Co-Location“

Kollaboration im Sinne von IPA findet auf der Baustelle / am Projekt statt. Die Projektbeteiligten arbeiten – unabhängig von der Firmenzugehörigkeit – bewusst in einer sog. Co-Location, also vor Ort an einem gemeinsamen Ort.

Die Co-Location ist die Basis für maximale Zusammenarbeit. Das ist weit mehr als gegenseitige Unterstützung im Sinne von Kooperation. Kollaboration enthält Offenheit und Transparenz. Das bedingt und bezieht sich gleichermaßen auf den Umgang mit Fehlern. IPA setzt eine Fehlerkultur voraus, die dem Projekt nützt. Das bisherige „Blame-Game“ hat in einem IPA-Projekt nichts zu suchen. Fehler passieren allen, sie müssen gesehen und beseitigt werden.

IPA bündelt Kompetenz

Die beschriebene Form der Zusammenarbeit (Kollaboration) bündelt Kompetenz und ermöglicht eine gegenseitige Ergänzung zum Wohle des Projekts. Dabei ist es nicht erforderlich, allein einen großen Part des Projekts zu übernehmen. Möglich sind auch Team-Bewerbungen in Form eines Zusammenschlusses mehrerer Büros („Planungs-ARGE“). Ebenso kommt eine Beteiligung als Nachunternehmer eines Allianz-Mitglieds in Betracht. Insofern besitzt IPA bereits jetzt Relevanz für Planungsbüros aller Größen.

IPA hat eigenes Haftungskonzept

Auch das Haftungskonzept von IPA-Projekten unterscheidet sich grundlegend von konventioneller Risikoverteilung. Chancen und Risiken werden im Interesse maximaler Wertschöpfung von allen Projektbeteiligten gemeinsam getragen.

So gelingt Ihr „IPA-Einstieg“

Wenn Sie sich intensiver mit IPA vertraut machen wollen, sind folgende Schritte zu empfehlen:

Fazit | IPA bedeutet einen Kulturwandel weg vom limitierten egoistischen Gewinnstreben hin zur kollaborativen und damit maximalen Wertschöpfung. Durch offene und regelmäßige Kommunikation werden Missverständnisse vermieden und eine reibungslose Zusammenarbeit sichergestellt. Im Interesse von Projekten sollte es nicht auf die Größe der beteiligten Einheiten ankommen, sondern auf das projektspezifisch größte Know-how.

  • Prüfen Sie so früh wie möglich, ob Ihr Team verinnerlicht hat, was Kollaboration bedeutet und ob Ihr Unternehmen über ausreichend personelle Kapazitäten verfügt. Lassen Sie sich im Zweifel beraten.
  • Als Planer haben Sie gegenüber anderen Projektbeteiligten den Vorteil, selbst im Rahmen konventionell abgewickelter Projekte frühzeitig eingebunden zu werden. Nutzen Sie diesen Vorteil, um gerade solche Projekte, bei denen sich aus den Rahmenbedingungen spezifische Zwänge ergeben, IPA proaktiv vorzuschlagen.
Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Mehrparteienvertrag: Studie beleuchtet Rolle der Planer“, PBP 1/2023, Seite 3 → Abruf-Nr. 48768791
  • Beitrag „Integrierte Projektabwicklung und Mehrparteienverträge: Mehr Chancen als Risiken für Planer“, PBP 8/2020, Seite 15 → Abruf-Nr. 46716199

AUSGABE: PBP 10/2024, S. 21 · ID: 50141850

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